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Genf streitet um Ehrengrab für Prostituierte

Griselis Real - die Genfer Prostituierte starb im Mai 2005. Keystone

Der Entscheid, das Grab der 2005 verstorbenen Prostituierten und Schriftstellerin Grisélidis Réal auf den Prominenten-Friedhof zu verlegen, sorgt im weltoffenen Genf für Diskussionen. Auf dem "Cimetière des Rois" liegt auch das Grab von Jean Calvin.

Grisélidis Réal starb am 31. Mai 2005 im Alter von 75 Jahren. Sie wurde in Genf beerdigt. Nun hat die Genfer Stadtregierung entschieden, die sterblichen Überreste am 9. März auf den » Cimetière des Rois» zu überführen.

«Sie hat jahrelang die Würde der Prostituierten verteidigt», begründet der für die Kultur zuständige Gemeinderat Patrice Mugny den Entscheid.

Er verteidige die Prostitution nicht, aber: «Wenn wir akzeptieren, dass das Phänomen existiert, müssen wir auch ein Interesse haben, dass sie möglichst in einem anständigen Rahmen betrieben wird», sagt er gegenüber swissinfo.

«Réal war auch eine wichtige Roman-Schriftstellerin. Sie hat mehrere Bücher über ein Thema geschrieben, das lange Zeit tabu war. Sie hat einen Platz auf dem ‹Cimetière des Rois› verdient», so Mugny.

Zudem seien dort nur wenig Frauen beerdigt. Neben Calvin ruhen auf dem Friedhof Grössen wie der argentinische Schriftsteller Jorge Louis Borges, der Schweizer Komponist Frank Martin, der Dirigent Ernest Ansermet, der Schriftsteller Ludwig Hohl und Genfer Lokalgrössen.

Kann eine Hure Vorbild sein?

Dass nun auch eine Prostituierte in den erlauchten Kreis aufgenommen werden soll, sorgt in Genf für Empörung. So bezeichnete die Anwältin Odile Roulet in einem Leserbrief in der Lokalzeitung den Entscheid der Stadtregierung als «Angriff auf die Ehre und den Ruf» Genf. Er sei «skandalös» und eine «Beleidigung der Frauen».

Andere monieren, es sei nicht klug Grisélidis Réal zu einem Vorbild herauf zu stilisieren.

Aber auch aus Kreisen von Genfer Prostituierten kommt Kritik. «Ich lernte Grisélidis Réal 1977 kennen», erzählte eine Prostituierte der Tageszeitung Le Matin. «Es stimmt, dass sie viel getan hat für die Anerkennung unseres Berufs. Aber sie hätte das Buch, in dem sie Namen und Gewohnheiten ihrer Kunden veröffentlichte, nicht publizieren sollen.»

Barrieren fielen

Marie-Jo Glardon, Koordinatorin der von Réal gegründeten Genfer Prostituierten-Selbsthilfeorganisation «Aspasie» ist klar: «Sie hat die Erinnerung für ihr Verhalten, ihr Talent und ihren Einfluss verdient. Sie war eine grosse Persönlichkeit und ein Symbol», sagt Glardon gegenüber swissinfo.

«Ihre Geschichte ist eng mit den sozialen Entwicklungen in den 1970er- und 80er-Jahren verbunden, also mit jener Zeit, in der moralische Barrieren fielen und in der auch sexuelle Minderheiten begannen, ihre Bedürfnisse öffentlich zu diskutieren», so Glardon.

Teresa Skibinska, die Leiterin des kantonalen Gleichstellungsbüros nuanciert: «Sie hat mit «Aspasie» eine Organisation auf die Beine gestellt, welche auch heute noch funktioniert. Sie verdient Anerkennung. Gleichzeitig habe ich ein Problem damit, wenn wir die Verstorbenen mit einem Grab an einem speziellen Ort ehren. Wir sind alle gleich, wenn wir tot sind», sagt Skibinska.

swissinfo, Simon Bradley, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

Wurde 1929 in Lausanne geboren. Sie studierte in Zürich Kunst.

1960 zog sie nach Deutschland und begann als Prostituierte zu arbeiten.

1982 war sie in Genf Gründungsmitglied der Selbsthilfe-Organisation «Aspasie».

Sie war auch wesentlich am Aufbau des internationalen Dokumentations-Zentrums zur Prostitution in Genf.

1995 stieg Real im Alter von 66 Jahren aus der Prostitution aus.

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