Giganten der Kunst: Dürrenmatt und Roth

Das Centre Dürrenmatt zeigt zwei Ausstellungen. Die eine ist Friedrich Dürrenmatt, die andere Dieter Roth gewidmet.
«Friedrich Dürrenmatt – Endspiele» und «Dieter Roth – La Bibliothèque»: Die Ausstellungen schaffen Verbindungen und Verwandtschaften.
Persönlich begegnet sind sich Friedrich Dürrenmatt (1921-1990), der grosse Dramatiker, Schriftsteller, Essayist und Dieter Roth (1930-1998), der grosse (Sprach-) Künstler, Grafiker, Maler, nie. Dabei sind, wer die Werke der beiden betrachtet, durchaus Parallelen, Verbindungen ja Verwandtschaften auszumachen.
Vom Schreiben und Malen und Malen und Schreiben
Dürrenmatt war nicht nur Schriftsteller. Er illustrierte, malte und zeichnete, gab seinem Universum eine bildliche Gestalt. Für ihn, der einst überlegte, Maler zu werden, war die Malerei mehr als Passion. «Soll ich malen oder schreiben. Es drängt mich zu beidem», schrieb er als Student seinem Vater.
Dieter Roth wurde als bildender Künstler berühmt, dabei spielte das Wort immer eine zentrale Rolle in seinem Schaffen. Ja, er wäre gerne als Autor wahrgenommen worden. «Ich glaube nicht, dass ich als Maler angefangen habe. Ich habe eigentlich als Dichter angefangen», schrieb er einst.
Dionysos
An bester Lage, hoch über dem Neuenburgersee liegt das Centre Dürrenmatt. 1952 kaufte Friedrich Dürrenmatt das Haus Pertuis-du-Sault zu einem relativ bescheidenen Preis. In der Ruhe und Abgeschiedenheit, den Blick frei auf Alpen und Himmel, schuf er einen wichtigen Teil seines umfangreichen Werkes.
Hier holte Friedrich Dürrenmatt öfters seinen geliebten Château Margaux, einen Bordeauxwein der Spitzenklasse, aus dem Keller und philosophierte oder spielte Schach mit Freunden und Gleichgesinnten. Dionysos, dem Gott des Weines und der Ekstase war auch Dieter Roth wohlgesinnt. Kurator und Roth-Kenner Johannes Gachnang spricht im Zusammenhang mit der rothschen Kunst gar von einem «dionysischen Werk».
Mario Bottas Bau
Nach dem Tode Friedrich Dürrenmatts 1990 wandte sich Charlotte Kerr, Dürrenmatts zweite Frau, an Mario Botta, den renommierten Schweizer Architekten. Er sollte sich Gedanken zu einem Zentrum machen, das das Bildwerk Dürrenmatts bekannter machen würde.
In Herbst 2000 öffnete das Centre Dürrenmatt schliesslich seine Tore. Botta, sonst bekannt für grosse Bauten, hielt sich vornehmlich zurück. Entstanden ist ein inspirierender Ort, der Dürrenmatt, der Gegend und dem Publikum Respekt zollt und zur Auseinandersetzung einlädt.
Das ehemalige Wohnhaus Dürrenmatts zog der Tessiner Architekt in den Bau mit ein. Daneben schuf er eine grosse halbrunde Terrasse (mit Cafeteria), darunter liegen in der Tiefe, im Dunkeln, mit Tageslicht erhellt, die eigentlichen Museumsräume.
Endspiele
Die Räume wirken schwer und leicht zugleich und verweisen auf die Paradoxien in Dürrenmatts Werk und Denken. «Endspiele», der dürrenmattsche Teil der Ausstellung zeigt Zeichnungen, Bilder, Texte, Fotografien in grosser Zahl. Natürlich fehlt auch Dürrenmatts Schachbrett nicht.
«Ich strebe mit meinem Endspiel das schlimmstmögliche Ende an, das Schachmatt, während andere nur das Patt suchen.» (Aus «Der Mitmacher – Ein Komplex», 1976).
Dürrenmatt, dem Pfarrersohn und Diabetiker, waren Tod und Apokalypse, Leben und Gott, Macht und Ohnmacht nie fremd. Im Gegenteil: Daraus bezog er seine Frage-Stellung, seine lebenslange Skepsis, seine Kraft.
La Bibliothèque
Bekannt geworden ist Dieter Roth mit den wuchernden Werken seiner materiellen Existenz. Zigarettenkippen, Nahrungsabfälle, verwelkte Blumen – alles bewahrte er auf und archivierte es. Jahrelang. Immer wieder zerfällt, fault, schimmelt es in seinen Werken. Als Installation und Inszenierung.
Parallel waren das Wort, Gedichte, Texte, Grafiken, Drucke immer präsent. Wo das Private und das Öffentliche anfing und wo es endet, wusste niemand so genau, Roth wahrscheinlich auch nicht. Kunstgeschichtlich ist sein Werk schwer einzuordnen.
Die Ausstellung zeigt einen überzeugenden Ausschnitt aus dem riesigen Oeuvre. Kinderbücher, Plakate, Drucke, Entwürfe, Collagen. Die Schweizerische Landesbibliothek, der das Centre Dürrenmatt angegliedert ist, besitzt eine grosse Sammlung von Büchern Dieter Roths.
Sie bilden den Schwerpunkt der Ausstellung, und sie zeugen von Roths Gewaltakt, sich immer und immer wieder gegen die Konvention zu stellen, das Erwartete nicht zu erfüllen, dem Chaos Systematik abzuringen.
swissinfo, Brigitta Javurek
Seit dem Herbst 2000 ist das Centre Dürrenmatt öffentlich zugänglich.
Architekt des Museums ist Mario Botta.
Damit ist die Schweiz um ein Museum, das eine Verbindung zwischen Künstler und Architektur schafft, reicher.
Die Ausstellung dauert bis zum 26. Oktober 2003.
Das Schaulager Basel zeigt am 24. Mai eine Retrospektive über Dieter Roth.

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