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Glänzend in Form: Christbaum-Schmuck

Süsser der Schmuck nie strahlt: Weihnachten swissinfo.ch

Die Geschichte des Christbaum-Schmucks begann vor rund 200 Jahren. In der Epoche des Biedermeier, als die Familie vermehrt ins Zentrum rückte, fand auch der Christbaum seinen Platz.

Das Haus zum Kirschgarten in Basel zeigt Christbaum-Schmuck aus den verschiedensten Epochen.

Seit Wochen beherrschen sie wieder das vorweihnächtliche Strassenbild: Christbäume. Behängt mit Kugeln, Kitsch und Kunstlicht sollen sie zum Weihnachts-Shopping animieren und auf die schönste Zeit im Jahr, die Adventszeit, einstimmen.

Was so prächtig heimelig und immergrün in Feld und Heim steht und an Brauchtum erinnert, ist keineswegs so alt wie es scheint. Seit etwa 200 Jahren – es sind verschiedenste Jahreszahlen im Umlauf – gehört der Weihnachtsbaum samt Schmuck und allerlei Zierrat zur Weihnachtsfeier wie Meister Lampe zu Ostern.

Alter Brauch – Junger Christbaumschmuck

1799 wird erstmals in einer Zürcher Chronik ein mit Äpfeln und Nüssen verziertes Tännchen erwähnt. Eine ältere literarische Erwähnung findet sich in Goethes «Werther» von 1774. Deutlich älter dürfte der Brauch sein, sich zur Wintersommerwende (25. Dezember) einen immergrünen Zweig in der dunkelsten Jahreszeit ins Haus zu holen.

Heutzutage, im Zeitalter des Kitschs und der Sehnsucht nach Authentizität und Wurzeln, feiert das grüne Stehaufmännchen Urstände. Christbaumschmuck boomt. Girlanden, Glöckchen, Röschen, exotische Vögel und farbige Kugeln in allen Grössen und Materialien hängen ihre Zeit am Baume ab.

Schmuck im Museum

In jüngster Zeit ist auch ein Sammlermarkt für Christbaum-Kugeln und Co. am Entstehen. Alter Baumschmuck wird teuer ver- und eingekauft, und neuerdings findet das schmucke Beiwerk auch Eingang in Museen.

«Es ist ein relativ neues Sammel-Gebiet in der Museumslandschaft», sagt Margret Ribbert, Konservatorin am Haus zum Kirschgarten, nach einer ihrer jährlichen Christbaumschmuck-Führungen im Gespräch mit swissinfo.

«Noch sind es erst wenige Museen, die Wert darauf legen, Baumschmuck in ihrer Sammlung zu haben. Aber seit 10 bis 15 Jahren ist ein Interesse am Thema festzustellen. Das merkt man auch an den Publikationen und Büchern, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind.»

Biedermeier und Brandgefahr

Der schwäbische Lehrer Gottlieb Biedermeier gab jener Epoche (1815 – 1848) den Namen, die für den Rückzug ins Private, Heimatverbundenheit, Hervorhebung der Familie und der Bändigung aller Leidenschaften steht: Biedermeier.

Die Aufklärung war damals bereits Vergangenheit, und erstmals wurden Kinder nicht mehr als kleine Erwachsene, sondern als eigenständige Menschen behandelt. Vater, Mutter und Kinder, die Familie am runden Tisch, Schnee auf Feldern und Fluren. Dazu passte auch der Christbaum: Dekoriert mit Äpfeln, Nüssen und Konfekt wurde er rasch zum Liebling der weihnächtlichen Familienanlässe.

Standortfrage

Noch ist man sich nicht einig, wo genau das tannige Bäumchen stehen soll, noch wird das Bäumchen nicht beleuchtet, Kerzen sind ein teurer Luxus, den sich bestenfalls ein Fürstenhof leisten kann. Eine Illustration aus jenen Tagen zeigt einen Christbaum hoch oben an der Decke hängend: Vor Kinderhänden in Sicherheit.

Auch das Bäumchen, den Baum darf man nicht mit heutigen Augen sehen. Da standen keineswegs die bestgewachsenen schmucksten Kerle in der guten Stube. Nein, die krummen und verwachsenen Bäume wurden zum Christbaum, die schönwüchsigen wurden für Möbel genutzt.

Licht in dunkler Zeit

Und wie kam das Licht an den Baum? Das Verlangen nach Licht in dunkler Jahreszeit trieb wilde Blüten in den Anfängen des Baums aller Bäume. Experimentiert wurde mit Baumnüssen gefüllt mit Öl und Docht. Doch dieser billige Parafinersatz war im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der «essbare» Christbaumschmuck ausgedient. Als Nebenprodukt fand vornehmlich haltbarer und somit wiederverwertbarer Schmuck aus Glasmanufakturen in Thüringen und Böhmen seine Bestimmung.

Damit setzte ein Funkeln und Glitzern, ein Leuchten und Strahlen in nie gekanntem Ausmass zu Hause ein. Das Zusammenspiel von Glaskugeln, Wundertieren, Stanniolpapier, Leonischen Drähten und Lametta, gespiegelt im warmen Kerzenschein, liess Kinder und Eltern gleichermassen entzückt dastehen.

Jugendstil setzt Massstäbe

Dem Jugendstil war es vorbehalten, erstmals den monochromen, den gestalteten Christbaum in die Stube zu bringen. Wie in jeder Epoche spiegelte der Christbaumschmuck das aktuelle Weltbild wieder.

So hing neben Kanonen und Schiffen auch allerlei exotisches Getier samt Tann- und Eiszapfen am Baume. Aber nicht mehr in bunten Farben, sondern in zarten Weiss-, milchigen Crèmetönen und durchschimmerndem Glas.

Von nun an stand dem individuell gestalteten Christbaum Tür und Tor offen. Was leuchten sollte im Vaterland fand auch in der privaten Stube an Weihnachten seinen Niederhall. So sollen während der Nazi-Herrschaft in deutschen Wohnzimmern auch Glaskugeln mit Hakenkreuzen im Kerzenlicht gestrahlt haben.

Heute ist erlaubt, was gefällt. Kunstbäume mit Kunstlicht und Mickey-Maus-Figuren haben ebenso ihren Stammplatz im trauten Heim wie Bäume im «originalen» Biedermeierstil.

swissinfo, Brigitta Javurek

Im Biedermeier hält der Christbaum in den Stuben Einzug
Christbaumschmuck wird erst in einigen Museen gesammelt
Alter Christbaumschmuck wird heute teuer gehandelt

In den ersten Jahren wurde der dickwandige Christbaum-Schmuck mit einer Zinn-Blei-Legierung verspiegelt, die 1870 durch das Verspiegeln mit Silbernitrat abgelöst wurde.
Etwa um 1880 wurden die Amerikaner auf die glänzenden Erzeugnisse aus deutschen Landen aufmerksam, kurze Zeit später war der Baumschmuck schon ein Exportschlager.
Zwischen 1870 und 1939 wurden ungefähr 5000 verschiedene Formen hergestellt. Der Christbaum-Schmuck wurde grösstenteils in Heimwerkstätten von Frauen gefertigt.

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