Glamouröser Auftakt auf der Piazza Grande in Locarno
Mit dem Hollywood-Film "Miami Vice" von Michael Mann und der Verleihung des Excellence Award an Willem Dafoe auf der Piazza Grande ist das 59. Internationale Filmfestival Locarno eröffnet worden.
Erstmals erhält das einheimische Filmschaffen mit einem Schweizer Tag ein besonderes Gewicht. Schweizer Filme gibt’s auf der Piazza, in den Wettbewerben und als Weltpremieren.
Mit elf Weltpremieren und internationalen Erstaufführungen zeigt sich die Piazza Grande dieses Jahr als Bühne für ein abwechslungsreiches Programm. Dieses enthält sowohl Hollywood-Produktionen, als auch europäisches Autorenkino, Kurz- und Dokumentarfilme sowie einheimisches Filmschaffen.
«Ja, Locarno soll ein populäres Festival sein und bleiben», bekräftigt der künstlerische Direktor Frédéric Maire gegenüber swissinfo. «In diesem Sinn haben wir die Filme für die Piazza ausgewählt.»
Aber nicht nur populär, wie Maire weiter ausführt: «Locarno ist zugleich ein Festival, das innovatives, manchmal experimentelles Kino präsentiert.»
Die Bereitschaft zum Risiko zeigt sich insbesondere im Programm des Wettbewerbs, in dem zahlreiche Erstlingsfilme von weitgehend unbekannten Regisseuren zu sehen sind. Unter den 21 Beiträgen aus 15 Ländern bewirbt sich auch ein Schweizer Film um den Goldenen Leoparden: «Das Fräulein» von Andrea Staka.
Schweizer Präsenz nicht nur an einem Tag
Ein weiterer Film aus der Schweiz – «La vraie vie est ailleurs» von Frédéric Choffat – läuft im Wettbewerb der CineastInnen der Gegenwart.
Erstmals am Festival wird ein ganzer Tag dem Schweizer Film gewidmet. Das Bundesamt für Kultur (BAK) und seine Film-Sektion sowie die Promotionsstelle Swiss Films haben dafür ein eigenes Logo geschaffen: einen weissen Leoparden-Kopf auf rotem Grund.
Ein Blick hinter die Kulissen des Castings, Preisverleihungen und Begegnungen mit Filmschaffenden sind neben den Filmvorführungen die Ereignisse dieses Tages.
Als Höhepunkt wird der neue Film von Jean-Stéphane Bron, «Mon frère se marie» mit Jean-Luc Bideau, als Weltpremiere auf der Piazza Grande vorgeführt. Bron hatte bereits 2003 seinen erfolgreichen Doku-Thriller über die Mechanismen der Schweizer Demokratie, «Mais im Bundeshaus», auf der Piazza gezeigt.
So präsent wie dieses Jahr war der Schweizer Film in Locarno noch nie, auch über den Schweizer Tag hinaus.
So sind auf der Piazza Grande ausserdem «Die Herbstzeitlosen» von Bettina Oberli und «La liste de Carla» von Marcel Schüpbach zu sehen; letzterer ist ein Dokumentarfilm über Carla del Ponte, die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien.
Wenn die Politik ans Festival kommt
Im Vorfeld des Festivals hatte sich der neue künstlerische Direktor Frédéric Maire von seiner Vorgängerin Irene Bignardi mit der Bemerkung abgegrenzt, dass der Film wieder mehr im Zentrum stehen solle als die Politik. Doch ist diese nun ganz von selbst nach Locarno gekommen.
Nach dem Beginn des Kriegs im Libanon hat sich die Festivalleitung von Israel als Co-Sponsor für die Programmreihe «Leoparden von Morgen» getrennt. Die Reihe widmet sich den jüngsten Produktionen aus der Schweiz und jedes Jahr einem neuen geographischen Raum – dieses Jahr dem Nahen Osten.
Das israelische Aussenministerium hatte die Reise- und Übernachtungsspesen der vier eingeladenen israelischen Regisseure übernehmen wollen und wäre dafür im Programmheft als Sponsor aufgeführt worden. Dagegen hatte sich Kritik arabischer Filmschaffender geregt.
Doch sei die Festivalleitung unter keinem politischen Druck gestanden, sagte Maire gegenüber Schweizer Radio DRS. Sie hätte sich gleich nach Kriegsausbruch zu diesem Schritt entschlossen: «In Anbetracht der gegenwärtigen Krise.»
swissinfo, Susanne Schanda
Internationales Filmfestival Locarno: 2.-12. August 2006
Internationaler Wettbewerb: 21 Filme
Piazza Grande: Vorführung von 19 Filmen, darunter 3 Schweizer
Ehrenleopard: Alexander Sokurov
Locarno Excellence Award: Willem Dafoe
Preis Raimondo Rezzonico für Agat Films
Retrospektive: Aki Kaurismäki
«Das Fräulein», der erste Spielfilm der Zürcherin Andrea Staka läuft im internationalen Wettbewerb um den Goldenen Leoparden. Er porträtiert drei in Zürich lebende Emigranten aus Ex-Jugoslawien.
Drei Lang- und zwei Kurzfilme aus der Schweiz werden auf der Piazza Grande vorgeführt: «Die Herbstzeitlosen» von Bettina Oberli, «La liste de Carla» von Marcel Schüpbach, «Mon frère se marie» von Jean-Stéphane Bron, sowie «Jeu» von Georges Schwizgebel und «Rachel» von Frédéric Mermoud.
Der Spielfilm «La vraie vie est ailleurs» von Frédéric Choffat läuft im Wettbewerb CineastInnen der Gegenwart. In der gleichnamigen Sektion aber ausserhalb des Wettbewerbs sind zu sehen: «La traductrice» von Helena Hazanov, «Que viva Maurice Demierre» von Stéphane Goël und «No Body is Perfect» von Raphaël Sybilla.
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