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Glückskette: 60 Jahre gelebte Solidarität

Radio-Mitarbeiterinnen nehmen Anrufe von Hörerinnen und Hörern der Glückskette-Sendung entgegen. glückskette.ch

Die Glückskette, das humanitäre Sammelsystem der Schweizer Medien unter Führung der SRG SSR idée suisse, feiert am Dienstag in Lausanne ihren 60. Geburtstag.

Sie unterstützt Notfallprogramme für die von Krieg oder Naturkatastrophen betroffene Bevölkerung, ist aber selber kein Hilfswerk.

Es begann am 26. September 1946 auf Radio Sottens (heute: Radio Suisse Romande – RSR), als die beiden Radiomacher Roger Nordmann und Paul Vallotton, später Direktor von RSR, sowie der Entertainer Jack Rollan ihre erste Sendung zugunsten von Waisenkindern aus dem Zweiten Weltkrieg machten.

Die Idee der Sendung: Eine Sammelaktion als Kette der Solidarität sollte Menschen miteinander verbinden und helfen, Leid zu mildern. Radio Sottens hatte die «Chaîne du Bonheur», die «Glückskette», erfunden. Zu Gast in der ersten Sendung war Frau Juliette Hédiguer aus Avenches, die vorübergehend ein Waisenkind aus England bei sich aufgenommen hatte.

Expansion in die Deutschschweiz und ins Tessin

«La Chaîne du Bonheur» sollte bald zu einem der beliebtesten Radiospiele in der Romandie werden. «Die Sendung fand zuerst wöchentlich statt, später nur im Katastrophenfall und in unregelmässigen Abständen», erinnert sich Roland Jeanneret, Kommunikationschef der Glückskette.

Bereits im Oktober 1947 wurde sie in der Deutschschweiz von Radio Basel übernommen, später auch in der italienischen Schweiz. «Dann gab es sogar eine europäische Vernetzung, die mit der Zeit aber wieder fallen gelassen wurde», so Jeanneret gegenüber swissinfo.

Jeanneret hat seit 1993 ein Mandat bei der Glückskette. Vorher war er während gut 20 Jahren als Radioreporter für die Durchführung der Glückskette-Sammeltage auf Radio DRS verantwortlich.

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Glückskette

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Glückskette ist kein Hilfswerk, sondern das humanitäre Sammelsystem der Schweizer Medien, angeführt durch die SRG SSR idée suisse. Die operationelle Arbeit im In- und Ausland führen über 30 Schweizer Hilfswerke aus. Die Glückskette wurde 1946 gegründet und erhielt 1983 die Rechtsform einer Stiftung. Sie hat ihren Sitz in Genf und je ein regionales Büro…

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Solidaritäts- und Sammelplattform der Medien

Die Glückskette wurde immer erfolgreicher, und 1983 erhielt sie die Rechtsform einer Stiftung, initiiert von der SRG SSR idée suisse. Heute sind ihr auch zahlreiche Privatradios, Zeitungen und Online-Dienste angeschlossen: Die Glückskette ist zur Solidaritäts- und Sammelplattform der Schweizer Medien geworden.

Sie ist also kein Hilfswerk. Die operationelle Arbeit führen erfahrene Schweizer Hilfswerke nach genauen Abmachungen aus. Die Glückskette arbeitet heute mit über 30 Hilfswerken zusammen.

Den Spendern danke sagen

Zum 60. Geburtstag, der vor dem Radio-Studio Lausanne, dem Geburtsort, stattfindet, will die Glückskette laut Roland Jeanneret keine grossen Festivitäten durchführen. «Als humanitäre Organisation möchten wir vor allem den Hunderttausenden von Spenderinnen und Spendern danke sagen und auch erklären, wie die Glückskette funktioniert, was eigentlich ihre Statuten vorschreiben und was ihr Grundgedanke ist.»

Im Rückblick auf seine langjährige Tätigkeit bei der Glückskette ist Jeanneret beeindruckt von der grossen Solidarität der Schweizer Bevölkerung, die bei allen Katastrophen funktioniert habe. «Sie war besonders beeindruckend bei der Tsunami-Katastrophe, wo 227 Mio. Franken zusammenkamen.»

Sensibler bei Naturkatastrophen

Diese Solidarität spiele auch bei «undankbaren Spendenaufrufen», zum Beispiel für Darfur in Sudan, oder jetzt gerade wieder für die Folgen des Libanon-Krieges, obwohl die Leute bei Krisen und Kriegen lange nicht so spendefreudig seien wie bei Naturkatastrophen.

«Es ist schon so, die Leute reagieren sensibler, wenn es um Naturkatastrophen geht, wo es ‹keine Schuldigen› gibt, während man bei Krisen und Kriegen das Gefühl hat, dort gebe es Leute, die man zur Verantwortung ziehen könnte, und das motiviert weniger zum Spenden», präzisiert Jeanneret. «Das ist normal, das geht mir persönlich auch so.»

Sehr berührt haben den Glückskette-Kommunikationschef Erlebnisse wie jenes, wo Eltern ein Sparkässeli ihres verstorbenen Kindes gespendet haben. «Oder jener Autobahnpolizist, von dem ich morgens um halb zwei Uhr 200 Franken Spendengelder erhielt, als ich in eine Grosskontrolle auf der Autobahn geriet. Sonst läufts ja meistens umgekehrt – der Automobilist bezahlt.»

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Bis heute hat die Glückskette in 115 Spendenaufrufen und Sammelaktionen rund 900 Mio. Franken an Spenden erhalten. Die Gelder werden zu hundert Prozent für Hilfsprojekte eingesetzt.

Die Glückskette selber finanziert sich über Zinsen noch nicht einsetzbarer Spenden.

Die von der Glückskette geprüften und bewilligten Projekte werden von zurzeit 32 Partner-Hilfswerken ausgeführt. Diese können maximal 10% Projektbegleitungs-Kosten geltend machen.

Die Glückskette ist die grösste Solidaritäts- und Sammelplattform der Schweiz. 1999 erhielt sie für ihre Arbeit den Internationalen Menschrechts-Preis.

Gemäss Statuten hilft sie «Menschen im Unglück und in Notlagen, unbesehen der Ursachen».

Neben der Katastrophenhilfe hat die Glückskette seit ihrer Gründung auch eine permanente Kinderhilfe (für Projekte in ärmeren Ländern) und eine Sozialhilfe in der Schweiz für Familien und Einzelpersonen, die vorübergehend in eine finanzielle Notlage geraten sind.

Zurzeit finanziert die Glückskette rund 300 Projekte in 46 Ländern im Gesamtbetrag von 245 Mio. Fr.

Etwa 70% der Spenden werden für längerfristige und nachhaltige Wiederaufbau-Projekte eingesetzt.

Je ca. 15% gehen jeweils in die Nothilfe sowie in Rehabilitations- und Übergangslösungen.

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