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Gondo beginnt wieder zu leben

Der Stockalperturm in Gondo wurde bei der Unwetterkatastrophe 2000 zur Häfte zerstört. www.swisscastles.ch

Die Wiedergeburt des Walliser Grenzortes, der vor zwei Jahren durch eine Unwetterkatastrophe zerstört wurde, nimmt Gestalt an. Die historische Erinnerung spielt dabei eine wichtige Rolle.

Eine Stiftung fördert den Wiederaufbau des Stockalperturms.

Im Oktober 2002 verursachten katastrophale Regenfälle an den Hängen des Simplons Erdrutsche. Ein grosser Teil des kleinen Dorfes Gondo wurde unter einer Lawine aus Stein und Schlamm begraben.

Bei der Katastrophe kamen 13 Menschen ums Leben. Fast alle der 165 Überlebenden verliessen ihr Dorf. Die Schule, die Läden, die Strasse wurden zerstört. Gondo war eine riesige offene Wunde. Der Berg hatte die Identität einer ganzen Landschaft mitgerissen.

Landesweite Solidarität

Die landesweite Solidarität liess nicht auf sich warten. Die Glückskette der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) sammelte innerhalb weniger Monate die Rekordsumme von 74 Millionen Franken.

Die Frage war nur: Wie sollen die Gelder eingesetzt werden? Hat das kleine Dorf an der schweizerisch-italienischen Grenze, das jeweils im Winter erst noch völlig isoliert ist, überhaupt noch eine Zukunft?

Alles verzögert sich, es gibt auch ein bisschen Polemik. Aber schliesslich fällt der positive Entscheid: Zwei Jahre nach der Katastrophe beginnt der Wiederaufbau Gondos. 16 Millionen Franken werden in die Stabilisierung des Berges gesteckt. Sieben Millionen aus der Glückskette werden zur Wiederherstellung der Einkommensquellen für die 100 bereits nach Gondo zurückgekehrten Dorfbewohner verwendet.

Neues Leben für ein historisches Gebäude

Am Samstag wurde offiziell eine Stiftung gegründet, die den Wiederaufbau des Dorf-Symbols, des Stockalperturms, fördert. Das Anfangskapital garantiert der Kanton Wallis. Präsident des Stiftungs-Komitees ist alt Bundesrat und UNO-Sonderbotschafter Adolf Ogi.

Der Turm, im 17. Jahrhundert von einer Familie des Walliser Adels erbaut, zeugt von einer Zeit vergangenen Reichtums; einer Zeit, die geprägt war von den Handelstransporten zwischen dem Norden und dem Süden Europas auf der Simplonstrasse.

Der stolze Stockalperturm ist die lebendige Erinnerung an die Jahrhunderte vor der Industrialisierung. Damals marschierten ganze Säumer-Kolonnen mit ihren mit kostbarer Ware beladenen Tieren im Schritttempo den Saumpfaden entlang.

Die Unwetterkatastrophe von 2000 hat den Turm in zwei Teile zerrissen: Der älteste Teil blieb erhalten, der Wohnteil wurde ins Tal hinunter gerissen. Die Fernsehstationen in ganz Europa zeigten die Bilder des zerstörten Stolzes von Gondo: Ein Symbol für die schlimmste Natur-Tragödie seit Jahrzehnten.

Der Untergang eines Dorfes?

Heute lebt Gondo als Grenzort weiter. Doch die Veränderungen in Europa gefährden die traditionellen Geschäfte mit dem Handel von Zigaretten und Benzin. Die Zukunft von kleinen Grenzläden und Grenzwächtern ist ungewiss.

Vor einem Jahrhundert nahm der Simplon-Eisenbahntunnel dem kleinen Dorf einen beträchtlichen Teil des Verkehrs weg. Und heute könnte die Öffnung der Grenzen innerhalb der Europäischen Union die verbleibenden Einkommens-Möglichkeiten Gondos definitiv zunichte machen.

Neue touristische Horizonte

Deshalb versucht man jetzt, dem Dorf mit dem Wiederaufbau des Turms eine neue Zukunft zu geben, indem neue Entwicklungs-Perspektiven geplant werden. Es ist ein ehrgeiziges Projekt, sozusagen der Schlüssel zur Wiedergeburt des Dorfes.

Nach der Renovation wird der Stockalperturm Seminarräume, einen Gemeindesaal sowie ein Museum über die ehemaligen Goldminen beherbergen. Zudem soll sich in dem Gebäude ein «Institut über den Menschen und die Zeit» niederlassen.

Für Gondo, das bisher immer vom Durchgangsverkehr gelebt hat, zeichnet sich also ein touristischer Horizont ab. Die Dorfbewohner haben mit ihrer Rückkehr den Willen zum Überleben manifestiert.

Der wieder aufgebaute Turms wird das Symbol ihrer Rückkehr sein. Die Rückkehr in eine Gegend, «die noch schöner als vorher ist», wie das Gondos Bürgermeister Roland Squaratti schon mehrmals gesagt hat.

swissinfo, Daniele Papacella

(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

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