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Hans Josephsohn: Ein Schweizer Bildhauer kommt zu spätem Ruhm

Ein Mann und mehrere Gipsskulpturen
Hans Josephson inmitten seiner Werke in seinem Zürcher Atelier, 2. Februar 2004. Keystone / Giorgio Hoch

Das Musée d'Art Moderne in Paris ehrt Hans Josephsohn mit einer Retrospektive, der ersten in Frankreich. Der 2012 im Alter von 92 Jahren in Zürich verstorbene Künstler musste bis Anfang der 2000er-Jahre warten, um endlich internationalen Erfolg zu haben.

Er hätte eine grosse Romanfigur sein können, so turbulent war sein Leben, voller glücklicher und bitterer Ereignisse, reich an Frauenlieben und künstlerischen Werken, die ihn zu einem der begabtesten Schweizer Bildhauer machten.

Hans Josephsohn ist jetzt im Musée d’Art Moderne in Paris zu sehen. Dort findet bis zum 16. Februar eine Retrospektive seines Werks statt, die erste in Frankreich.

Josephsohn, der in der Schweiz und in Deutschland seit Anfang der 2000er-Jahre regelmässig ausgestellt wird, wurde in Frankreich erst spät bekannt.

Sichtbarkeit erlangen

Die erste monografische Ausstellung ausserhalb der Schweiz und Deutschlands fand 2002 im Stedelijk Museum in Amsterdam statt.

«Es war an der Zeit, Josephsohn im Musée d’Art Moderne in Paris den ihm gebührenden Platz einzuräumen. Denn es ist unsere Aufgabe, uns Künstlerinnen und Künstlern zuzuwenden, die hierzulande nicht sehr sichtbar sind», sagt Jessica Castex, Kuratorin des Museums.

Mehrere Gipsskulpturen in einem Museum
Das Musée d’art Moderne in Paris widmet dem Schweizer Bildhauer Hans Josephson die erste Ausstellung auf französischem Boden. Pierre Antoine

Gemeinsam mit Cornelius Tittel, dem Chefredaktor der Kunstzeitschrift «Blau International», und dem deutschen Maler Albert Oehlen kuratiert sie die Retrospektive. Die in der Ausstellung gezeigten Skulpturen stammen grösstenteils aus dem Kesselhaus Josephsohn in St. Gallen.

Dieser emblematische Ort wurde 2003 gegründet und hat sich im Lauf der Zeit zu einer Institution entwickelt, in der die Werke und das Archiv des Schweizer Bildhauers aufbewahrt werden.

Im Alter von 18 Jahren kommt der angehende Künstler nach Zürich. Es ist das Jahr 1938, der Nationalsozialismus erschüttert Europa.

Josephsohn ist Jude. Er wurde 1920 in Königsberg (Ostpreussen) geboren und wuchs im nationalsozialistischen Deutschland auf, aus dem er fliehen musste.

«In Deutschland wird ihm die Aufnahme in eine Kunstschule verweigert. Seine Eltern ermutigen ihn, nach Italien zu gehen. Als Stipendiat ging er an die Accademia di Belle Arti in Florenz, musste das Land aber bald wegen der Rassengesetze des faschistischen Regimes verlassen», erzählt Kuratorin Castex.

Schwierige Anfänge

Ein Mann mit Zigarre im Mund
Hans Josephson posiert am 16. Juli 2004 in seinem Studio in Zürich. Keystone / Gaetan Bally

Als Josephsohn in der Schweiz ankam, hatte er weder Geld noch Bekannte, aber er gab nicht auf. «Er klopfte an die Tür des bekannten Schweizer Bildhauers Otto Müller», erzählt Castex.

Müller sichert ihm eine erste, sehr wertvolle Unterstützung zu. Er wird ihn ausbilden und ihn darin bestärken, dass er ein echter Bildhauer ist.

Später kamen weitere Schweizer Künstler verschiedener Disziplinen hinzu, darunter der Architekt Peter Märkli. «Er war der Initiator von La Congiunta, einem Ort der Freundschaft in Giornico (Kanton Tessin), der heute eine Reihe von Josephsohns Skulpturen beherbergt», erzählt die Kuratorin.

Freundschaft heilt alle Wunden: Der Filmemacher Jürg Hassler, der Josephsohn bewunderte, widmete ihm einen Dokumentarfilm, der 1977 unter dem Titel «Josephsohn, Stein des Anstosses» veröffentlicht wurde.

Der Film, der im letzten Raum der Ausstellung gezeigt wird, enthält Josephsohns vertrauliche Worte. Reden hilft! So erfährt man mehr über das Leben des Künstlers, seine Jugend, seinen Ärger und seine schwierigen Anfänge.

Aus einer bürgerlichen Familie stammend, musste der spätere Bildhauer miterleben, wie seine Eltern verarmten und sich Sorgen wegen des aufkommenden Nationalsozialismus machten. Sie verboten ihm sogar, mit seinen Freunden draussen zu spielen.

Langbeinige Frauen und wuchtige Formen

In Josephsohns (Gips-)Skulpturen (vor allem Silhouetten und Frauenfiguren) könnte man ein Aufleben seiner Traumata sehen.

Auf die langbeinigen, zierlichen Frauen der 1950er-Jahre folgen später korpulente Körper und Gesichter, in denen die Gesichtszüge (Mund, Augen, Nase…) verschwinden und einer undefinierten Masse Platz machen. Die komplette Entstellung des Gesichts.

Frauenskulptur aus Gips, liegend
Werk des Schweizer Bildhauers Hans Josephsohn, das im Musée d’art Moderne in Paris ausgestellt wird. Pierre Antoine

Castex schlägt eine andere Lesart von Josephsohns Kunst vor: In seinem Werk gebe es keine Erzählung, weder eine historische noch eine psychologische. Der Künstler habe nicht an Porträts gearbeitet, er habe eine Präsenz festhalten wollen.

Die Präsenz einer stehenden, zierlichen Frau im ersten Raum ist eine «Reminiszenz an die Silhouette» von Mirjam Abeles, der ersten Frau des Bildhauers. Wer die Skulptur zu Beginn der Ausstellung entdeckt, denkt sofort an Giacometti.

Dabei ist Josephsohn dem Tessiner nie begegnet. «Aber er wurde zwangsläufig von der Kultur seiner Zeit geprägt, auch wenn er nie einen geistigen Vater oder Lehrer hatte», sagt Castex.

Mehrere längliche Gipsskulturen
Hans Josephsohn liess sich stark von Alberto Giacometti inspirieren, ohne ihn jedoch jemals getroffen zu haben. Pierre Antoine

Die Avantgarde

Eine Frage beschäftigt die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung: Warum wurde Josephsohn nicht so weltberühmt wie Giacometti?

«Weil er im Gegensatz zu Giacometti nicht in Paris lebte und arbeitete, wo die Zugehörigkeit zu einer Avantgarde-Gruppe zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine internationale Karriere ermöglichte», sagt Castex.

«Josephsohn suchte nicht den Anschluss an die Avantgarde. Seine Inspirationsquelle war die antike Kunst, die ägyptische und assyrische. Es ging ihm auch nicht um Anerkennung. Seine ganze Energie widmete er der Arbeit im Atelier. Das war für ihn ein tägliches Ritual», so die Kuratorin.

«Sein Weg als Einzelgänger nötigt Bewunderung ab. Es dauerte bis Anfang der 2000er-Jahre, bis er international bekannt wurde. Diese Prominenz verdankt er dem Zürcher Galeristen Bob van Orsouw.»

Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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