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Harry Potter – zum Zweitletzten

Um Mitternacht klingelte der Pöstler - hier in St. Gallen - und brachte Harry Potter VI auf Deutsch. Keystone

Tausende haben sich am 1. Oktober um 00.00 Uhr in vielen Buchhandlungen auf den sechsten deutschen Harry-Potter-Band von Joanne K. Rowling gestürzt.

Wer nicht anstehen mochte, liess sich das jüngste Exemplar einer der erfolgreichsten Buchreihen der Geschichte um Mitternacht per Post nach Hause liefern.

Pünktlich zur Geisterstunde begann am 1. Oktober der Verkauf des sechsten und vorletzten Bandes der Buchreihe, die von den Abenteuern und vom allmählichen Erwachsenwerden des Zauberlehrlings Harry Potter handelt.

Wie immer feierten viele Buchhandlungen in der Schweiz die Neuerscheinung mit Countdown-Partys, an denen sich Potter-Fans, kostümiert mit Zauberhut und Potter-Brille, die Zeit bis 00:00 Uhr vertrieben. Und dann ging der heissbegehrte Titel «Harry Potter und der Halbblutprinz» zu Tausenden über die Ladentische.

Schweizer Post mischt mit

Die Schweizer Post stieg auch auf den Potter-Zug auf. Zum erstenmal in ihrer Geschichte veranstaltete sie für jene Potter-Fans, die nicht vor den Buchhandlungen warten mochten, eine Mitternachtszustellung: Rund 2000 Pöstlerinnen und Pöstler lieferten Harry Potter VI an ungefähr 7000 Haustüren ab. Manche Postboten wurden, so teilte die Post mit, von ganzen Familien erwartet.

Nur der Weltbild-Verlag nahm diesen 39,50 Franken extra kostenden Post-Service in Anspruch. Im ganzen nahm der Weltbild-Verlag rund 24’000 Bestellungen entgegen.

Das Schweizerische Buchzentrum in Hägendorf, die Hauptbezugsquelle für die Einzelhändler, lieferte rund 60’000 Exemplare aus. Weltbild und die Buchhandlungskette Orell-Füssli bezogen den Potter-Band aber auch noch aus anderen Quellen. So ist die genaue Anzahl der ausgelieferten Bücher nicht zu bestimmen.

Nicht eingerechnet sind die Zahlen des deutschen Online-Buchversenders Amazon. Dort lagen bereits rund 150’000 Bestellungen für den gesamten deutschen Sprachraum vor. Die Zahlen für die Schweiz wollte Amazon nicht nennen.

Man mag ihn einfach …

Harry Potter polarisiert. Entweder ist man ein Fan oder man lehnt ihn kategorisch ab. Der Besuch in einschlägigen Internet-Foren zeigt dies klar:

Der Zauberlehrling ist für eine Forumsteilnehmerin «eines der wenigen richtig spannenden aufregenden Kinderbücher dieser Welt».

Ein anderer meint: «Ich bin einfach begeistert, denn das Buch ist spannend bis zum letzten Wort. Wenn man ein Kapitel zu Ende gelesen hat, dann muss man einfach mit dem nächsten Kapitel beginnen, bis man am Ende angelangt ist.»

«Ich bin eigentlich keine Leseratte, aber dieses Buch hat mich in seinen Bann gezogen und deshalb habe ich mir jetzt noch alle anderen Titel bestellt. Einfach sensationell!» findet ein weiterer.

Die Gier nach Harry Potter geht so weit, dass viele nicht auf das Erscheinen der deutschen Ausgabe warten konnten. Sie kauften sich im Juli das englische Original, das inzwischen 30’000 Mal in die Schweiz geliefert wurde: «Auf Englisch sind die Bücher auch nicht schlecht, aber ich lese sie lieber auf Deutsch», steht in einem weiteren Forum.

… oder nicht

«Am Anfang waren sie besser, aber nun wird die Sache schwach,» schreibt eine Skeptikerin in einem deutschen Forum. «Die Figuren stimmen nicht, willkürlich erfundenes Gefühlschaos plus Gewalt nonstop, formale Qualität geht gegen null. Die Kinder, welche angeködert werden und dieses Zeugs in ihr Hirn, schlimmer: ihr Herz, lassen, sind arm dran.»

Und die Kritik geht noch weiter: «Nach meiner Meinung ist die Potter-Manie ein geschickter Schachzug des Teufels, der die Autorin der Potter-Bücher, J.K. Rowling, zu seinem Werkzeug gemacht hat, um Kinder zum Okkultismus zu verführen», schreibt jemand in einem christlichen Forum.

Der Papst – kein Potter Fan

So erstaunt nicht, dass auch Papst Benedikt XVI nicht den besten Draht zum Zauberlehrling zu haben scheint. Er befürchtet offenbar, dass Potter eine ganze Generation zum Hexenglauben verführt.

Noch als Kardinal Ratzinger und Präfekt der päpstlichen Glaubenskongregation schrieb er vor zwei Jahren einen Brief an die bayrische Potter-Kritikerin Gabriele Kuby. «Es ist gut, dass Sie in Sachen Harry Potter aufklären, denn dies sind subtile Verführungen, die unmerklich und gerade dadurch tief wirken und das Christentum in der Seele zersetzen, ehe es überhaupt recht wachsen konnte.»

So oder so. Den Verkaufszahlen der Harry-Potter-Bücher scheinen diese Vorwürfe nicht zu schaden, im Gegenteil …

swissinfo, Etienne Strebel

Bislang wurden weltweit über 285 Mio. «Harry Potter»-Bücher in mehr als 60 Sprachen (von Albanisch bis Zulu) verkauft.
Davon auf Deutsch über 20 Mio.
Die deutsche Startauflage für Band VI, «Harry Potter und der Halbblutprinz», beträgt 2 Mio. Exemplare.

Die Harry-Potter-Bände (I bis V):
Harry Potter und der Stein der Weisen
Harry Potter und die Kammer des Schreckens
Harry Potter und der Gefangene von Askaban
Harry Potter und der Feuerkelch
Harry Potter und der Orden des Phönix

Joanne K. Rowling (geboren 1965) ist heute reicher als die englische Königin Elisabeth II. Das war nicht immer so.

Den ersten Harry-Potter-Band schrieb sie als Sozialhilfe-Empfängerin in einem Café. Als geschiedene, alleinerziehende Mutter war sie damals finanziell nicht auf Rosen gebettet.

Mit ihrem Erstling, «Harry Potter, der Zauberlehrling» schrieb sie sich buchstäblich reich und berühmt. Sie heimste mehrere Literatur-Preise ein, darunter den «British Book Awards children’s book of the year» oder den «Nestle Smartie Prize».

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