Hermann Hesse: Zeitlose Faszination
Das Museum Hermann Hesse in Montagnola zieht jährlich Tausende von Besuchern an. Der Literatur-Nobelpreisträger übt nach wie vor eine grosse Faszination aus.
Das kleine Museum bietet eine Dauerausstellung mit wertvollen Erstausgaben und persönlichen Erinnerungsstücken.
Die Gäste des Museums Hermann Hesse kommen aus aller Welt. Und manche von ihnen sind wahrlich kurios. «Vor kurzem hatten wir eine Studentin aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku hier», erzählt Museumsdirektorin Regina Bucher. Die junge Frau promoviert über das Verhältnis von Hesse zu Dostojewski. Gleich zwei Tage verbrachte sie in Montagnola.
Es kommen auch Japaner, Amerikaner, Polen oder neuerdings Russen. «Und vor allem viele junge Leute, was mich besonders freut», sagt Bucher. Hesse, so glaubt sie, erfülle in der heutigen multimedialen Welt bei vielen jungen Menschen das Bedürfnis nach Besinnung und Orientierung. Deshalb werde er wahrscheinlich auch wieder mehr gelesen.
Natürlich stellen immer noch Deutsche und Deutschschweizer den Grossteil des Publikums, das sich auf die Spuren Hesses begibt und in das Dorf bei Lugano pilgert, in dem der Schriftsteller über 40 Jahre bis zu seinem Tod gelebt hatte. Im Jahr 2000 machte sogar der deutsche Bundespräsident Johannes Rau während seines offiziellen Staatsbesuchs in der Schweiz eine Stippvisite im Hesse Museum.
Ein recht junges Museum
Das Museum ist erst sieben Jahre alt. 1997 wurde es auf private Initiative im Komplex der Casa Camuzzi, dem ersten Wohnsitz Hesses in Montagnola, eröffnet. Inzwischen wird es von einer Stiftung getragen, die neben dem Museumsbetrieb auch zahlreiche Veranstaltungen organisiert, welche sich dem Werk und Leben des Nobelpreisträgers widmen. Trotz 15’000 Museums-Eintritten im Jahr 2003 ist die finanzielle Situation der Stiftung aber angespannt.
Das über mehrere Stockwerke verteilte Museum ist klein, aber gleichwohl reich an Objekten. In der Dauerausstellung finden sich seit diesem Jahr wertvolle Erstausgaben, unter anderem von «Siddartha» und dem «Glasperlenspiel».Zwei bedeutende Werke, die im Tessin entstanden sind.
Hesses Schreibmaschine ist ausgestellt, aber auch sein berühmter Strohhut, mit dem er auf seine Mal-Ausflüge ging und der zu seinem Markenzeichen wurde. Persönliche Gegenstände sowie zahlreiche Fotos, Bücher und Aquarelle geben einen Eindruck vom Leben des Literaten.
Auf den Spuren von Hesse
Neugestaltet und erweitert ist seit diesem Jahr auch der Hermann-Hesse-Wanderweg. Der einstündige Weg rund um Montagnola führt zu den Orten, mit denen der Schriftsteller in einer Beziehung stand.
Sein langjähriges Wohnhaus, die Casa Rossa, befindet sich heute in Privatbesitz, ist aber vom Weg aus zu sehen. Persönlich erkunden kann man dafür Grotti (einfache Gartenrestaurants), in denen Hesse einkehrte. Schliesslich gelangt man auch zum Grab des Schriftstellers am Friedhof S. Abbondio in Gentilino.
Hesse hatte sich 1919 in Montagnola niedergelassen. Auf dem Bergrücken der Collina d’Oro fand er Ruhe und Abgeschiedenheit, südliches Klima und überwältigende Natureindrücke. Dies waren die Bedingungen für seine schriftstellerische Kreativität.
Beziehung zu den Menschen
Die Einwohner Montagnolas sahen in Hesse einen sonderbaren Fremden. Und in gewisser Weise blieb er dies immer, auch wenn es zu einer Annäherung an die Einheimischen kam und er in seinem Todesjahr 1962 sogar die Ehrenbürgerschaft seiner Wahlgemeinde erhielt.
Das Verhältnis zwischen den Einwohnern Montagnolas und Hermann Hesse und dem Kanton Tessin war im letzten Jahr Thema der Sonderausstellung «Wie eine vorbestimmte Heimat». Greifbar ist nach wie vor eine CD mit Interviews von Zeitzeugen, die Hesse persönlich erlebt haben.
Sonderausstellungen in Montagnola
Auch im laufenden Jahr organisiert das Hesse Museum wieder Sonderausstellungen. Bereits angelaufen ist «Mail Art: Hommage an Hermann Hesse». Es handelt sich um Werke von 150 Künstlern aus aller Welt, die sich von Hesse inspirieren liessen (bis 16.Mai).
Danach eröffnet «Hugo Ball – Der magische Bischof» (29. Mai- 5. September). Aufgezeigt wird das Wirken, Arbeiten und Denken dieses vielseitigen Geistes in seinen letzten Lebensjahren von 1915 bis 1927. Ball gilt als einer der Begründer des Dadaismus in Zürich und wurde in den gemeinsamen Jahren mit Hesse im Tessin zu dessen engem Freund.
Die dritte Ausstellung «Im Dienste der gemeinsamen Sache – Hermann Hesse und der Suhrkamp Verlag» (18. September bis 1. Februar 2005) zeichnet die Geschichte des Verlages, die eng mit der Geschichte Hesses verknüpft ist, nach: Von den Anfängen im Fischer Verlag, in dem Peter Suhrkamp Hermann Hesse kennenlernte, über die leidensvolle Zeit im Nationalsozialismus, welche Suhrkamp nur knapp im Konzentrationslager überlebte, bis zur Gründung des Verlages und dessen glanzvolle Entwicklung unter Siegfried Unseld.
Gerhard Lob, swissinfo
Hermann Hesse (1877-1962)
Literaturnobelpreis: 1946
Ehrenbürgerschaft in Montagnola: 1963
Eröffnung Hesse Museum Montagnola: 1997
Jahreseintritte im Museum: zirka 15’000
Hesse Werke wurden in 62 Sprachen übersetzt.
Mit einer Gesamtauflage von über 100 Millionen Exemplaren ist er weltweit der meistgelesene deutschsprachige Autor.
Erst 1997, 35 Jahre nach seinem Tod, wurde in Montagnola, Hesses langjährigem Wohnort, ein kleines Museum zu Ehren des Literaturnobelpreis-Trägers eröffnet.
Die Dauerausstellung birgt wertvolle Exponate zu Leben und Wirken des Schriftstellers.
In Sonderausstellungen werden besondere Aspekte seines Schaffens und seiner Wirkung beleuchtet.
Der Hermann-Hesse-Wanderweg rund um Montagnola ist in diesem Jahr erneuert worden.
Das Museum und Montagnola ist jedes Jahr Anziehungspunkt für Tausende von Touristen und Hesse-Fans.
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