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Hesse – Suhrkamp: Erfolg dank Schweizer Hilfe

Rainer Weiss, Suhrkamp-Geschäftsführer, Regina Bucher, Direktorin Herrmann Hesse Museum, und Wolfgang Schopf, Leiter Archiv Suhrkamp Stiftung, (v.l.n.r.) an der Vernissage. swissinfo.ch

Eine Ausstellung im Hermann-Hesse-Museum in Montagnola im Tessin dokumentiert das Verhältnis des Frankfurter Suhrkamp Verlags zur Schweiz.

Ohne das finanzielle Engagement des Winterthurer Industriellen Georg Reinhart wäre der deutsche Verlag nicht gegründet worden.

Der Suhrkamp Verlag in Frankfurt hat das literarische und geistige Leben im Nachkriegs-Deutschland geprägt. Suhrkamp-Taschenbücher stehen heute praktisch in allen deutschsprachigen Haushalten. Doch wenig bekannt ist die Lebensgeschichte des Verlagsgründers Peter Suhrkamp und die Geschichte seiner Beziehungen zu Hermann Hesse.

Der ins Tessin emigrierte Literaturnobelpreisträger verdankt Suhrkamp seinen Weltruhm, und Suhrkamp verdankt umgekehrt dem Schriftsteller sein wirtschaftliches Aufblühen zu einem der führenden Verlage Deutschlands. «Hesse hat bei uns einen überragenden Stellenwert», sagt Rainer Weiss, der neue Geschäftsführer des Suhrkamp Verlags, gegenüber swissinfo.

Die soeben im Hermann Hesse Museum in Montagnola, Kanton Tessin, eröffnete Ausstellung «Im Dienste der gemeinsamen Sache» wirft ein ausgezeichnetes Schlaglicht auf die Beziehungen zwischen Hermann Hesse und dem Suhrkamp Verlag. Mit etlichen Originaldokumenten, insbesondere Briefen, wird die Geschichte dieses fruchtbaren Verhältnisses chronologisch nachgezeichnet.

Beginn im S.Fischer Verlag

Hesses erstes Buch «Peter Camenzind» war 1903 im S.Fischer Verlag in Berlin verlegt worden. Es ist derselbe Verlag, in dem Peter Suhrkamp (1891-1959) als Redaktor der Hauszeitschrift «Die Neue Rundschau» 1933, im Jahr der Machtergreifung der Nazis, seine Arbeit aufnahm. Schon kurz danach stieg er in die Verlagsleitung auf.

Die Nationalsozialisten versuchten, den Verlag auf Linie zu bringen. Doch Suhrkamp leistete Widerstand – so hielt er an Autor Hermann Hesse fest -, während die jüdische Gründerfamilie des Fischer-Verlags ins Exil ging. Die Nazis stellten Suhrkamp jedoch eine Falle und verurteilten ihn am 13. April 1944 wegen Hoch- und Landesverrats.

Suhrkamp musste ins Konzentrationslager Sachsenhausen, in dem er schwer erkrankte. Wohl aus diesem Grund wird er im Februar 1945 entlassen. Das Original des Entlassungsscheins aus dem KZ ist in der Ausstellung in Montagnola zu sehen.

Neuer Verlag nach dem Krieg

Es war Hermann Hesse, der Suhrkamp nach diesen traumatischen Erfahrungen half, den ausgebombten Verlag weiterzuführen. Die britische Militärregierung in Berlin hatte zudem sein antifaschistisches Engagement belohnt, indem sie Suhrkamp am 8. Mai 1945 als erstem deutschen Verleger eine Verlagslizenz erteilte.

Doch die Ansprüche des aus dem Exil zurückgekehrten Gottfried Bermann Fischer brachten Suhrkamp erneut in Schwierigkeiten. Hesse schlug Peter Suhrkamp daher 1950 vor, einen neuen, eigenen Verlag zu gründen. Doch woher das nötige Geld nehmen?

Hesse wusste Rat. Er bat seinen Freund Georg Reinhart in Winterthur, den Besitzer der grossen Handelsfirma Volkart und ein Kunstmäzen, um Finanzhilfe. Nur wenige Tage später sass Suhrkamp in Winterthur. Das Ergebnis: Dank einer Beteiligung von 50’000 DM durch die Volkart GmbH Bremen konnte der Suhrkamp Verlag am 1. Juli 1950 gegründet werden.

Hesse würdigte das Engagement Reinharts und blieb der Familie in tiefer Freundschaft verbunden, wie eine Reihe von ausgestellten Briefen sowie geschenkten Zeichnungen zeigt. Allerdings ist das Verhältnis der Familie Reinhart zum Suhrkamp-Verlag nicht immer harmonisch gewesen. Der Linkstrend des Frankfurter Verlagshauses war dem Winterthurer Unternehmer häufig nicht genehm.

Taschenbücher? Nein Danke!

Peter Suhrkamp führte den Verlag bis zu seinem Tod im Jahr 1959. Mit dem jungen Siegfried Unseld arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits sein eigener Nachfolger im Haus. 400 Mark verdiente er anfänglich im Monat, wie eine originale Aktennotiz in der Ausstellung zeigt. Es war Unseld, der dann neue Erfolgreihen wie die «Edition Suhrkamp» kreierte und dank Taschenbuchausgaben die Auflagen in die Höhe schnellen liess.

Hesse hingegen waren Taschenbücher zuwider. Sein Brief vom 4. April 1962, in dem er sich strikt gegen den Vorschlag Unselds wehrt, das Glasperlenspiel als Taschenbuch herauszugeben, gehört wohl zu den eindrücklichsten Textdokumenten der Ausstellung.

Hesse spricht von «einem Ausverkauf, einem Verschleudern, einem Verhökern». Laut Regina Bucher, der Direktorin des Hesse-Museums in Montagonala, spiegelt sich darin Hesses ästhetisches Bekenntnis, wonach ein Buch nicht nur Inhalt, sondern auch Verpackung sein musste.

Dreigestirn bei Suhrkamp

Tatsache ist jedoch, dass Hesses weltweiter Erfolg ohne Taschenbuch nicht denkbar wäre. Mit einer Gesamtauflage von 100 Millionen Exemplaren gehört Hesse zu den meist verkauften Autoren. Als deutschsprachiger Autor ist er weltweit die absolute Nummer Eins. Zudem ist er in 60 Sprachen übersetzt.

Entsprechend lukrativ ist Hesse nach wie vor für den Suhrkamp Verlag. «Hesse, Frisch und Brecht: Das ist unser Dreigestirn», bringt es Rainer Weiss, Geschäftsführer des Suhrkamp Verlags, auf den Punkt. «Unter den 20 meist verkauften Titeln unseres Verlags sind nach wie vor vier von Hesse», sagt er. Das macht 500’000 verkaufte, deutschsprachige Hesse-Bücher pro Jahr.

Die Vernetzung von Hermann Hesse, Suhrkamp Verlag und Volkart besteht bis heute fort, war es doch die Volkart Stiftung, die der Fondazione Hermann Hesse in Montagnola im Jahre 2001 eine grosse Summe zukommen liess und damit das Überleben des Museums sicherte. Die Volkart Holding in Winterthur besitzt zudem bis heute Anteile am Suhrkamp Verlag.

swissinfo, Gerhard Lob in Montagnola

«Im Dienste der gemeinsamen Sache – Hermann Hesse und der Suhrkamp Verlag»: 26. März bis 4. September.

Ausstellungsort: Museum Hermann Hesse in Montagnola, Tessin.

Öffnungszeiten: Di-So, 10-12.30/14-18.30, Mo geschlossen.

Begleitender Katalog in deutscher Sprache: 100 Seiten, illustriert, 16 Fr.

Der am 2. Juli 1877 im süddeutschen Calw geborene Herrmann Hesse ist der meistgelesene und meistverkaufte deutschsprachige Autor.

1919 zieht er nach Montagnola im Tessin, wo er die letzten 43 Jahre seines Lebens verbringt. Dort schreibt er u. a. die Klassiker «Siddharta», «Narziss und Goldmund», «Steppenwolf» und das «Glasperlenspiel».

1924 wird er Schweizer Bürger. Während des Zweiten Weltkriegs verhilft er vielen Juden zur Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland. 1946 erhält Hesse den Nobelpreis für Literatur.

1950 verhilft er Peter Suhrkamp dank seiner Freundschaft mit dem Winterthurer Mäzen Georg Reinhart zur Gründung eines eigenen Verlags in Frankfurt. Die weltweite Verbreitung seiner Bücher ist eng mit der Geschichte des deutschen Suhrkamp Verlags verbunden.

1962 stirbt Hermann Hesse.

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