«Ich war immer überall ein Fremder»
Er ist zwar Schweizer, hat die meiste Zeit seines Lebens aber in anderen Ländern verbracht. Seit fünf Jahren lebt Philippe Althaus auf dem Peloponnes. Des Umherziehens müde will er dort bleiben.
Die Sprache, Gestik, Mimik und Umfangsformen hat er sich schnell angeeignet. Filippa, wie ihn die Einheimischen nennen, ist schon fast zum Griechen geworden.
Er ist es gewohnt, sich in neue Gesellschaften einzuordnen. Als er drei Jahre alt war, zog seine Familie von der Schweiz nach Südafrika, wo er bis 12-jährig blieb. Dann ging es weiter nach England. Mit 16 kam Philippe Althaus nach Italien, arbeite auf dem Bau und später auf Olivenfarmen.
Als 32-Jähriger wohnte er während sieben Jahren in der Schweiz, fühlte sich aber hier nie so richtig wohl. «Die Schweiz ist mir nicht fremd, sie ist aber für mich nicht wirklich eine Heimat. Ich habe zwar Wurzeln in der Schweiz, fühle mich jedoch eher im Süden zu Hause, wo ich auch den grössten Teil meines Lebens verbracht habe.»
Kinigou liegt im Südwesten der griechischen Halbinsel Peloponnes in der Region Messinia. Das Dorf im hügeligen Hinterland, fünf Kilometer vom Meer entfernt, zählt weniger als 200 Einwohner. Es gibt drei Kirchen, drei Cafés, aber keine Schule mehr. Das Dorf ist überaltert, Kinder sieht man nur wenige.
Philippe Althaus, 44 Jahre alt, kam vor fünf Jahren in dieses Dorf – mit 120 Franken im Sack. Das war alles, was er hatte. Das Dorf kannte er bereits, denn sein Vater hatte hier Ende der 1980er-Jahre ein Haus gekauft, war aber kurz darauf gestorben.
Bescheidenes Leben
Seinen Unterhalt verdient er sich mit Garten-, Bau- und Renovationsarbeiten. Zudem hat er Hühner, einen Gemüsegarten, Zitrusfrüchte und pflegt 280 Olivenbäume. Als Entgelt erhält er die Hälfte des Öls.
Die Leute könnten nicht so richtig verstehen, was er hier als Schweizer in diesem kleinen «Kaff» mache, sagt Althaus. «Ich bin zufrieden mit kleinen Dingen im Leben. Mir ist zum Beispiel wichtig, dass ich meine eigenen Tomaten aus dem Garten habe und die Eier meiner Hühner essen kann.»
Der Kontakt mit den Leuten sei sehr direkt und spontan, auch etwas grob. Glück und Trauer seien sichtbarer. «Hier bin ich einer vom Dorf, auch wenn ich das ganze Leben lang ein Fremder bleiben werde. Daran gewöhnt man sich. Ein Fremder kann nicht Grieche werden.»
Die Hierarchie respektieren
In Althaus› Familie hat man früher vor allem Schweizerdeutsch gesprochen, aber nicht nur. Seine Grossmutter war Au-pair in England, seine Mutter kam in Spanien zur Welt, ein Bruder lebt in Südafrika, zwei Geschwister wohnen in England, seine Schwester, die Mutter sowie die 104-jährige Grossmutter in der Schweiz.
Filippa spricht Englisch, Italienisch, Schweizerdeutsch, Hochdeutsch und jetzt auch noch Griechisch. Die Sprache hat er rasch gelernt. Auch die intensive Mimik und Gestik, welche die Griechen einsetzen, hat er angenommen.
«Wenn man die Sprache spricht, fühlt man sich zu Hause.»
Seine Vielsprachigkeit zeigt sich auch im griechischen Alltag.
So steht auf dem Einkaufszettel z.B.: Broom (Besen), Flycatcher (Fliegenfänger), Psomi und Kremidia (griech. für Brot und Zwiebeln) sowie Semi di Fava (ital. für Favabohnen-Samen).
Wichtig sei auch, die Hierarchie im Dorf zu respektieren. «Wer zuletzt kommt, muss auf der untersten Stufe anfangen, das ist in jedem Dorf so. Will man sofort auf eine höhere Stufe steigen, macht man sich unbeliebt.»
Er sei jetzt etwa in der unteren Mitte angelangt, Tendenz steigend. «Immer mehr dabei zu sein, ist ein gutes Gefühl.»
Das grüne Gold
Dabei ist er auch, wenn im November und Dezember die Oliven geerntet und zur Ölverarbeitung in die Mühle gebracht werden. Eine intensive und harte Zeit auf dem Peloponnes.
Man hilft sich gegenseitig aus, arbeitet zusammen. Zudem sind viele Albaner, Rumänen und Bulgaren auf den Feldern anzutreffen, die für einen Tageslohn von 35 Euro arbeiten.
«Die Gegend hier ist stolz auf ihr Öl, das eine sehr gute Qualität aufweist. Finanziell ist diese Arbeit für mich nicht lukrativ.» Er sei jedoch nicht hergekommen, um das grosse Geld zu verdienen. Dafür sei es nicht der richtige Ort.
Die Bäume rund um Kinigou sind von den verheerenden Bränden vom letzten August verschont geblieben.
Zacharo und Olympia, wo viele Menschen starben, Tausende Tiere verbrannten und ganze Dörfer zerstört wurden, liegen ein paar Dutzend Kilometer entfernt.
«Ein paar Tage lang war hier ein unglaublicher Rauch, überall war Asche, auch im Haus. Tag und Nacht wurden ums Dorf Wachtposten aufgestellt. Die Solidarität unter den Leuten war enorm. Diese Feuer sind für Mensch und Natur eine grosse Tragödie.»
Er hoffe, das Geld der EU werde für einen guten Zweck verwendet und verschwinde nicht wie auch schon auf geheimnisvolle Weise, sagt der Auslandschweizer.
Zwischen Orient und Okzident
An Weihnachten reist Filippa für ein paar Tage in die Schweiz, um Familie und Freunde zu besuchen. «Ich fahre gerne in die Schweiz, sie ist mir nicht fremd, aber dort leben will ich nicht.»
Klimatisch und kulturell sei der Peloponnes praktisch das Gegenteil der Schweiz. «Wir sind hier fast im Orient, auch wenn das die Griechen nicht gerne hören.»
Wenn er weg sei, habe er nach ein paar Tagen Heimweh nach Kinigou: «Mir fehlen dann die Leute, diese unkomplizierte Atmosphäre, die Sonne, meine Hühner.»
swissinfo, Gaby Ochsenbein, Kinigou
2006 lebten 3191 Schweizerinnen und Schweizer in Griechenland.
Das Dorf Kinogou liegt in der Präfektur Messinia im Südwesten der griechischen Halbinsel Peloponnes.
Kinigou zählt rund 180 Einwohner, davon etwa 15 Kinder und 15 Ausländer, vor allem Albaner, Rumänen und Bulgaren.
Das Dorf hat drei Kirchen, drei Cafés, aber seit längerem keine Schule mehr.
Erst seit Mitte der 1960er-Jahre gibt es in den Häusern Strom und Wasser.
1972 folgte der erste Schwarz-Weiss-Fernseher.
Geb. 16. April 1963 in der Schweiz
1966-1975 wohnt die 7-köpfige Familie in Südafrika, in der Nähe von Pretoria
1975-1979 in England
1979-1995 lebt und arbeitet Althaus in Italien
1995-2002 in der Schweiz
Seit August 2002 ist er in Griechenland zu Hause.
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