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Karikaturisten skizzieren Thema Todesstrafe

Die Polit-Karikaturisten Patrick Chappatte (links) und Jeff Danziger sind sich einig: Seit den Mohammed-Karikaturen ist ihr Job schwieriger geworden. swissinfo.ch

Die Cartoonisten Patrick Chappatte und Jeff Danziger äussern sich zur Todesstrafe und zu den Mohammed-Karikaturen. Die Kontroverse um Letztere habe sich für die Branche der Polit-Karikaturisten als '9/11' erwiesen.

Der Schweizer Chappatte und der Amerikaner Danziger haben in Genf ihre Cartoon-Ausstellung zur Todesstrafe vorgestellt, innerhalb des 4. Weltkongresses gegen die Todesstrafe.

Zu diesem Anlass, der am Freitag zu Ende ging, versammelten sich rund tausend Regierungsvertreter und Aktivisten an der Rhone, um nationale und internationale Strategien für die universelle Abschaffung der Todesstrafe zu diskutieren.

Die Aktivisten hoffen, dem Trend der letzten Jahrzehnte weiteren Schwung zu geben. Im Durchschnitt hatten nämlich jedes Jahr 4 Länder – vorwiegend aus Afrika und Asien – die Todesstrafe abgeschafft.

Mitte Woche rief der spanische Premier Jose Luis Zapatero zu einem ab 2015 gültigen globalen Moratorium für Hinrichtungen auf. Spanien, das zur Zeit die EU-Präsidentschaft hält, plant eine «internationale Kommission gegen die Todesstrafe».

swissinfo.ch: Wie können Karikaturen die öffentliche Meinung zum Thema Todesstrafe beeinflussen?

Patrick Chappatte: Ich glaube nicht, dass eine Karikatur je jemanden von seiner Meinung abgebracht hat. Man wird aber eher gezwungen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Cartoons sind ein starkes Kommunikationsinstrument. Sie können mit wenigen Zeichenstrichen viel sagen.

swissinfo.ch: Ist Ihre Ausstellung einfach eine Werbekampagne im Dienst der Gegner der Todesstrafe?

P.C.: Sie dient dem guten Zwecke, nicht einer Kampagne. Hier in Europa ist ja die Hinrichtung kein Thema, so dass sich die Leute wohl wundern, was das Ganze soll.

Ein Blick auf die Ausstellung zeigt, dass nicht alle Karikaturen auf derselben Idee beruhen. Zu sehen sind zum Beispiel No-rio aus Japan, der eigentlich für die Todesstrafe ist. Ein Cartoon macht sich über Europa lustig, das geschockt ist über die Hinrichtung Saddam Husseins, während rund um ihn nur Tod und Schrecken herrschen.

Ein weiteres Cartoon stammt von einem Chinesen, der zwischen verschiedenen Meinungen hin und her gerissen wird: Der allgemeinen Ansicht pro Todesstrafe und der Ansicht der Regierung, freie Meinungsbildung nicht zuzulassen.

Das zeigt, dass sogar innerhalb einer repressiven Umgebung die Möglichkeit besteht, sich einfach und mit guten Bildern auszudrücken.

swissinfo.ch: Die Mohammed-Karikaturen-Kontroverse in Dänemark wurde von Ihnen als «9-11» für die Polit-Karikatur bezeichnet. Wie hat die Kontroverse auf Sie gewirkt?

P.C.: Ich bin versucht zu sagen: keine. Weder für mich im Arbeits-Alltag noch in meinen Beziehungen zu den Verlegern. Doch gerade haben wir herausgefunden, dass wir mit der Uni Genf, die unsere Ausstellung beherbergt, Probleme hatten, die an Zensurmassnahmen erinnert.

Das ist ja wirklich der letzte Ort auf dieser Welt, wo ich solche Probleme vermutet hätte.

Die Uni entschuldigte sich dann. Man erklärte uns, eine Person in einem der universitären Büros hätte die seltsame Idee gehabt, Burka- und Steinigungs-Karikaturen zu zensurieren. Schwer zu glauben.

Es wäre ja lächerlich, eine Ausstellung über die Abschaffung der Todesstrafe zu machen – aber nur, wenn das Thema gewisse Leute nicht schockiert.

Die wirklichen Folgen und Risiken des Mohammed-Karikaturen-Streits liegen in der Selbstzensur. Den Zeitungen geht es ebenfallls nicht gut, so dass den Redaktoren die Lust an der Provokation abhanden gekommen ist.

Jeff Danziger.: Die Branche spürt eine gewisse Verhärtung, aber es geht auch besser, da im Internet ja alles möglich ist. Meine Cartoon sind meist in der New York Times und in der Huffington Post zu sehen.

Die Presse verliert an Auflage und die Budgets werden gekürzt weil sie versucht, niemanden mehr zu ärgern. Es ist eben schwierig, Geld zu verdienen, das gilt nicht nur für Karikaturisten.

swissinfo.ch: Geben Sie sich selbst Grenzen vor oder ist die Meinungsfreiheit für Sie ein absoluter Wert?

P.C.: Mit einem Blatt Papier und einem Schreibstift lässt sich tun, was einem beliebt. Mit spontanen Einfällen lässt sich so Mancher schnell schockieren. Nur ist das nicht das Ziel der politischen Karikatur.

Es geht darum, die Leserschaft zu erhalten und das Ziel nicht gleich mit Provokation zu erreichen. Böse Cartoons sind nicht immer auch gute Cartoons.

J.D.: Die einzige Limite, die ich mir selbst setze, ist die Frage, ob ich persönlich mit dem einverstanden bin, was ich zeichne oder schreibe.

swissinfo.ch: Die Kongressteilnehmer sind optimistisch und sehen ein rasches Ende der Todessstrafe. Und Sie?

J.D.: In den USA wirbelt die Story des DNA-Unschuldigkeitstests für Personen, denen die Todesstrafe sicher ist, viel Staub auf. Doch die Todesstrafe an sich ist in Amerika zur Zeit kein brennendes Thema, mitten in der Rezession.

P.C.: Auch ich glaube, dass zur Zeit Fragen des Rechts und der Todesstrafe nicht zu den verbreitetsten Themen gehören. Es herrscht Krise und die Leute haben andere Sorgen und Ängste als die Todesstrafe.

Simon Bradley in Genf, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

1942 wurde sie in der Schweiz abgeschafft.

1940 wurde ein Schweizer in Sarnen, Obwalden, guillotiniert, weil er einen Polizisten umgebracht hatte. Er war der letzte Schweizer, dem dieses Schicksal beschieden war.

Zwei Drittel der UNO-Mitgliedsländer haben die Todesstrafe bereits abgeschafft oder sind daran.

25 Ländern wandten sie 2009 noch an, zu 95% in China, Iran, USA, Saudi Arabien und Pakistan.

Laut Amnesty International sind 2008 in 25 Ländern mindestens 2390 Personen hingerichtet worden.

Der wahre Wert dürfte viel höher liegen.

Chappatte publiziert seine Cartoons im französischsprachigen Le Temps, der deutsch-schweizerischen Neuen Zürcher Zeitung, der US-Zeitung New York Times and the International Herald Tribune.

(Dessin pour la Paix) Am 16. Oktober 2006 haben der damalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan und Plantu, Karikaturist beim französischen Le Monde, eine Konferenz zum Thema ‹Unlearning Intolerance» organisiert.

Dort wurde auch das ‹Cartooning for Peace› eingeführt: Karikaturen sollten dazu beitragen, verschiedene Religionen und Kulturen einander näherzubringen.

Cartooning for Peace organisiert auch Ausstellungen und Meetings zwischen Zeichnern. Das Publikum soll zu Diskussionen über die Meinungs- und Redefreiheit animiert werden.

Die Organisation ist in Frankreich als Vereinigung gegründet. Die Schweizer Stiftung ist vor 4 Wochen gegründet worden.

Auch in Atlanta in der USA existiert ein Ableger von Cartooning for Peace.

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