Keine Einigung im Schweizer Sprachenstreit
Der Zank um Englisch oder eine Landessprache als erste Fremdsprache bleibt weiter ungelöst. Ein Erlass zur Koordination des Sprachenunterrichts ist in der Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK) gescheitert, wie am Montag (11.06.) bekannt wurde. Die welschen Kantone verweigerten einer regionalen Lösung die Zustimmung.
Mit einem Stimmenverhältnis von 15 zu eins bei acht Enthaltungen haben die Erziehungsdirektoren dem vom Vorstand ausgearbeiteten Papier zur Koordination des Sprachenunterrichts zwar mit klarem Mehr zugestimmt. Der 19 Empfehlungen umfassende Text scheiterte aber an der für einen formellen Erlass nötigen Zweidrittelmehrheit.
Verantwortlich für dieses Ergebnis waren der Zwist um die Einstiegsfremdsprache, wie EDK-Präsident Hans Ulrich Stöckling und Vizepräsidentin Martine Brunschwig Graf vor den Medien in Bern ausführten. Die umstrittene Empfehlung sah vor, dass die Reihenfolge der Einführung der ersten Fremdsprache den einzelnen Sprachregionen überlassen bleibt.
Dieser regionalen Lösung verweigerten die Regierungsräte der Kantone Waadt, Bern, Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Jura, Solothurn, Tessin und Wallis die Zustimmung. «Entweder aus Solidarität mit den zweisprachigen Kantonen und ihrer besonderen Situation oder weil sie eine zweite Landessprache als erste Fremdsprache favorisiert hatten», zählte Stöckling die Gründe auf. Das Scheitern sei eine Enttäuschung für all jene, die auf eine gesamtschweizerische Koordination des Sprachenunterrichts hingearbeitet hätten, drückte der St. Galler Regierungsrat sein Bedauern aus.
Das Scheitern sei besser als die Kaschierung der Probleme in einer regionalen Lösung, brachte dagegen Martine Brunschwig die Sicht der opponierenden Kantone auf den Punkt. Der Entscheid sei nur der Ausdruck der real bestehenden Diskrepanzen, sagte die Genferin.
Faktisch gilt nun regionale Lösung
Ein EDK-Entscheid zur Fremdsprachenregelung ist damit vom Tisch, wie Generalsekretär Hans Ambühl sagte. Ob Englisch oder Französisch die erste Fremdsprache ist, bleibt den Kantonen und den Regionalkonferenzen der EDK überlassen. Die meisten Deutschschweizer Kantonen würde nun wohl Englisch als erste Fremdsprache einführen, sagte Stöckling.
Das Hauptziel der Sprachenreform, die Verbesserung und Stärkung des Fremdsprachenunterrichts, sei nach wie vor unbestritten, betonte er. Bei der Festlegung von Zielen am Ende der obligatorischen Schulzeit, der landesweiten Evaluation und der Förderung des Austausches von Schülern und Lehrern über die Sprachgrenzen hinweg bleibe die gesamtschweizerische Koordination gefordert. Als weiteres Ziel nannte Stöckling den Aufbau eines schweizerischen Kompetenzzentrums für die Mehrsprachigkeit.
Sprachenstreit geht im Parlament weiter
Trotz Marschhalt ist die nächste Etappe des Sprachenstreites bereits festgelegt. Der Nationalrat hat in der Frühlingssession einer Initiative von Didier Berberat (SP/NE) zugestimmt, die eine der Landessprachen als erste Fremdsprache in der Verfassung verankern will. Stöckling hofft, dass das Parlament noch einen Rückzieher macht. «Eine emotionalisierte Abstimmungs-Kampagne würde mehr neue Probleme als Lösungen schaffen», sagte er.
Lehrer bedauern Nichtentscheid der EDK
Der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) hat den neuerlichen Nullentscheid der Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) über die Fremdsprachen mit Bedauern und Enttäuschung zur Kenntnis genommen. Zwar müsse anerkannt werden, dass sich die EDK in den letzten Monaten redlich um die Rettung der verfahrenen Situation bemüht habe, heisst es in einer Mitteilung der LCH vom Dienstag (12.06.). Der «Sündenfall» sei jedoch schon vorher geschehen, als sich mehrere Kantone im eitlen Modernitätswettbewerb um das Frühenglisch zu rasch zu weit aus dem Fenster gelehnt hätten. Die Lehrerinnen und Lehrer fordern nach wie vor eine mindestens sprachregional koordinierte Lösung.
swissinfo und Agenturen
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