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«Klimadebatte» im Basler Kunstfreilager

Strandgut aus Alaska an der Ausstellung "2 Grad" in einem Sturm im Nordpazifik verlor ein Frachter einen Container mit 29'000 Gummitieren. Barbara Jung/Ausstellung «2 Grad»

Überschwemmungen in Asien, Hitzewelle und Waldbrände in Russland, Abbrüche von Eisbergen in Grönland: Extreme Wetterlagen sorgen für Schlagzeilen. Eine Ausstellung in Basel befasst sich mit der Dreiecksbeziehung Wetter, Mensch und Klima.

Wie aktuell Fragen rund um Wetter, Klima und Klimawandel sind und wie eng sie mit dem Leben der Menschen verbunden sind, belegen die Wetterextreme dieses Sommers auf verschiedenen Kontinenten.

Extreme Wetterlagen gab es schon immer, wegen der Erderwärmung der letzten 100 Jahre sind aber Häufigkeit und Ausmass gestiegen.

Geschichte, Mythen, Wissenschaft

Die Ausstellung «2 Grad – Das Wetter, der Mensch und sein Klima» im Kunstfreilager auf dem Dreispitzareal in Basel zeigt auf, wie das Wetter und das Klima funktionieren, wie sie das Leben der Menschen beeinflussen, und wie die Menschen rund um den Globus das Klima beeinflussen oder zu beeinflussen versuchen.

Besucher und Besucherinnen erhalten Einblick zu Fragen der historischen und aktuellen Klimaforschung, zum Wetter und den damit verbundenen Mythen, die den Menschen schon immer umtrieben. So sind neben wissenschaftlichen Exponaten zum Beispiel auch Wettergottheiten aus unterschiedlichsten Kulturen zu sehen.

Die Ausstellung soll aber nicht nur Hintergründe zu den Themen Wetter und Klima aufzeigen. «Das Kunstfreilager soll ein Ort werden, an dem über den Klimawandel und seine Konsequenzen diskutiert wird», sagt Albert Kesseli, Präsident des Trägervereins «2 Grad».

Im Zentrum stehen nicht Weltuntergangs-Szenarien. Die Schau soll zum Nachdenken anregen, soll das Verständnis für die komplexe Materie fördern. Der Nationale Forschungsschwerpunkt Klima (NFS Klima) hat das Projekt wissenschaftlich begleitet.

Auf die Sonne setzen

«Was wir heute in Pakistan oder Russland sehen, sind im Prinzip Ereignisse, die es immer schon gegeben hat. Aber weil die Luft wärmer wird und mehr Feuchtigkeit aufnimmt, haben solch extreme Wetterlagen dramatischere Ausmasse angenommen. Wenn wir nicht Gegensteuer geben, werden sie noch extremer, und sie werden sich häufen.»

Ideen wie das CO2 im Boden «zu verlochen» sieht er als Alibi-Übungen. Er befürchte auch, dass «solche Massnahmen die Illusion nähren, dass wir so weitermachen können wie bisher».

Den richtigen und gangbaren Weg, gegen den Klimawandel und dessen negative Auswirkungen vorzugehen, sieht Körner in der umfassenden Nutzung der Sonnenenergie.

«Man muss sich einfach vorstellen, welche unglaubliche Energie von der Sonne auf die Erde strahlt. Diese Energie gilt es zu nutzen. Ich denke, die Solartechnik ist unsere Zukunft. Wir müssen das Problem mit Hilfe der Sonne lösen.»

Leider werde der volkswirtschaftliche Wert einer Entwicklung weg vom Erdöl hin zur Sonne immer noch zu wenig erkannt, bedauert Körner.

Kapriolen der Natur?

Sind die extremen Wetterlagen der letzten Wochen eine Laune der Natur oder Zeichen des Klimawandels? Wenn die globale Erwärmung weiter ansteigt, muss in Zukunft noch mehr mit extremen Ereignissen gerechnet werden, so der breite Konsens unter Klima-Experten.

«Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben», sagt der Botanik-Professor und Klimaforscher Christian Körner von der Universität Basel im Vorfeld der Aussstellung gegenüber swissinfo.ch.

«Es gibt Dinge, die als gesichert gelten, die kein Mensch anzweifelt: Dass CO2 ein Treibhausgas ist, dass die Erde in den letzten 100 Jahren um durchschnittlich 0,7 Grad, die Schweiz um 1,5 Grad wärmer geworden sind, dass die Gletscher rapide abschmelzen und das Polareis rapide schrumpft. Der Klimawandel findet statt.»

Die Unsicherheit liege in der Zukunft. «Wie dramatisch die Auswirkungen sein werden, wie sich der Wandel des Klimas genau auswirken wird, können wir nicht sagen, denn wir haben es hier mit Prognosen zu tun – mit Wahrscheinlichkeiten also.»

Vier Segmente

Die Ausstellung besteht aus 365 Exponaten und ist thematisch in vier Teile gegliedert: «Macht der Atmosphäre» zeigt, wie die Menschen der Natur ausgeliefert waren und es bis heute sind. Zu sehen sind etwa die Macht eines Blitzes oder die zerstörerische Kraft des Wassers bei Überschwemmungen.

Im Segment «Beobachten und Berechnen» steht die historische und aktuelle Wetter- und Klimaforschung im Zentrum. Zu den Exponaten gehört die «Basler Klimaserie», eine der ältesten ununterbrochenen Messreihen der Welt (seit 1755). Und ein Druck von 1613 zeigt die Sonnenzeichnungen von Galileo Galilei.

Das Segment «Abwehr und Anpassung» präsentiert Exponate zur Klimageschichte des Menschen und gibt Einblicke in die Versuche der Menschen, sich dem Wetter und dem Klima anzupassen oder es zu beeinflussen.

In einem Film schildern Menschen, die vom Blitz getroffen wurden, ihre Erlebnisse. «Klimazeugen» aus dem Ausland und der Schweiz schildern, wie sie den Klimawandel am eigenen Leib erfahren.

Der letzte Teil trägt den Titel «Wetter machen», ein alter Traum des Menschen. Zu sehen sind unterschiedlichste Objekte, seien es Götter oder vom Menschen geschaffene Geräte, mit denen versucht wurde oder versucht wird, das Wetter zu beeinflussen.

So dachten die USA und die Sowjetunion im vergangenen Jahrhundert auch daran, von Menschenhand geschaffene Stürme oder Dürren als Waffe in Kriegen zu nutzen.

Ein CO2-Pegel zum «Anfassen»

Unter Klimaforschenden herrscht heute breiter Konsens, dass der Klimawandel hauptsächlich vom Menschen verursacht ist und der Treibhausgas-Ausstoss dabei eine zentrale Rolle spielt.

Eindrücklich sichtbar ist dies mit einer Installation, die den CO2-Pegel in der Atmosphäre über mehr als 800’000 Jahre darstellt. Im Verlauf der letzten 150 Jahre ist der Pegel explosionsartig angestiegen, um 40%, auf eine vorher in einer Million Jahre nie dagewesene Höhe.

In interaktiven Installationen können Besucher und Besucherinnen auch selber zu Wettermachern werden: Sie können Wolken formen, Blitze entstehen lassen, Wind erzeugen oder per Knopfdruck einen Tornado auslösen.

Rita Emch, swissinfo.ch

Die meisten Klima-Experten befürchten, dass ein Anstieg der globalen Durchschnitts-Temperatur um 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit unvorhersehbare Klima-Prozesse auslösen könnte.

Daher sollte die globale Erwärmung auf keinen Fall diese 2-Grad-Grenze überschreiten, so der Konsens. Und dieser kritische Wert gibt der Ausstellung ihren Namen.

In den vergangenen 100 Jahren hat sich die globale Durchschnitts-Temperatur um 0,7 Grad erwärmt, in der Schweiz gar um 1,5 Grad.

Verantwortlich für den Anstieg der Temperatur ist zu einem grossen Teil das Treibhausgas CO2, weshalb es wichtig ist, dessen Ausstoss in den nächsten Jahrzehnten weltweit drastisch zu senken.

Die Ausstellung wurde vom Deutschen Hygiene-Museum in Dresden konzipiert.

In Deutschland lief sie von Juli 2008 bis April 2009 und wurde von gegen 100’000 Personen besucht.

Für Basel wurde die Ausstellung durch einen Schweizer Fokus ergänzt.

Rund ein Drittel der Exponate stammen aus der Schweiz oder haben einen Bezug zur Schweiz. So ist unter anderem der Zürcher Böögg zu sehen, einer der wohl bekanntesten Wetterpropheten der Schweiz.

Im Kunstfreilager im Dreispitz in Basel sind 365 Exponate aus aller Welt zu sehen, darunter Videos und interaktive Installationen.

Ergänzt wird die Schau durch ein Rahmenprogramm mit rund 30 Veranstaltungen – Lesungen, Diskussionen, Vorträge, Filme etc. – zum Thema.

Für Schulen gibt es besondere Angebote wie Workshops und Unterrichtsmaterial für verschiedene Schulstufen. Für Schulklassen ist der Eintritt gratis.

Trägerverein: Stiftung Mercator Schweiz, Christoph Merian Stiftung, Kanton Basel-Stadt, Kanton Basel Landschaft, Avina Stiftung, NFS Klima, Museumsdirektorenkonferenz Basel, Universität Basel

Dauer: 21. August 2010 bis 20. Februar 2011

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