König Rogers Tage sind gezählt
235 Wochen führt der Schweizer Roger Federer ununterbrochen die Tennis-Weltrangliste an. Doch mit seiner Regentschaft könnte es bereits am Sonntag zu Ende sein.
Alle Macht hat ein Ende. Was für Könige und alle anderen Potentaten in der Politik gilt, gilt auch für die Grössten im Sport. 235 Wochen, so lange wie kein anderer vor ihm, steht der 27-Jährige ohne Unterbruch an der Spitze des ATP-Rankings.
Doch das Ende von King Rogers Tagen als Regent des Herren-Tennis steht bevor. Der Spanier Rafael Nadal, der diese Saison bisher so dominiert, wie man es nur von Federer gewohnt war, kann den Basler schon am Sonntag beerben. Gewinnt der 22-jährige Mallorquiner das Turnier im amerikanischen Cincinnati, und scheitert Federer im Viertelfinale, steigt Nadal auf den Tennis-Thron.
Die Ablösung wird aber auch dann wahrscheinlich, wenn der Favorit Nadal im Finale oder bereits vorher patzt und sich Federer für die schmachvollen Niederlagen bei Roland Garros und vor allem in Wimbledon mit einem Sieg revanchieren könnte. Dann wäre die Wachtablösung an der Spitze einfach ein paar Wochen hinausgezögert.
Komplizierte Rechnung
Der Wechsel an der Spitze ist aufgrund der besonderen Berechnungsweise der ATP-Rangliste so gut wie sicher. Die Arithmetik des laufend aktualisierten Rankings ist einigermassen kompliziert, basiert aber auf einem einfachen Prinzip: Die Punkte, die ein Spieler heute an einem Turnier gewinnt – beispielsweise in Cincinnati – muss er genau in einem Jahr verteidigen.
Schneidet er 2009 besser ab als jetzt, gewinnt er Punkte dazu. Kommt er aber weniger weit, büsst er die Punktedifferenz ein. Daraus wird klar, dass es Federer als Seriensieger von 2007 schwer hat, die Krone zu verteidigen. Dies insbesondere dann, wenn er wie seit Jahresbeginn schwächelt, Nadal dagegen von Sieg zu Sieg eilt.
Verdienter Nachfolger
Nadals Lauf ist umso eindrücklicher, als der Spanier nicht nur auf der von ihm bevorzugten Sandunterlage von Roland Garros den Schweizer in die Knie zwang. Erstmals schlug er Federer auch auf dem heiligen Rasen in Wimbledon, dem Terrain, auf dem der Schweizer bisher als unschlagbar galt.
Bei aller Treue zum König aus der Schweiz: Nadal wird ein verdienter Thronfolger sein. Er ist nicht nur seit 158 Wochen die Nummer 2, sondern hat in diesem Jahr bereits fünf Turniere gewonnen, und dabei fantastisches Tennis und schier unglaubliche Nervenstärke gezeigt.
Federer dagegen musste gerade bei seinem «Heimturnier» in Wimbledon schmerzlich anerkennen, dass seine besten Schläge nicht mehr ausreichten, um dem athletischen Widersacher Paroli bieten zu können.
Stimmt «They never come back»?
Auch wenn sein «Sturz» vom Thron bevorsteht: Federer ist und bleibt ein ganz grosser Champion. Seine einzigartige Titelserie aus den letzten Jahren übertrifft auch ein Nadal in Höchstform nicht so schnell.
Und dann ist da immer noch dieses Kriterium, das die ganz grossen Sportler vom «gemeinen Fussvolk» unterscheidet: Die Fähigkeit, Krisen zu meistern und wieder zu alter Stärke zurück zu finden.
Auch wenn Roger Federer Wimbledon schon fünfmal gewonnen hat, ist er noch jung. Am 8. August feiert er seinen 27. Geburtstag. Er wird dies in Peking tun können.
Das grösste Geschenk
Dort wird eine Party steigen, wie Federer sie nur einmal im Leben erleben wird, denn am 8. August findet auch die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele statt. Peking könnte ihm auch das schönste Geburtstagsgeschenk des Lebens bescheren: die Goldmedaille im olympischen Tennisturnier.
Dieses Geschenk kann sich Roger Federer nur selbst machen. Denn von Rafael Nadal – ein ausgesprochen fairer Sportsmann – kann er auch in Peking kein solches erwarten. Zumindest nicht auf dem olympischen Court.
swissinfo, Renat Künzi
Mit jeder Woche wird Federers Ablösung an der Spitze der ATP-Rangliste wahrscheinlicher. Denn Nadal hat 2008 viel mehr Punkte gesammelt als Federer.
Federer kann schon am Sonntag vom Thron des Weltranglisten-Ersten stürzen. Dazu muss Nadal in Cincinnati gewinnen, Federer im Viertelfinale ausscheiden.
Muss der Schweizer im Halbfinale die Segel streichen, bleibt er noch für eine Woche Leader, auch wenn Nadal gewinnt.
Gewinnt aber Federer das US-Turnier, bleibt er sicher für zwei Wochen Spitzenreiter.
Es kann sogar zur besonderen Situation kommen, dass Federer zwar Olympiagold gewinnt, aber am Tag danach von Nadal als ATP-Leader entthront wird. Dann nämlich, wenn er in Cincinnati im Finale stehen, dieses aber gegen Nadal verlieren würde.
Federer ist am 8. August 1981 in Binningen im Kanton Basel-Landschaft geboren. Aufgewachsen ist er in Münchenstein.
Sein Vater Robbie ist Schweizer, seine Mutter Lynette kommt aus Südafrika. Federers Schwester Diana ist 20 Monate älter als er.
Federer und seine Freundin Mirka Vavrinec sind seit den Olympischen Spielen 2000 in Sydney ein Paar. Vavrinec ist heute auch Federers Managerin.
Federer hat bisher 12 Grand-Slam-Titel gewonnen, zwei weniger als Pete Sampras, der mit 14 Titeln noch immer den Rekord hält.
Das Vermögen Federers wird auf rund 40 Mio. Dollar geschätzt.
Zu den Olympischen Spielen vom 8. bis 24. August 2008 in Peking bringt swissinfo News, Porträts der Schweizer Stars, Interviews und Hintergründe über und aus China.
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