«Konkordanz» erhält den Kranz
"Konkordanz" ist das Deutschschweizer "Wort des Jahres". Als Unwort wurde der Begriff "Scheininvalide" gewählt.
Während andere Länder schon seit Jahren Wort und Unwort küren, hat die Schweiz diese Ausmarchung zum ersten Mal durchgeführt – auf Initiative eines Liechtensteiners.
Aus über 2700 Vorschlägen wählte eine sechsköpfige Jury Wort und Unwort des Jahres. Viele der Vorschläge kamen aus dem Bereich der Politik, wobei die Aktualität die Auswahl dominierte. Es erstaunt denn auch nicht, dass die meisten Begriffe von der Auseinandersetzung um die Zauberformel geprägt sind.
Das Wort des Jahres, der Begriff «Konkordanz», sei ein typischer Wortvertreter aus dem Sprachgebrauch der schweizerischen Politik und stehe für Freiwilligkeit und Übereinstimmung statt Konfrontation. Durch die jüngsten Bundesratswahlen habe das Wort an Aktualität, Prägnanz und Brillanz gewonnen, schreiben die Organisatoren.
Wie das Organisationsbüro der Ausmarchung im liechtensteinischen Vaduz mitteilte, ist ausserdem der «Satz des Jahres» ausgewählt worden, der ebenfalls in Zusammenhang mit der Bundesratswahl steht. Zu Ehren kommt ein Ausspruch Franz Hohlers, den der «Tages-Anzeiger» Ende Oktober zitierte. «Wählt Blocher! Er hat diese Strafe verdient!», hatte der Kabarettist gefordert.
«Grob unangemessen»
Unter die Kategorie der «Unwörter des Jahres» fallen besonders schlimme sprachliche Missgriffe. Gesucht waren Formulierungen, die «sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschwürde verletzen». Der vom neuen Bundesrat Christoph Blocher geprägte Begriff «Scheininvalide» entspreche diesen Kriterien, heisst es in der Mitteilung.
Auf die weiteren Ränge setzte die Jury die Begriffe «Rentenklau» (oft benutzt in der Auseinandersetzung um Pensionskassen und Rentenalter), «Vereinzelungsanlage» (das neue, pannenanfällige Zutritts-System im Bundeshaus), «Segelnation» (aufgetaucht nach dem Alinghi-Sieg im «America’s Cup»), «SARS» (die Lungenkrankheit), «Jahrhundertsommer» und «metrosexuell» (so bezeichnete sich Fussballgott David Beckham: ein Mann mit femininen Seiten).
Als «Dialektwort des Jahres» gilt «Super League» (die frühere Fussball-Nationalliga A), was die Jury als einen Aufruf gegen unnötige Anglizismen verstanden wissen will. Die Umbenennung der beiden höchsten Fussball-Spielklassen habe diesen Sommer für viel Gesprächsstoff gesorgt. Die frühere Nationalliga B heisst übrigens neudeutsch «Challenge League».
2004 auch in Romandie und Tessin
Die Tradition, das Wort des Jahres zu bestimmen, stammt aus Deutschland. Die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden nimmt diese Aufgabe seit 1971 wahr (erstes Wort des Jahres: «aufmüpfig»).
Die Schweiz brauchte allerdings die Initiative eines Liechtensteiners, um ein eigenes Wort des Jahres zu erhalten. Der PR-Berater Daniel Quaderer, früher beim Schweizer Fernsehen tätig, hatte im Jahr zuvor schon sein Heimatland erstmals mit einem Wort des Jahres beschert.
Zur Jury, welche das Wort des Jahres erstmals in der Deutschschweiz bestimmt hat, zählen neben Quaderer die Moderatorin Bettina Walch (Radio DRS), der PR Berater Emil Egger (Farner PR), und die Journalisten Silvan Lüchinger (stellvertretender Chefredaktor St. Galler Tagblatt), Günther Meier (freier Journalist aus Liechtenstein) und Paul Schneeberger (Inland-Redaktor NZZ).
Laut dem Organisationsbüro soll im nächsten Jahr auch in der Westschweiz («mot de l’année») und der italienischsprachigen Schweiz («parola dell’anno) das Wort des Jahres bestimmt werden.
swissinfo und Agenturen
Unworte des Jahres (eine Auswahl aus Deutschland):
2002: «Ich-AG»
2001: «Gotteskrieger»
1999: «Kollateralschaden»
1997: «Wohlstandsmüll»
1996: «Rentnerschwemme»
1992: «Ethnische Säuberung»
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