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Koons und Hirsts Aktien sinken trotz Hype

Wo Jeff Koons auftaucht, blitzen die Lichter der Fotografen. Reuters

Normalerweise steigern Mega-Shows in grossen Museen den Marktwert eines Künstlers. Die Ausstellungen von Jeff Koons in Basel und Damien Hirst in London haben jedoch den gegenteiligen Effekt. Beobachter sprechen von einer aufziehenden Krise.

Die Preise, die Jeff Koons für seine Werke erzielte, sind Mitte der 1980er-Jahre explodiert. Seit 2007 hält der umstrittene US-Künstler den Rekord für ein Werk eines noch lebenden Künstlers.

Aber die Mega-Events in führenden Häusern haben den Marktwert des 57-jährigen «King of Kitsch» nicht weiter erhöht. Nachdem mehrere seiner Werke in Auktionen unterhalb des geschätzten Preises geblieben waren, ist man bei Christie’s für die Juni-Auktion vorsichtig geworden.

Dasselbe gilt für den Briten Damian Hirst, den anderen Superstar der Gegenwartskunst. Auch seine riesige Retrospektive in der Tate Modern London konnte den Einbruch von Hirsts Umsatz nicht aufhalten. Gemäss dem Index der British Art Market Research sind die Preise für Hirst-Werke seit 2008 rückläufig.

Ironischerweise hat der Brite selbst zu dieser Schrumpfung beigetragen, indem er seine Werke direkt auf den Markt brachte. Sein Vermögen soll aber immer noch rund 300 Mio. Franken betragen.

Koons und Hirst waren die absoluten Lieblinge des Kunstmarktes. Beide reagierten auf die massiven Gelder, die seit den 1980er-Jahren in den Kunstmarkt strömten, indem sie provokative und spektakuläre Werke schufen, um die sich die Superreiche rissen. Keiner der beiden rührt noch selber Hand an, Koons beschäftigt bis zu 100 Angestellte, die für ihn nach genauester Instruktion die Werke herstellen.

Netzwerk

«Koons weiss genau, was funktioniert «, sagt Bernard Fibicher, Direktor des Kunstmuseums Lausanne. «Zudem verfügt er über ein breites Netzwerk, das er für seine ausgefeilten Orchestrierungen einsetzt. Nichts wird dem Zufall überlassen», sagt Fibicher.

Koons Beziehungsgeflecht ziehe sich durch die gesamte Kunstwelt und sei auch für den Übernacht-Erfolg Urs Fischers, des in New York lebenden Schweizer Installations-Künstlers, verantwortlich: Überall, wo Koons-Werke zu sehen waren, ist jetzt auch Fischer präsent, dasselbe gilt für die Sammlungen.

«Diese Tendenz zur Monopolisierung ist ein gefährliches Machtinstrument. Es kann einen Künstler sehr rasch berühmt machen, aber es kann ihn auch innerhalb eines Jahres wieder verschwinden lassen», warnt Fibicher.

Der Kunstkritiker und früherer Galerist Julian Spalding geht gar noch einen Schritt weiter, wenn er Museumsleiter und Kunsthändler als Paar bezeichnet, das sich zusammen ins Bett gelegt habe.

Spalding hatte mit seinem Buch «Con Art – Why You Ought to Sell Your Damien Hirst While You Can» , zu Deutsch «Hochstapelei – Warum Sie Ihr Werk von Damian Hirst verkaufen sollten, solange Sie dies noch können» in Grossbritannien einen grossen Wirbel ausgelöst. Darin stellt er die These auf, dass der Rückzug der öffentlichen Hand aus der Museumsfinanzierung in den 1990er-Jahren es Kunsthändlern ermöglicht habe, in die Lücke zu springen.

«Moderne Museen sind zu Showrooms des Kunsthandels geworden», klagt Julian Spalding gegenüber swissinfo.ch. Als Beispiel nennt er das Garage Centre for Contemporary Culture in Moskau. Dieses wurde von Daria Dasha Zhukova gegründet, der Partnerin von Roman Abramovich, dem milliardenschweren Oligarchen und Besitzer des Fussballclubs Chelsea.

«Es sieht in jeder Hinsicht wie ein öffentliches Museum aus, aber die Institution wird von Händlern geführt», so Spalding.

Wenn Sammler ihre Kollektionen dem Publikum zeigen, geschehe dies nicht aus Idealismus, sondern zur Steigerung des Wertes, sagt Spalding und verweist auf François Pinaults Palazzo Grassi in Venedig oder Eli Broad Museen in Kalifornien und Michigan. «Die Welt ist überschwemmt mit Sammlern, die mit ihren Kollektionen an die Öffentlichkeit drängen mit dem Ziel, ihre Investitionen zu amortisieren.»

Monopoly

In François Pinaults Palazzo Grassi in Venedig sorgt gegenwärtig Urs Fischer mit seiner Ausstellung «Madame Fisscher» für lange Warteschlangen vor der Kasse. Caroline Bourgeois, Kuratorin der François Pinault Foundation und Verantwortliche für die Ausstellung des Schweizers, weist die Kritik Spaldings zurück, der Palazzo Grassi diene nur der Geldvermehrung. Mindestens 70% der von der Stiftung gekauften und gezeigten Werke stammten von Künstler, die noch wenig bekannt oder noch zu entdecken seien, sagt Caroline Bourgeois.

«Jeff Koons ist ein Künstler von höchstem Rang», ist sie überzeugt. «Er reflektiert unser Streben nach einer perfekten Gesellschaft, eingeschlossen unsere Vorstellung von Luxus.»

Rollen-Durcheinander

Die von Bernard Fibicher festgestellte Tendenz zur Monopolisierung, andere sprechen von quasi inzestuösen Beziehungen, hat die Rollen in der Kunstwelt durcheinander gebracht.

Händler werden zu Sammlern (Gagosian) oder gar zu Museumsdirektoren (Jeffrey Deitch am Museum of Contemporary Art in Los Angeles); Künstler sind mit einem Male Händler (Hirst); Sammler übernehmen Auktionshäuser (Pinault), oder finanzieren Ausstellungen ihrer Kollektionen in Museen, wo sie in der Direktion sitzen (Joannou); ein früherer Kulturminister wird Kunstberater (Jean-Jacques Aillagon in Frankreich).

Dieses Durcheinander öffnet Insider-Geschäften Tür und Tor. Mit anderen Worten: Derselbe Kreis von Involvierten bestimmt nicht nur die Auswahl, sondern auch die Preise. In diesem Geflecht seien die Künstler «nur noch Affen auf ihrer Schaukel», sagt Julian Spalding.

«Verkaufe deine Hirsts!»

Laut dem Kritiker und Buchautor sind Marcel Duchamp und Joseph Beuys Ahnen der «Con art». Daraus wurde die «konzeptuelle Gegenwartskunst», die in der britischen Kunstausbildung in den 1970er-Jahren gefördert worden war. Damals war es «in», Kunst zu denken, statt Kunst zu machen. «Es war höhere Bildung auf die Schnelle», urteilt Spalding.

Das Resultat sei «das schwarze Loch der westlichen Kultur», wo sich die Belanglosigkeit der Kunstsammler mit der inhaltlichen Leere ihrer Werke treffe. Charles Saatchi, der legendäre Kunsthändler, sei nie etwas anderes als ein Publizist gewesen, bemerkt er trocken.

Spalding ist überzeugt, dass ein böses Erwachen bevorsteht, das zum Kollaps des Kunstmarktes führen werde. «Werde sofort deine Hirsts los», rät er allen, die auf den Zug aufgesprungen waren.

«Koons mag völlig hohl sein, aber er ist Hirst voraus», sagt er. Koons sei «im Herzen ein Marxist», handle es sich bei ihm doch um einen Marketingprofi, der die Produktionsmittel verwalte und die Herstellung überwache. «Aber schlussendlich ist Koons zum Opfer seines eigenen Systems geworden», urteilt Spalding.

Das Zusammentreffen seiner Ausstellung in der Fondation Beyeler im Basler Vorort Riehen und der Kunstmesse Art Basel vom Juni zeigt, wie sehr Koons immer noch die Kontrolle ausübt. Oder wie sagte doch Bernard Fibicher: «Nichts wird dem Zufall überlassen.»

Die Werkschau des US-Künstlers in der Fondation Beyeler in Basel dauert bis am 2. September 2012.

Parallel zur Basler Ausstellung zeigt auch das Liebieghaus in Frankfurt eine Koons-Schau. Sie dauert bis zum 23. September 2012.

2008 präsentierte Koons 17 Skulpturen im Park des Schlosses Versailles bei Paris.

Im selben Jahr stellte er auch im Museum of Contemporary Art Chicago aus, 2009 in der Serpentine Gallery in London sowie in der Schirn Kunsthalle Frankfurt.

Wichtige Koons-Ausstellungen zeigten zuvor das  Deutsche Guggenheim Berlin (2000), das Kunsthaus Bregenz (2001) oder die Neue Nationalgalerie Berlin.

2007 erzielte das «Hängende Herz (Magenta/Gold)» von Jeff Koons an einer Auktion mit 22 Mio. Franken den höchsten Preis, der je für ein Werk eines noch lebenden Künstlers bezahlt wurde. Das Riesenherz in rostfreiem Stahl ist über zweieinhalb Meter hoch.

2008 wechselte in London die «Ballon Flower (Magenta)» für knapp 19.5 Mio. Franken den Besitzer.

In der Rezession nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 brachen die Auktionspreise der teuersten Koons-Werke um rund 50% ein.

Im November 2010 fiel bei Christie’s in London der Hammer für «Balloon Flower (Blue)» bei 16.8 Mio. Dollar.

Im Mai 2011 erzielte der «Pink Panther» bei Sotheby’s für enttäuschende 16.9 Mio. Dollar weg, weit unter dem Schätzpreis von 20-30 Mio. Dollar. 

Für die Juni-Auktion setzte Christie’s London den Schätzpreis für «Baroque Egg» bei konservativen 2.5-3.5 Mio. britischen Pfund an. Frühere «Barock-Eier» Koons hatten im letzten Jahr noch bis zu 3.8 Mio. Pfund gelöst.

(Übertragen aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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