Kreative Prozesse von Herzog & de Meuron
Ortsbezogenes und freies Spiel mit Formen und Materialien. Das ist das Markenzeichen des international renommierten Basler Architekturbüros.
Eine Ausstellung in Basel dokumentiert intellektuelle Haltungen und gruppendynamische Entstehungsprozesse.
«Es sind stumme und leblose Zeugnisse intellektueller und gruppendynamischer Prozesse, die wir in wechselnder Zusammensetzung über lange Jahre hinweg mit viel Energieaufwand immer wieder vorantrieben. In einigen Fällen sind daraus tatsächlich Gebäude entstanden», sagt Jacques Herzog.
Es ist, wie schon oft, Jacques Herzog, der den Medien die jüngste Arbeit der Architekturbüro-Marke «H&dM» vorstellt. Die Abkürzung steht für Herzog & de Meuron, hinter ihr versteckt sich ein Unternehmen von sechs Architekten als Partnern, die zusammen 200 Mitarbeiter beschäftigen.
Wie kommt ein Gebäude zu seiner Form?
Das sinnliche Experimentieren mit Formen und Strukturen ist Thema der Ausstellung über «H&dM» im Schaulager in Münchenstein BL. Ortsbezogenes und doch freies Formenspiel macht jede ihrer Bauten einzigartig.
Es sei schon eine grosse Ausnahme, dass Architekten ihre Ausstellung in einem der eigenen Gebäude unterbringen, sagte Schaulager-Direktorin Theodora Vischer vor den Medien.
«No. 250. Eine Ausstellung» über die Basler Architekten ist die zweite Schau im 2003 eröffneten Schaulager. Dieses wurde von «H&dM» selbst konstruiert. Im Schaulager, normalerweise nur professionellem Publikum zugänglich, lagern sonst vor allem Werke der Emanuel Hoffmann-Stiftung, die gerade nicht in Museen ausgestellt sind.
Jacques Herzog sprach von einem «unglaublichen Aufwand an Material und Personal für sicher eine der grössten Architekturausstellungen, die es je gab». Die Projekte seines Büros seien durchnummeriert, und die Ausstellung trage die Nummer 250 – daher ihr Titel. Im Vordergrund stünden nicht die fertigen Bauten, sondern deren kreativer Entstehungsprozess.
Wenig Fotos, viel Modelle
Anlass der nun präsentierten Schau war eine Ausstellung in Montreal über Herzog & de Meuron («Archäologie des Imaginären»). Diese sei aber zu klein gewesen für eine Adaptation im Schaulager, so Vischer. Zudem mochte Herzog die Ausstellung nicht einfach wiederholen, sondern wollte sich weniger auf das Thema als auf die Architektur schlechthin konzentrieren.
So sind nun (fast) keine typischen Architektur-Fotos und -Pläne an den Wänden zu sehen, sondern vor allem zahllose Modelle auf grossen Tischen.
Spuren aufwändigen «Pröbelns»
Die vielen unterschiedlichen Formen, Farben und Materialien faszinieren die Besucher. Diese betrachten , ähnlich wie Kinder beim «Lego»-Spiel, in den Holzmodellen Metallröhrchen, Schaumstoffe, aber auch hyperkünstliche Materialien wie Silikon, kombiniert mit natürlichen wie Leder.
Laut Vischer soll die Ausstellung mit dem gesammelten Experimentier-«Abfall» als sinnliche Spuren des aufwändigen Pröbelns die «besondere Haltung» des Büros zeigen, das keine fixen Schablonen kenne.
Da kann man etwa die Maquette sehen, über die das Olympiastadion Peking seine Form erhielt. Bei anderen Projekten blieb es bei Modellen, realisiert wurden sie nie.
Ein unverwechselbares Gesicht bekam auch der Prada-Sitz bei Florenz, von dem ein genuines H&dM-Möbelstück vertreten ist.
Weiter wurden Fotos auf metergrosse Betonplatten gerastert oder mit grobem blauem Verputz für das Kongresszentrum Barcelona gepröbelt.
Wandel in der Methode, Wandel in der Welt
Ein Katalog erscheint nicht; dafür verschafft eine handliche Vademecum-Broschüre Überblick. «Unsere Arbeit hat sich in den letzten 25 Jahren enorm verändert, was normal ist, da sich die Welt ja ebenfalls verändert hat», sagt Herzog.
Im kleinen Vademecum präzisiert der Architekt auch seine Skepsis gegenüber virtuellen Modellen und Maquetten, wie sie heute am Computer gezeichnet werden. «Sieht man von Beginn an virtuelle Bilder, kann man nicht wissen, wie der Bezug zur Wirklichkeit dann schliesslich aussieht», sagt Herzog.
Sein Zugang über Maquetten aus Materialien zeuge demgegenüber von seinem archaischem Verständnis von Gestalt und Wirklichkeit.
«Eine Architektur, die sich auf das Visuelle konzentriert, ist eine tote Architektur.» Was natürlich nicht heissen wolle, dass «H&dM» sich der digitalen Methode verschliesse.
swissinfo
Jacques Herzog und Pierre de Meuron sind beide 1950 in Basel geboren.
Die beiden Freunde seit Kindsbeinen haben ihre berufliche Komplizenschaft 1978 in die Gründung eines gemeinsamen Architekturbüros umgesetzt.
Das Unternehmen zählt heute 200 Mitarbeitende.
H&dM hat Bauten konzipiert, die zu den markantesten der vergangenen Jahre zählen.
So die Tate Modern Gallery in London, das Fussball-Stadion St. Jakob in Basel oder das Prada-Gebäude in Tokio.
In der Projektphase befinden sich das künftige Olympische Stadion von Peking 2008, das künftige Münchner Fussball-Stadion und ganze Stadtquartiere in Schanghai und Jinhua.
2001 erhielt H&dM den Pritzker-Preis, den Nobel-Preis der Architektur.
«No. 250. Eine Ausstellung» in Basel ist vom 8. Mai bis 12. September 2004 geöffnet (montags sowie wochentags morgens geschlossen).
Dokumente und Objekte von zirka 100 Projekten, insgesamt über 1000 Muster, Prototypen, Mock-ups, Zeichnungen, Modellskizzen, Fotografien etc.
Diese Ausstellung sei wahrscheinlich eine der «grössten Expositionen über Architektur», schätzt Jacques Herzog.
Das Schaulager ist ein Kunst-Depot, das Herzog und de Meuron selbst gebaut haben.
Bei dieser Ausstellung geht es ums Illustrieren der Vorbereitungsarbeiten, die zum definitiven Projekt führen.
Auf 35 Grosstischen sind die Maquetten, Zeichnungen und Modelle ausgebreitet.
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