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Kunstschaffende finanzieren die Kunsthalle Bern

In diesem Saal findet die Auktion statt: Vor den Werken Balthasar Burkhards (mitte), John Armleders (links) und Thomas Hirschhorns. swissinfo.ch

"No Leftovers" – "Keine Restposten" heisst die aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle Bern. Die von 72 Künstlerinnen und Künstlern aus dem In- und Ausland gratis zur Verfügung gestellten Werke werden zugunsten der Kunsthalle versteigert.

Beim Betreten der Kunsthalle wird der Blick gleich durch den Vorraum an die hintere Wand der Haupthalle gezogen, wo die von vertikalen Linien der Wolkenkratzer dominierte Fotografie «Shanghai» von Balthasar Burkhard hängt. Eingerahmt wird sie von Bildern John Armleders und Thomas Hirschhorns.

In diesem Raum werden am 13. September Werke von 72 Schweizer und internationalen Künstlern versteigert. Burkhards Edition (1 von 7) wird auf 35’000 Franken geschätzt, Armleder auf 30’000 und Hirschhorn auf 20’000 Franken.

«Der Saal wird sicher voll sein», schätzt Wolf von Weiler, Präsident des Vereins Kunsthalle Bern und Mitinhaber des Auktionshauses Kornfeld, der die Werke versteigern wird. 800 Sammler seien eingeladen worden, 150 kämen sicher, doch sei die Zahl weniger wichtig als die Qualität der Sammler.

Um ein Werk zu ersteigern, muss man nicht einmal persönlich anwesend sein. Gerade internationalen Sammlern kommt es gelegen, dass sie sich schriftlich oder telefonisch an der Auktion beteiligen können.

Zeigen, wo die Reise hingeht

Der geschätzte Wert der zu versteigernden Werke beträgt 1,4 Mio. Franken. Der Erlös soll ins Betriebsbudget der von der Stadt Bern finanzierten Kunsthalle fliessen. «Wir wollen uns mit dem Geld ein Polster schaffen, um unsere Ideen in den nächsten Jahren realisieren zu können», sagt von Weiler gegenüber swissinfo.

Die Kunsthalle setze sich mit neuen Positionen und Trends auseinander, sei zukunftsorientiert und präsentiere heute, was morgen in den grossen Museen hänge: «Gegenwartskunst zeigt, wo die Reise hingeht.»

Künstler und Künstlerinnen, die früher oder später in der Kunsthalle ausstellten, wurden angefragt, ein Werk zu spenden. Unter ihnen Franz Gertsch, Georg Baselitz, Markus Raetz, Pamela Rosenkranz und Arnulf Rainer. So wird die Ausstellung zu einer «Retrospektive mit Perspektive», wie Philippe Pirotte, Direktor der Kunsthalle, im Vorwort des Katalogs schreibt.

Verpackungskünstler Christo und Jeanne-Claude

Der belgische Künstler Luc Tuymans, dessen Karriere 1992 in der Kunsthalle ihren Anfang nahm, malte extra für die Auktion das Porträt «Private». Mit 350’000 Franken ist es das am höchsten geschätzte Werk der Auktion.

Ein zusammengeknülltes A4-Papierblatt des britischen Konzeptkünstlers Martin Creed mit 200 Franken und eine Audiokassette desselben Künstlers mit 100 Franken liegen am unteren Rand des Spektrums.

Von Christo und Jeanne-Claude, die 1968 die ganze Kunsthalle verpackten, später dann auch den Reichstag in Berlin, den Pont Neuf in Paris und den Central Park in New York, ist die Skizze eines in weisses Tuch verpackten und verschnürten Sessels zu ersteigern. Geschätzter Preis: 12’000 Franken.

Wenn diese Auktion auch ein einmaliges Ereignis bleiben soll, ist es doch nicht das erste Mal, dass Künstler der Kunsthalle Bern unter die Arme greifen. Eine Auktion mit gespendeten Kunstwerken legte einst das Startkapital für die 1917 gebaute Kunsthalle für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst.

Unabhängigkeit von ökonomischen Einflüssen

Vier Tage vor der Auktion spazieren nur noch vereinzelt Kunstinteressierte durch die Ausstellung. Eine Frau steht vor dem Gräser-Bild von Franz Gertsch und sucht die entsprechende Nummer auf der Preisliste. Sie sei keine Sammlerin, sagt sie: «Aber es ist schon interessant, mal zu sehen, was so ein Gertsch kostet.»

«Wir wollen nicht ein Publikum heranziehen, das sich nur wegen der Auktion für die Kunsthalle interessiert», sagt Julian Reidy, Assistent von Philippe Pirotte und Julia Strebelow, die das Projekt auf die Beine gestellt haben. Es gehe neben der Geldbeschaffung aber auch darum, «Aufmerksamkeit für unser Haus zu schaffen».

Die angefragten Künstler hätten bereitwillig ein Werk für die Auktion geschenkt: «Langfristig hilft es ihnen selbst, weil sie so eine Institution unterstützen, die auf ihrer Seite steht», sagt Reidy.

Direktor Pirotte, der wenig von der Eventkultur im Kunstbetrieb hält, begründet die Auktion mit der Notwendigkeit, die Unabhängigkeit der Kunst von ökonomischen und politischen Einflüssen zu bewahren: «Die Kunst muss immer noch – und vielleicht immer mehr – ihr Recht verteidigen, überhaupt zu existieren, ohne instrumentalisiert zu werden.»

Die Kunstschaffenden haben mit ihren Schenkungen einen ersten Schritt dazu getan. Nun liegt der Ball bei den Sammlern und Sammlerinnen.

swissinfo, Susanne Schanda

Die Kunsthalle Bern wurde 1918 eröffnet. Eine Auktion, an der gespendete Kunstwerken versteigert wurden, brachte das nötige Startkapital zusammen.

Sie bot Schweizer Künstlern wie Paul Klee und Ferdinand Hodler eine Plattform und verhalf internationalen Künstlern wie Edvard Munch und Rafael Soto zu ersten Begegnungen mit dem Schweizer Publikum.

Die Kunsthalle versteht sich als Ort der künstlerischen Auseinandersetzung und kritischen Befragung der Phänomene unserer Zeit.

Legendär war die Ausstellung «When Attitudes become Form» von Harald Szeemann 1969.

Die Verpackungskünstler Christo und Jeanne-Claude haben 1968 die Kunsthalle als erstes Gebäude vollständig verpackt.

Träger ist der Verein Kunsthalle Bern mit rund 1600 Mitgliedern.

Die Stadt Bern subventioniert die Kunsthalle mit jährlich 1,2 Mio. Franken. Dazu kommen Beiträge von Mitgliedern und Gönnern.

Am 13. September um 18 Uhr findet in der Kunsthalle Bern die Versteigerung der geschenkten Kunstwerke statt. Für die Teilnahme wird ein Ticket benötigt.

Für Gebote in Abwesenheit kann auf der Website der Kunsthalle ein Formular runtergeladen werden.

Die Auktion steht unter dem Patronat der Schauspielerin Ursula Andress, des Unternehmers Rolf Bloch, des Fotografen Robert Frank, des Unternehmers und Sammlers Donald Hess und des Regisseurs und Sammlers Thomas Koerfer.

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