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Delhi-Genf, die Rückkehr eines Schriftstellers aus dem Lockdown

Blaise Hofmanns Frau und die beiden Töchter in einem Tempel in Thanjavur. Blaise Hofmann

Im vergangenen September verliess der waadtländische Autor Blaise Hofmann mit seiner Familie die Schweiz. Doch das Coronavirus beendete seine Asienreise nach sechs Monaten abrupt. Im März musste er Indien verlassen. Seine letzten Momente und Gedanken vor der Heimkehr.

Samstag, 21. März 2020, der Vorabend eines monumentalen Hausarrests: 1,3 Milliarden Inderinnen und Inder bereiten sich darauf vor, wegen der Covid-19-Pandemie für einige Zeit in strenger Selbstisolation zu leben.

Blaise Hofmann und seine beiden Töchter auf einem Reisfeld in Südindien. Blaise Hofmann

In Delhi wartet eine Schweizer Familie in einem Hotel auf ihre bevorstehende Rückkehr in ihre Heimat. Die Mutter singt ihren beiden kleinen Mädchen ein Lied von Pierre Perret vor, das viel über das Bedürfnis nach Freiheit aussagt: «Öffnet den Vogelkäfig / schaut, wie sie wegfliegen, das ist schön.»

Der indische Flughimmel wird sich in wenigen Stunden schliessen; schnell müssen sie die ihnen liebgewonnenen Breitengrade verlassen, die plötzlich drohen, zu einem unerträglichen Gefängnis zu werden.

Auf dem Weg zum Flughafen von Delhi sorgen sie sich: «Wird das Flugzeug abheben oder nicht?», fragt sich der Vater. Seine quälenden Fragen, seine Eindrücke des Augenblicks, seine glücklichen und zugleich sorgenvollen Erinnerungen – er wird sie später, einmal zurück in der Schweiz, aufschreiben (siehe Kästchen).

Vielleicht werden diese Gedanken eines Tages Teil eines Buchs werden, das dieser Vater, ein Geschichtenerzähler, der zum Träumen anregt, über seine lange Asienreise mit seiner Familie veröffentlichen wird, die Anfang September 2019 begann und im März 2020 so abrupt endete.

Zwei kleine Mädchen, zwei Zen-Meisterinnen

Blaise Hofmann heisst der Vater, der als Reiseschriftsteller bezeichnet werden kann, auch wenn ihm dieser Begriff nicht sonderlich gefällt. SWI swissinfo.ch traf ihn letztes Jahr auf der Genfer Buchmesse, etwa einen Monat vor der Fête des Vignerons, wo er einer der beiden Librettisten war.

Er sagte damals: «Gleich nach dem Festival gehe ich mit meiner Familie für acht Monate nach Asien.» swissinfo.ch hat sein Projekt nicht vergessen.

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Und nun ist er also zurück in seinem Kanton Waadt. Am Telefon erzählt er ein wenig über seine Asienreise. Das Gespräch wird durch einige Lacher belebt und durch die Beobachtungen eines Mannes bereichert, dessen Sicht auf das Leben und auf diese fernen Länder, die er bereits als Junggeselle bereist hat, weicher geworden ist: weniger zynisch, aufmerksamer.

«Mit zwei Mädchen von zwei und drei Jahren muss man immer reisen. Sie sind Zen-Meisterinnen. Es gilt der Moment und sonst nichts.» Das Gefühl für die Zeit, für das tägliche Leben wandle sich in Gesellschaft der Kinder, sagt der Schriftsteller.

«Ich werde kein Logbuch von meiner Reise machen, das würde schnell langweilig werden. Lieber spiele ich mit Echos, mit Zweifeln.»

Japan, Kambodscha, Laos, Burma, Thailand, Sri Lanka und schliesslich Indien. Die Reise sollte in Nepal enden. Ein Termin in Kathmandu im April musste abgesagt werden. Trotzdem: Asien wird ein schriftliches Echo in seinem Werk finden.

«Ich werde kein Logbuch von meiner Reise machen, das würde schnell langweilig werden. Lieber spiele ich mit Echos, mit Zweifeln», sagt er. Die wenigen Seiten, die er swissinfo.ch geschickt hat, handeln von den letzten Tagen, die er am Fuss des Himalayas verbracht hat, und sind chronologisch geordnet.

Rassisten innert dreier Tage

Zurück nach Delhi. Das Ende einer Expedition. Die Stunden vergehen mit der Angst vor dem Warten. «Um die Wahrheit zu sagen: Ich hatte keine Angst vor einer Ansteckung, wir hatten ja alle richtigen Vorkehrungen getroffen. Was mich jedoch beunruhigte, war zum einen die indische Ausgangssperre und zum anderen die feindselige Atmosphäre, die plötzlich eine dramatische Dimension annahm», sagt Hofmann.

«Als Europäer hatten wir grosse Schwierigkeiten, ein Hotel zu finden, das uns aufnehmen würde. Wir konnten nicht einmal mehr in einen Laden gehen. Innert dreier Tage entstand ein Rassismus. Das war erschreckend! Ein Hass gegen den anderen, diesen Fremden, breitete sich aus. Hass geboren aus Angst, und Angst geboren aus Unwissenheit.»

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«In Thailand gab es in der Presse eine Menge Artikel darüber», fährt er fort. «Westliche Auswanderer, die 20 Jahre lang dort gelebt hatten, wurden plötzlich wie Pestopfer behandelt. Ein kleines Virus entfachte die Ängste der Vorfahren neu… Sogar in Europa, zwischen Nachbarländern. In den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Schweiz schauten einige Passagiere auf italienischsprechende Menschen herab, erzählten mir Freunde.»

Misstrauen tötet, aber Humor ist eine grosse Inspirationsquelle. Auch Witze und absurde Äusserungen spiegeln die Angst wider. «Was zum Teufel ist Toilettenpapier?!» Ein verwirrter Inder stelle sich diese Frage. Der Gag zirkulierte während des Lockdowns in Europa in den sozialen Netzwerken.

«Ich habe ihn auch erhalten, er brachte mich zum Lachen, weil er ein weiteres Klischee über Indien zeigt, das die Lächerlichkeit des Eurozentrismus widerspiegelt», sagt Hofmann. Und er erzählt die Geschichte des Irrtums eines mit Donald Trump vergleichbaren indischen Politikers. Dieser empfiehlt seinem Volk, den Urin einer heiligen Kuh als Heilmittel gegen das Coronavirus zu trinken.

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Der Staub der Strassen

Gegen Ende Februar war Hofmann mit seiner Familie in Tamil Nadu im Süden gelandet und durchquerte dann das Land bis Himachal Pradesh im Norden. Indien von unten nach oben, kurz gesagt. Das lässt an den grossen Genfer Schriftstellers Nicolas Bouvier erinnern. Sein Weg in «Descente de l’Inde» verlief damals in entgegengesetzter Richtung.

In der Schweiz gibt es eine lange Reihe von Schriftstellern, die sich mit ihrer Feder über den Staub auf den Strassen lustig machen. Es sind im Allgemeinen zähe Männer und Frauen: Anne-Marie Schwarzenbach, Ella Maillart, Blaise Cendrars und natürlich Bouvier.

Mit Letzterem wagt sich Hofmann aber nicht zu vergleichen. «Ich habe nicht seinen riesigen Kultur-Rucksack, weit davon entfernt», sagt er. Und fügt hinzu, dass er wie sein Landsmann dennoch ein authentisches Gefühl besitze, das nie durch das Virus der Vorurteile verändert worden sei.

Warten am Flughafen Delhi – Sonntag, 22. März

2:20 Uhr, die Mädchen schlafen, wir beobachten unsere Mitmenschen, eine Sikh-Familie von solcher Eleganz, einen kaputten alten Rucksacktouristen, einen indischen Auswanderer, der an seinen Nägeln kaut, einen Bankier, der sich über seinen Laptop beugt, Hippies vom Strand oder aus den Bergen, in Flip-Flops oder Wanderschuhen, hochmütige, energiegeladene Westler, reich an Lebensfreude, die sie jedoch sofort verlieren werden, wenn eine zweite Stunde Verspätung angekündigt wird.

Die Russen machen dann grosse Drohgebärden, die Hippies stottern vor Wut, und das Flughafenpersonal wird das Ausbleiben von Touristen in diesem Sommer vielleicht nicht bereuen.

In weniger als fünf Stunden beginnt die Ausgangssperre.

Ich denke an jene, die in den letzten 15 Jahren eingesperrt gelebt haben.

Das Volk von Gaza. Die «schon lange Eingesperrten», die Migranten.

3:20 Uhr, die Türen gehen endlich auf.

Auszug aus dem Text von Blaise Hofmann

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(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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