Locarno: Breites Angebot – weniger Filme
Das Filmfestival von Locarno hofft, mit einer Retrospektive über Journalismus und Politik und einer starken europäischen Auswahl mehr als 200'000 Besucher anzulocken.
Locarno und der Goldene Leopard sollen weiterhin als Entdeckungs-Festival ohne Glamour positioniert werden.
Abgespeckt und doch vielfältig präsentiert sich das Programm der 57. Filmfestspiele von Locarno. Vom 4. bis 14. August werden statt 400 Filme «nur» deren 250 zu sehen sein.
Dennoch deckt das Programm praktisch die ganze Welt ab. «Es sind so viele Länder vertreten wie selten zuvor», sagt Festivaldirektorin Irene Bignardi. Und Festival-Präsident Marco Solari ist überzeugt: «Die Stärke von Locarno ist seine Substanz.»
Stolz verkündet Solari, das Festival könne mit einem ausgeglichenen Budget und gesicherten Sponsorverträgen zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Einige Leoparden-Anwärter
Irene Bignardi präsentiert ihr diesjähriges Programm mit sichtlicher Zufriedenheit. Am Wettbewerb um den Goldenen Leoparden nehmen 18 Filme aus 17 Ländern teil. 10 Filme kommen aus Europa, die anderen aus Hongkong, Indien, Iran, Japan, Kasachstan, Südafrika, USA und Vietnam.
Die Schweiz zeigt im Wettbewerb um den mit 90’000 Franken dotierten Goldenen Leoparden den in den USA entstandenen Erstling «Promised Land» des Tessiners Michael Beltrami. Das Roadmovie erzählt die Geschichte eines Schweizers in den USA.
Ein weiterer Schweizer Film, «Absolut», ein Thriller aus der Hausbesetzer-Szene vom Walliser Roman Wyder, hat es in die «Cinéastes du Présent» geschafft.
Piazza Grande
Auf der Piazza Grande sind 5 der 16 Filme Uraufführungen. 11 Filme stammen aus Europa, vier aus den USA. Die grossen Regisseur-Namen entstammen dem europäischen Autorenkino: Patrice Leconte («Dogore»), Gillo Pontecorvo («Queimada»), Volker Schlöndorff («Der neunte Tag») und Ermanno Olmi («Cantando dietro i paraventi»), der den Ehren-Leoparden erhält.
Erwähnenswert ist auch Nick Cassavetes («The Notebook») aus den USA. Weiter zur Aufführung gelangt im Piazzaprogramm «The Football Factory», eine dokumentarische Romanverfilmung von Nick Love über die Hooligans des Fussballclubs Chelsea. Regisseur Love wurde vorgeworfen, er sympathisiere mit den Gewalttätern.
Einer der Höhepunkte wird am 7. August die Vorführung von «Queimada» zu Ehren des verstorbenen US-Schauspielers Marlon Brando sein. Er spielt darin einen britischen Offizier auf einer von Portugiesen beherrschten Karibik-Insel im 19. Jahrhundert.
«Newsfront»
Die Retrospektive «Newsfront» verspricht ein besonderer cinéastischer Leckerbissen zu werden. Festivaldirektorin Irene Bignardi, früher selbst Journalistin, freut sich besonders, mit den 91 kürzeren und längeren Filmen aus der gesamten Filmgeschichte die Beziehung zwischen Film und Journalismus auszuleuchten.
Die Filme, auf der ganzen Welt zusammengesucht, stammen zur Hälfte aus den USA. Eine Auswahl der US-Meister-Regisseure: Melvin Le Roy, Alfred Hitchcock, Orson Welles, Frank Capra, John Huston, Billy Wilder, Sam Fuller, John Ford, Francis Ford Coppola.
Politisches Kino pur auf der Piazza Grande bietet der Streifen «The Hunting of a President» von Nickolas Perry. Die Dokumentation untersucht die Hatz der konservativen Presse auf Bill Clinton.
Carl Bernstein, der einst mit seinem Kollegen Bob Woodward den Watergate-Skandal aufdeckte, wird in Locarno anwesend sein. Anlass dazu ist der Film zu Watergate, «All The Presidents Men», der auch auf der Piazza Grande zu sehen sein wird.
Die Retrospektive beginnt mit «L’affaire Dreyfus» des französischen Filmpioniers George Méliès aus dem Jahr 1899 und endet mit drei Produktionen aus dem Jahr 2004. Bekannte europäische Streifen sind Antonionis «Blow Up», Rosis «Il caso Mattei» oder Schlöndorffs «Die verlorene Ehre der Katharina Blum». Die Schweiz ist mit Fredy M. Murers «Grauzone» vertreten.
Die Organisatoren wollen das Thema auch an Podien vertiefen. Zu reden geben wird da wohl auch Michael Moore, der mit seinem neuen Film «Fahrenheit 9/11» aktiv in den US-Wahlkampf eingreift. Im Programm vertreten ist er aber mit dem Streifen «Roger & Me».
«Offene Türen»
Eine Begegnung von Filmemachern eines Kulturkreises mit internationalen Produzenten will die Sektion «Offene Türen» ermöglichen. Dieses Angebot entstand in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA).
In diesem Jahr stellen sich Laos, Vietnam und Kambodscha vor. Unter den kambodschanischen Beiträgen sind auch von König Norodom Sihanouk realisierte Filme zu sehen.
Die internationale Kurzfilmsektion zeigt neue Kurzfilme aus der Westschweiz, Belgien, Luxemburg, Quebec und französischsprachigen Ländern Afrikas.
swissinfo und Agenturen
Das 57. Filmfestival von Locarno findet vom 4. bis 14. August statt.
Im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden konkurrieren 18 Produktionen aus 17 Ländern.
Die Schweiz ist mit dem Erstlingsfilm «Promised Land» des Tessiners Michael Beltrami vertreten.
Die über 90 Titel umfassende Retrospektive «Newsfront» beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Kino und Journalismus.
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