Ein freiheitlicher Wind bläst über das Festival von Locarno
Unabhängig und vielfältig: So stellt sich der künstlerische Leiter, Carlo Chatrian, die 69. Ausgabe des Filmfestivals von Locarno vor, das vom 3. bis 13. August stattfinden wird. Unter den 17 Hauptfilmen des Wettbewerbs hat es auch zwei Schweizer Filme: "La idea de un lago" von Milagros Mumenthaler und "Marija" von Michael Koch. Dem Westschweizer Frédéric Mermoud gebührt sogar die Ehre, seinen Film "Moka" auf der Piazza Grande vorzustellen.
Manchem Besucher mag vielleicht der rote Teppich fehlen. Aber darum geht es beim Filmfestival von Locarno nicht. Die 69. Ausgabe markiert tatsächlich eine Rückkehr zum ursprünglichen Geist der Veranstaltung, die «auch weniger bekannten Filmschaffenden und aufstrebenden Regisseuren eine Plattform bieten will», wie Carlo Chatrian an einer Pressekonferenz in Bern erklärte. Chatrian ist als künstlerischer Leiter bis 2020 bestätigt worden.
Viele der diesjährigen Filme verlassen die ausgetretenen Pfade und stellen das Klima der Gleichgültigkeit und Abschottung in Frage, das unsere Zeit kennzeichnet. Zum Beispiel die Retrospektive zum westdeutschen Nachkriegskino, oder die Schau über den Filmemacher und Schriftsteller Alejandro Jodorowsky, der den Ehrenleoparden verliehen bekommt.
Auf der Piazza Grande, dem wichtigsten Ort des Festivals, wird unter anderem der neuste Film von Ken Loach «I, Daniel Blake» gezeigt, der dieses Jahr mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde, sowie «Le ciel attendra» von Marie-Castille Mention-Schaar über die Radikalisierung französischer Jugendlicher.
Die Preisträger des Goldenen Leoparden im Internationalen Wettbewerb seit 1968
Um den Goldenen Leoparden bewerben sich 17 Filme, acht davon sind von Frauen gedreht worden. Dazu gehört die Schweizerin Milagros Mumenthaler, die 2011 mit dem Film «Abrir puertas y ventanas» gewonnen hat. Ihr neuer Film handelt von der argentinischen Diktatur.
Als weiterer schweizerischer Regisseur ist der 34-jährige Michael Koch im Rennen, der in seinem ersten Langspielfilm «Marija» die Geschichte einer jungen Ukrainerin erzählt, die als Putzfrau in Deutschland arbeitet.
Am Festival von Locarno werden zwei kürzlich verstorbene Regisseure gewürdigt: Michael Cimino und Abbas Kiarostami. Vom bekannten iranischen Regisseur wird als Weltpremiere ein Werk gezeigt, das er im Rahmen eines Workshops in Kuba verwirklicht hat.
Welche Art von Film soll Ihrer Meinung nach gefördert und ausgezeichnet werden? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren.
(Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi)
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