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Locarnos Goldener Leopard geht an Film aus Japan

Regisseur Masahiro Kobayashi mit seinem Goldenen Leoparden. Keystone

Der Goldene Leopard des 60. Internationalen Filmfestivals Locarno geht an den Film "Ai no yokan" des Japaners Masahiro Kobayashi.

Den Leoparden für den besten Darsteller erhalten gleichermassen der Franzose Michel Piccoli für seine Rolle als Greis und der Italiener Michele Venitucci als Boxer im einzigen Schweizer Film im Wettbewerb.

Der Film «Ai no yokan» (Die Wiedergeburt) handelt von einer eigenwilligen Liebesgeschichte. Masahiro Kobayasha ist dabei gleichzeitig Autor, Regisseur und Hauptdarsteller.

Mit der vielleicht etwas überraschenden Vergabe des mit 90’000 Franken dotierten Goldenen Leoparden an den Japaner ehrt die internationale Jury den ästhetisch kraftvollsten und eigenwilligsten Film im Wettbewerb, der 19 Beiträge aus 18 Ländern umfasste.

«Ai no yokan» erhielt auch den mit 20’000 Franken dotierten Daniel Schmid-Preis, der zum Gedächtnis des vor einem Jahr verstorbenen Schweizer Regisseurs vergeben wird.

Den Silbernen Leoparden als «Spezialpreis für einen Film, der den Gedanken der Verständigung zwischen den Völkern und den Kulturen am stärksten zum Ausdruck bringt», hat die Jury dem Beitrag «Memories» von Eugène Green/Pedro Costa/Harun Farocki zuerkannt.

Marian Alvarez als beste Darstellerin

Als beste Darstellerin zeichnete die Jury die Spanierin Marian Alvarez aus, für die Hauptrolle im Film «Lo mejor de mi» von Roser Aguilar (Spanien), wo sie um das Leben ihres Liebsten kämpft.

Den Preis für die beste Regie erhielt der Film «Capitaine Achab» von Philippe Ramos (Frankreich/Schweden), eine Fantasie über die Kindheit des Kapitän Ahab aus dem Roman «Moby Dick».

«Im internationalen Teil des Wettbewerbs sah man sehr gute, innovative und experimentelle Filme, es gab aber auch Enttäuschungen», so der Journalist Gino Buscaglia, Tessiner Filmkenner und –kritiker. «In diesem Bereich wäre mehr Aufmerksamkeit und Strenge angesagt.» Den japanischen Gewinner bezeichnete er als «bizarr, aber faszinierend».

«Zu den guten Filmen im Wettbewerb zähle ich «La Maison Jaune», «Slipstream» von Anthony Hopkins und «Sous les toits de Paris» mit dem ausgezeichneten Michel Piccoli als alten Einzelgänger. Auch «Extraordinary Rendition» ist ein bemerkenswertes Werk.»

Jury hatte es schwer

Die Jury unter der Leitung der französischen Schauspielerin Irène Jacob habe darauf geachtet, bei der Vergabe der Auszeichnungen den Geist des Festivals von Locarno zu berücksichtigen, hiess es am Festival.

«In der Gesamtheit der 19 Filme im Wettbewerb hat die Jury keine klare Linie in der Wahl der Wettbewerbsfilme erkennen können», sagte Irène Jacob. «So haben wir einheitliche Bewertungskriterien aufgestellt, die für alle Werke gelten.»

Es habe «dynamische, oft heftige Diskussionen» gegeben, bis man sich auf die preisgekrönten Filme habe einigen können.

Dass Michel Piccoli einen Preis verdiene, sei offensichtlich gewesen, so Jacob weiter. Doch habe man den Preis ex aequo auch an Michele Venitucci verliehen, um «die jungen Talente am Festival zu unterstützen».

Irène Jacob ging nicht weiter auf die anderen Preise ein, gestand aber, dass «die Jury manchmal Mühe hatte, dem roten Faden der offiziellen Selektion zu folgen».

Leopard für das Tessin

Zur Auszeichnung von Venitucci liess sich auch Gianfranco Helbling vernehmen. Als Mitglied der vorselektionierenden Kommission meinte er: «Dass der erste Darstellerpreis an Michele Venitucci geht, ist sehr wichtig. Denn es ist 30 Jahre her, dass letztmals ein Leopard im Tessin verblieb.»

Venitucci spielt einen Boxer im Film «Fuori dalle corde» des Tessiner Regisseurs Fulvio Bernasconi.

Sowohl Festivalpräsident Marco Solari als auch der Direktor Frédéric Maire äusserten sich zufrieden; der erstere mit den Publikumszahlen, der zweite mit den von der Jury prämierten Filmen, welche den Filmkritikern grossen Applaus entlockten.

Hohe Piazza-Eintrittspreise

Anlass zu Protesten und Beschwerden gaben dieses Jahr die Eintrittspreise von 32 Franken auf der Piazza Grande.

Ärger gab es an einigen Abenden zudem, weil vermeintlich mehr Billette verkauft als Stühle vorhanden waren.

«Die Auswahl der Filme für die Piazza Grande war diesmal sehr gut und dem grossen Publikum angepasst», sagt Gino Buscaglia: «Ich würde sagen, die Richtung, die Frédéric Maire einschlug, war die richtige.»

«Was die Strukturen des Festivals betrifft, sollte man künftig mehr auf die Piazza achten. Sie entwickelt sich nämlich immer mehr zur Reserve für VIPs, zum Schaden des grossen Publikums. Dieses wird vermehrt seitlich und hinten platziert. Die Piazza ist fürs Publikum bestimmt – und so sollte es auch bleiben.»

70’000 Piazza-Zuschauer

Die Zahl der Zuschauer auf der Piazza erreichte mit rund 70’000 nicht die Zahl des Vorjahres von 78’400.

Sie lagen aber leicht über derjenigen von 2005, als 68’800 Piazza-Eintritte gezählt wurden. Zwei Abende waren dieses Jahr von Regen beeinträchtigt.

swissinfo und Agenturen

Goldener Leopard: «Ai no yokan» von Masahiro Kobayashi, Japan

Silberner Leopard (Spezialpreis): «Memories» von Pedro Costa, Haroun Farocki und Eugène Green, Südkorea

Preis für beste Regie: «Capitaine Achab» von Philippe Ramos

Beste Darstellerin: Marian Alvares in «Lo mejor de mi»

Beste Darsteller: Michel Piccoli in «Sous les toits de Paris», und Michele Venitucci in «Fuori dalle corde»

Besondere Erwähnung: Cho Sang-Yoon, Kamera in «Boys of Tomorrow», Südkorea

Goldener Leopard «Cinéasten der Gegenwart»: «Tejut» von Benedek Fliegauf, Ungarn/Deutschland

Leopard für bestes Erstlingswerk: «Tagliare le parti in grigio» von Vittorio Rifranti, Italien

Leopard von morgen (Kurzfilm international): «Valuri» von Adrian Sitaru, Rumänien

Leopard von morgen (Kurzfilm Schweiz): «René» von Tobias Nölle

Bester Kurzfilm international: «Hoy no estoy» von Gustavo Taretto, Argentinien

Bester Kurzfilm Schweiz: «Ménagerie intérieure» von Nadége de Benoit Luthy

Publikumspreis: «Death at a funeral» von Frank Oz, USA/GB

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