Luzern feiert Herbert von Karajan
Herbert von Karajan war im Kulturleben von Luzern die überragende Figur. In vierzig Jahren dirigierte er am Lucerne Festival 67 Konzerte.
Zum 100. Geburtstag des Maestros geben die Berliner Philharmoniker in drei Städten Konzerte, die für von Karajan prägend waren: Berlin, Paris und Luzern. Ein Grund zum Festen und Gedenken.
Der erste Auftritt Herbert von Karajans in Luzern geht auf das Jahr 1948 zurück. Am 25. August dirigierte er Werke von Mozart, Brahms und Beethoven.
Er leitete zunächst das Schweizerische Festspielorchester und das Philharmonia Orchester.
Ab 1958 gastierte von Karajan mit den Berliner Philharmonikern in Luzern.
«Wir lassen Karajan an seinem 100. Geburtstag in Luzern nochmals gross aufblitzen, und wir sind stolz, dass bei dieser Gelegenheit die Berliner Philharmoniker in Luzern spielen», erklärt Michele Paparone, Sprecher des Lucerne Festivals, gegenüber swissinfo.
Die Kulturstrategen von Luzern wussten, was die Stadt an Herbert von Karajan hatte, und der Maestro war der Stadt verbunden, weil er kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Luzern dirigieren durfte.
Grosse Machtfülle
Es war ein Nehmen und Geben. Luzern verlieh Herbert von Karajan 1969 den städtischen Kunstpreis. Karajan schätzte die Kontinuität des Luzerner Musikfestivals. Im Verlauf von vielen Jahren wurde die Stadt an der Reuss für Karajan und seine Berliner Philharmoniker eine feste Grösse, «bei der jeder Konzertabend zu einem besonderen Ereignis wurde», wie der Maestro schrieb.
Herbert von Karajan baute sich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ämter- und Machtfülle auf, die in der Musikgeschichte ohne Beispiel ist.
Er war zum Teil gleichzeitig künstlerischer Leiter der Wiener Staatsoper, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, des Philharmonia Orchestra London und künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele. Der Maestro war auch den Wiener Philharmonikern eng verbunden.
Luzern in Festlaune
Luzern mischt beim runden Geburtstag von Karajan mit Konzerten, einer Matinée, einem Podiumsgespräch, einem Children’s-Corner und einem Filmzyklus mit.
Karajans Meisterschüler Seiji Ozawa wird in Luzern die Berliner Philharmoniker dirigieren, Anne-Sophie Mutter, die Geigerin, die Herbert von Karajan in Luzern entdeckt und gefördert hat, wird als Solistin auftreten.
Wird in Luzern je wieder eine so prägende Persönlichkeit dirigieren wie von Karajan?
«Das Lucerne Festival hat das Glück, heute gleich mit zwei Stardirigenten eng verbunden zu sein: mit Claudio Abbado und mit Pierre Boulez», meint Michele Paparone.
Dirigent und Klangmagier
Herbert von Karajan war ein prägender Dirigent des 20. Jahrhunderts, der nicht nur am Pult überzeugte. Er war ein Vorreiter für neue Aufnahmetechniken, ein begnadeter Klangmagier und Förderer junger Talente.
Von Karajan kümmerte sich in den Konzertsälen, aber auch im Aufnahmestudio um die Klangqualität und um die rauschfreie Klangdramatik seiner Orchester. Der Stardirigent hatte ein feines Gespür für die Bedeutung der neuen Medien und setzte sich für den Gebrauch visueller, ausdruckstarker Medien und neuer Audiotechnologien ein.
1965 begann er mit der Verfilmung von Konzerten und Opern. 1980 machte der Maestro mit Mozarts Zauberflöte seine erste digitale Aufnahme. Von Karajan liess sein vollständiges Repertoire auf Video-Disc aufnehmen, ein visuelles Medium, das ihm die schöpferische Kontrolle über Bild und Klang ermöglichte.
Karajans Erbe, Karajans Gegenwart
Mit seinem Tod am 16. Juli 1989 ging eine Ära der Musikgeschichte zu Ende. Am kommenden Sonntag wird in Luzern eine Gesprächsrunde, an der auch Anne-Sophie Mutter teilnimmt, über Leben und Werk des Maestros unter dem Arbeitstitel «Erbe und Gegenwart» diskutieren.
Die Berliner Philharmoniker und die Wiener Philharmoniker, die zwei wichtigsten Klangkörper, die von Karajan dirigiert hat, werden im laufenden Jahr in sieben Ländern und auf drei Kontinenten auftreten.
swissinfo, Erwin Dettling
Samstag, 26. Januar
Sinfoniekonzert: Berliner Philharmoniker
Ludwig van Beethoven, Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61
Violine: Anne-Sophie Mutter
Leitung: Seiji Ozawa
Pjotr. I. Tschaikowsky, Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 «Pathétique»
Filmzyklus 1
Maestro, Maestro. Herbert von Karajan
Filmzyklus 2
Karajan-Filmnacht mit Werken von Ludwig van Beethoven, Antonin Dvořák und Wolfang Amadeus Mozart
Sonntag, 27. Januar, Matinée
Es spielen die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker
Podiumsdiskussion:
Herbert von Karajan – Erbe und Gegenwart
Herbert von Karajan wurde am 5. April 1908 in Salzburg als Sohn eines Chirurgen geboren. Von 1916-1926 war er Schüler am Konservatorium Mozarteum in Salzburg. Von 1926-1928 studierte er an der Technischen Hochschule in Wien, am musikwissenschaftlichen Institut der Universität Wien und an der Wiener Akademie für Musik und Darstellende Kunst.
1930 wurde er in Ulm an der Donau Erster Kapellmeister am Stadttheater und im Philharmonischen Orchester. 1935 stieg er zum Generalmusikdirektor in Aachen auf.
In dieser Zeit trat Karajan mit der Mitgliedsnummer 3430914 der NSDAP bei, wie das «Berlin Document Centre» festhält. Das Kriegsende verbrachte er in Italien, um einem Einberufungsbefehl zur Kampfpropaganda-Truppe Südstern zu entgehen. 1946 sprach die sowjetische Besatzungsmacht wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft gegen von Karajan ein Berufsverbot aus, das im folgenden Jahr aufgehoben wurde.
1954 löste er Wilhelm Furtwängler als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker ab. Das Orchester führte er bis 1989. Unter der Naziherrschaft wurden die Berliner Philharmoniker zum «Reichsorchester» umfunktioniert.
Von Karajan dirigierte in den folgenden Jahrzehnten an allen wichtigen Schauplätzen der klassischen Musik. Er entwickelte sich nicht nur zum Stardirigenten, sondern auch zu einem gewieften Musikunternehmer und spielte bei den Plattenlabeln Decca, EMI und bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft unzählige Alben ein.
Am 16. Juli 1989 starb er im Alter von 81 Jahren in Salzburg.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch