Metzlers finale Abrechnung in Buchform
Ex-Bundesrätin Ruth Metzler hat am Mittwoch in Herisau ihr Buch vorgestellt, in dem sie mit Politik und Parteien abrechnet.
Mit der Veröffentlichung bricht sie mit der traditionellen Zurückhaltung, die sich alt Bundesräte auferlegen. Die Medien würdigen Metzlers Werk äusserst kritisch.
Alt Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold hat am Mittwoch im appenzellischen Herisau ihr Buch «Grissini & Alpenbitter» offiziell vorgestellt. «Ziel dieses Buches war nicht, eine Therapie zu machen und vergangene Dinge zu verdauen. Aber es zu schreiben, hat geholfen», sagte sie.
Sie habe ihr Buch nicht für Insider und das politische Bern geschrieben, sondern für ein breites Publikum, betonte sie vor einer grossen Anzahl Medienschaffender. Sie äusserte die Hoffnung, dass das Buch über ihre politische Amtszeit immer wieder zum Nachlesen anregen möge.
Bei den Medien durchgefallen
Sie bemängelte, dass die in der Presse erschienen Passagen sich auf ihre Abwahl beschränkten und nicht das ganze Buch thematisierten. Generell haben die Medien «Grissini & Alpenbitter» sehr kühl aufgenommen.
Der «Tages-Anzeiger» kommt zum Schluss: «Während die CVP Kritik kassiert, zeichnet sie von ihrem eigenen Wirken ein vorteilhaftes Bild. Wo es zu Fehlern kam, sieht sie sich als Opfer.»
Gleicher Meinung ist der «Blick»: «In ihrem Buch lästert sie über Bundesräte, Parteifreunde, Generäle, Parlamentarier, Wirtschaftsführer. Sie seien alle neidisch, ungerecht oder unprofessionell gewesen. Dafür erhält Ruth Metzler Dauerlob – von sich selber!»
«Das Buch zeigt, dass sie nie verstanden hat, wie die Politik in Bern funktioniert, und sie hatte nicht dieselbe Wellenlänge wie ihre Partei», urteilt der Genfer «Le Temps».
Ex-Chefredaktor kommentiert
Mit ihrem Buch hat Metzler als erstes Ex-Mitglied der Landesregierung mit der Zurückhaltung gebrochen, welche sich alt Magistraten bisher auferlegt haben. Und die Medien haben mitgespielt.
Peter Studer ist ein aufmerksamer Beobachter der Schweizer Medienszene. Der Präsident des Presserats und ehemalige Chefredaktor von «Tages-Anzeiger» und Schweizer Fernsehen DRS, ordnete das Buch im Gespräch mit swissinfo ein:
Ist diese Art von Buch eine Erscheinung des Zeitgeistes oder eher darauf zurückzuführen, dass mit Ruth Metzler eine junge Frau mitten aus dem Erwerbsleben abgewählt worden ist?
Ich glaube, es ist schon ein Fall des Zeitgeistes, der Personalisierung der Politik und auch des Versuchs, auf dem Medienmarkt mit Bekenntnissen zu punkten. Dazu kommt natürlich, dass Frau Metzler eine «interessante Persönlichkeit» ist.
Hängt das grosse Echo mit dem immer härteren Konkurrenzkampf der Medien und dem Trend zum Infotainment zusammen?
Vor fünfzig Jahren wäre wahrscheinlich kein solches Buch herausgekommen. Nicht zuletzt weil die Politik damals weniger auf solche Aspekte ansprach.
Andererseits muss man sagen, die CVP ist im Moment ein Klinik-Fall. Und wenn es einer Partei so schlecht geht , und aus dem Buch von Frau Metzler vielleicht gewisse Rückschlüsse gezogen werden können, dann weckt das natürlich auch ein durchaus legitimes politisches Interesse.
Wird die Personalisierung der politischen Akteure noch weiter fortschreiten?
Es ist natürlich so, dass auch die Politiker den Schutz des Persönlichkeits-Rechts geniessen. Auch der Presserat sagt in seinen Richtlinien und Journalisten-Pflichten, dass Prominente ebenfalls Anspruch haben, dass man nicht allzu tief in ihr Privatleben und in ihre Intimsphäre eindringt.
Nur hier hat ja Frau Metzler selber das Bekenntnis geschrieben, das ist natürlich etwas anderes.
Interview: swissinfo, Christian Raaflaub
«Grissini & Alpenbitter» von Ruth Metzler-Arnold.
Geschrieben auf Elba, 368 Seiten, 46 Franken.
Ab Donnerstag im Handel.
In zehn Wochen hat Ruth Metzler «Alpenbitter & Grissini» geschrieben.
Erste Auszüge erschienen in der Sonntagspresse vergangener Woche.
Von den 20’465 gedruckten Exemplaren sind 15’000 schon verkauft. Das sind über zwei Drittel.
Der Verleger Marcel Steiner sieht eine zweite Auflage für Juni vor.
Eine französische Übersetzung mit demselben Titel soll im Herbst erscheinen.
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