Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Migrantenkinder haben ein Recht auf ihre Muttersprache

visum

Anlässlich des UNO-Tags der Muttersprache forderte eine Schweizer Interessengemeinschaft, dass Kinder mit Migrationshintergrund Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur erhalten sollen.

Gemäss der UNO sind über 50% der weltweit 6700 gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht.

Die Interessengemeinschaft Erstsprachen (IG E!) nahm sich am Donnerstag den UNO-Tag der Muttersprache zum Anlass, um an einer Medienkonferenz in Bern auf ihr Anliegen hinzuweisen: den Erstsprachen in Schule und Gesellschaft zu einem höheren Stellenwert zu verhelfen.

Die Sprachenvielfalt in der Schweiz müsse zu einem zentralen Auftrag des Schweizer Bildungswesens werden, fordert die IG E!.

Die Erstsprachenkurse führten in etlichen Kantonen immer noch eine Randexistenz.

Positive Auswirkung auf Integration

Die IG E! begrüsst es deshalb, dass die Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) von den kantonalen Erziehungsdirektoren inzwischen ins neue Schulkonkordat HarmoS (Harmonisierung der obligatorischen Schule) aufgenommen wurden. Die Kantone müssten nun unverzüglich die notwendigen Massnahmen in die Wege leiten.

Vom Bund erwartet die IG E! im Rahmen des neuen Sprachengesetzes eine grosszügige und rasche finanzielle Unterstützung der Kantone bei der Umsetzung.

Die Vorteile der Erstsprachen-Förderung sind nach Ansicht der Interessengemeinschaft vielfältig: Sie erleichtere den Erwerb der Zweitsprachen und erhöhe damit allgemein den Schulerfolg. Zudem erleichtere sie den Kindern die Identitätsfindung in zwei Kulturen.

Dies wiederum wirke sich positiv auf die private und berufliche Integration aus, sagte die HSK-Lehrerin Selin Öndül. Und eine gute Integration diene nicht zuletzt auch der Gewaltprävention, ist sie überzeugt.

Wirtschaftlicher Nutzen

Die Sprachenvielfalt in der Schweiz stellt nach Ansicht der IG E! ein grosses Potenzial dar. Nicht zuletzt werde die Schweiz auch als Wirtschaftsstandort von diesem Sprachschatz profitieren, sagte Urs Loppacher, der Vertreter des Verbands des Personals öffentlicher Dienste (vpod).

Er erwähnte eine deutsche Studie, wonach fehlende Sprachkenntnisse bei vielen kleinen und mittleren Betrieben den Abschluss von Auslands-Verträgen verhinderten.

Die im September 2007 gegründete IG E! ist ein Zusammenschluss von rund 40 interessierten Organisationen und zahlreichen Persönlichkeiten aus Bildung, Wissenschaft und Migration mit Sitz beim vpod in Zürich.

Kantone haben noch viel zu tun

Dass in Sachen Erstsprachen-Unterricht noch viel getan werden muss, zeigt eine letztes Jahr durchgeführte Umfrage des vpod bei den Kantonen und im Fürstentum Liechtenstein.

Demnach werden HSK-Kurse in 35 Sprachen angeboten, in der Regel einmal wöchentlich zwei bis drei Stunden. Nur in 16 Kantonen sind die Kurse und die Zuständigkeiten gesetzlich oder sonst geregelt. Eine Vorbildfunktion hat der Rahmenlehrplan des Kantons Zürich, der mittlerweile von fünf anderen Kantonen übernommen wurde.

An die Finanzierung tragen die Kantone in der Regel nichts bei. Ausnahmen (kantonale Teil- oder Mitfinanzierungen) sind befristete Finanzhilfen etwa aus dem Lotteriefonds, das Bezahlen von Schülertransporten oder die projektbezogene Anstellung einzelner HSK-Lehrpersonen in Zürich und Basel.

Vereinzelt leisten Herkunftsländer einen Beitrag. Oft werden die Kosten aber auf die Eltern abgewälzt.

swissinfo und Agenturen

Gemäss der UNO sind über 50% der weltweit 6700 gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht.

96% der Sprachen werden von nur rund 4% der Weltbevölkerung gesprochen.

Laut der UNO gelten in Australien 110 der 250 einheimischen Sprachen als bedroht, lediglich 18 können als «standfest» bezeichnet werden. So wird etwa heute das Bunuba bloss noch von 100 Personen gesprochen.

Wie die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) berichtet, ist Indien um Sprachenvielfalt in der Bildungspolitik bemüht. 1650 Sprachen werden in Indien gesprochen, an erster Stelle stehen Hindi und Englisch.

Ainu, eine Sprache, die insbesondere im Norden Japans und auf den russischen Inseln Sachalin und den Kurilen gesprochen wird, konnte nur dank verschiedener Anstrengungen Ende der 1990er-Jahre vor dem Aussterben gerettet werden.

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