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Mit Pauken und Trompeten für die Musik

Hauptprobe vor der grossen Weihnachtsmesse. Keystone

Mit musikalischer Begleitung hat ein Komitee am Donnerstag bei der Bundeskanzlei in Bern die Volksinitiative "Jugend + Musik" eingereicht. Analog dem bewährten Programm "Jugend + Sport" soll die musikalische Bildung gefördert werden.

Auch wenn in der Weihnachtszeit wieder allenthalben Lieder unter dem Tannenbaum erklingen, spielt die Musik in immer weniger Schweizer Familien die erste Geige.

«Es ist Tatsache, dass zu Hause immer weniger miteinander musiziert und gesungen wird», sagt die freisinnige Ständerätin Christine Egerszegi, Präsidentin des Initiativkomitees «Jugend + Musik».

Gemäss verschiedenen Studien begünstigt besonders das aktive Musizieren intellektuelle Entwicklung und soziale Kompetenz von Kindern und Jugendlichen.

«Es ist aber auch Tatsache, dass die Musikausbildung an den pädagogischen Hochschulen nicht mehr gewährleistet ist. Und so verschwindet eine Art kulturelles Wirken nach und nach. Da soll die Initiative Gegensteuer geben.»

Eine Initiative soll also die musikalische Bildung in der Schweiz wieder aufbessern. Diese Idee scheint anzukommen: Innerhalb von kurzer Zeit ist es dem breit abgestützten Komitee gelungen, 145’000 gültige Unterschriften für ihr Begehren zu sammeln.

Modell «Jugend + Sport»

Die Initiative lehnt sich stark an das seit Jahrzehnten etablierte Programm «Jugend + Sport» (J+S) an.

Gleich wie der Sport soll in Zukunft die Musikausbildung mit einem Grundangebot und Weiterbildungsmöglichkeiten gefördert werden. Heute ist der Musikunterricht für viele Eltern zu teuer.

«Auf der einen Seite soll der Musikunterricht in der Grundschule eine Selbstverständlichkeit werden wie die sportliche Ausbildung», erklärt Egerszegi.

«Auf der anderen Seite sollen begabte Kinder Zusatz-Unterricht erhalten, der die Eltern nicht allzu sehr belastet. Und wir brauchen für Hochbegabte ein Zentrum, wie es das auch für den Sport gibt.» Sie spricht dabei das Eidgenössische Sportzentrum in Magglingen an.

Weil sich die Initiative an J+S anlehnt, lässt Egerszegi auch die Kritik nicht gelten, die verlangte Verfassungsänderung sei zu undeutlich formuliert: «Der Initiativtext wurde analog gebildet zum Verfassungsartikel über Jugend + Sport», betont sie.

«Er lässt Freiheiten offen, weil die Bildung primär in kantonaler Kompetenz ist. Deshalb legt der Bund zusammen mit den Kantonen dann die Eckwerte fest.»

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Gleich lange Spiesse

J+S wird vom Bund mit jährlich über 60 Millionen Franken unterstützt. Für die Musik schwebt den Initianten ein ähnlicher Betrag vor.

«Die sportliche Erziehung und Bildung ist etwas Wichtiges», sagt Egerszegi. «Aber in der musikalischen Bildung kann genau gleich die Intelligenz und das soziale Verhalten gefördert werden.»

Schulen gefordert

Besonders gefordert sind mit der Initiative die Schulen. Sie müssten schliesslich den Musikunterricht umsetzen.

«Natürlich sind nicht alle gleichermassen begeistert», sagt Egerszegi, die auch Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe Musik ist.

«Aber wir müssen sehen: Diese Initiative ist wirklich eine Volksinitiative: Sie wird getragen vom Schweizer Musikrat, bei dem alle andern Musikverbände angeschlossen sind, das sind ungefähr 650’000 Mitglieder.»

Zudem hat das Komitee namhafte Unterstützung erhalten. Zahlreiche Musikerinnen und Musiker, von der Opernsängerin Noëmi Nadelmann über den Liedermacher Peter Reber bis zum Rock-Chansonnier Stephan Eicher.

Den Vorwurf des populistischen Stimmenfangs mit bekannten Namen will sich Egerszegi aber nicht gefallen lassen: «Wir haben auch den Chef der Militärmusik, wir haben Graziella Contratto als junge Dirigentin. Wir haben die ganze Musikszene: von der Jazz-Schule bis zum Blasmusikverband.»

swissinfo, Christian Raaflaub

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Der Bund und die Kantone führen mit den Schweizer Sportverbänden die Institution Jugend + Sport, die 1972 aus dem «Militärischen Vorunterricht» hervorgegangen ist.

Jährlich beteiligen sich rund 550’000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren an über 50’000 Sportkursen und Sportlagern in 75 Sportarten.

Das J+S-Budget für Vereine und Schulen beläuft sich 2009 auf 66 Mio. Franken.

In der Schweiz sind hauptsächlich die Gemeinden und Kantone zuständig für die Bildung und damit auch für den Bereich Musik.

Laut der Bundesverfassung kann die Eidgenossenschaft jedoch «kulturelle Aktivitäten von nationalem Interesse unterstützen und den künstlerischen und musikalischen Ausdruck fördern, namentlich mittels Bildung».

Im Kindergarten wird hauptsächlich auf musikalische und rhythmische Schulung, auf Kinderlieder und Reimspiele gesetzt.

In der Grund- und Mittelstufe sind eine bis zwei obligatorische Lektionen pro Woche für Musik eingeplant. In einigen Kantonen können zusätzlich freiwillige Lektionen besucht werden.

Nach der obligatorischen Schulzeit ist es in vielen Kantonen nur noch eine Lektion pro Woche.

Im Gegensatz zu den Gymnasien gibt es in Berufsschulen keine obligatorische Musikschulung.

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