Ruth Schweikert war eine unermüdliche Forscherin
Sie trieb ihre Texte in die Tiefe und forschte nach den gesellschaftspolitischen Zusammenhängen hinter Einzelschicksalen. Ihr Werk blieb schmal, weil sie sich auch kulturpolitisch engagierte. Nun ist die Schweizer Autorin Ruth Schweikert im Alter von 57 Jahren gestorben.
Ruth Schweikert gehörte zu den profiliertesten Schweizer Autorinnen. Und sie war der Meinung, dass kulturelle Arbeit gesellschaftliches Mitgestalten bedeute. Weil Kunst in der Öffentlichkeit stattfinde, seien alle Kulturschaffenden politisch tätig, sagte sie einmal.
Mit dieser Haltung war sie viereinhalb Jahre lang Präsidentin von Suisseculture, dem Dachverband der schweizerischen Kulturschaffenden-Organisationen, 2015 kandidierte sie auf einer Liste von Künstlerinnen und Künstlern für den Nationalrat.
Engagierte Literatur geht über Schreiben hinaus
Sie setzte sich zum Beispiel dafür ein, dass auch Förderbeiträge und Preise pensionskassenpflichtig wurden. Über solches Engagement hinaus waren ihr geteilte Wertschätzung und die Unterstützung der Arbeit anderer wichtig. So unterrichtete sie als Dozentin am Literaturinstitut in Biel viele Jahre angehende Autorinnen und Autoren.
«Als Künstler muss man grundsätzlich grosszügig sein», fand sie. «Man muss etwas zu geben haben.» Gleichzeitig war sie der Meinung, dass Schreiben einen grossen inneren Raum, einen Freiraum brauche. Um diesen kämpfte sie von Beginn an.
Ein gnadenloses Debüt
Ruth Schweikert wurde unmittelbar nach Ende des Gymnasiums Mutter, hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, besuchte die Schauspielschule, brach sie ab, wurde wieder Mutter und debütierte 1994 mit Erzählungen, die so gnadenlos waren, dass sie weit über den Literaturbetrieb hinaus Furore machten.
Ruth Schweikert wurde 1965 in Lörrach geboren und wuchs in Aarau auf. Ihre Mutter war Deutsche, ihr Vater Schweizer, der zwei weitere Kinder mit einer anderen Frau hatte. Schweikert verarbeitete dieses Familiengeheimnis später im Roman «Wie wir älter werden» (2015).
Nach der Matura absolvierte Ruth Schweikert eine Theaterausbildung in Ulm und begann später ein Germanistikstudium, das sie abbrach. Früh Mutter geworden, schrieb sie lange Zeit in prekären Verhältnissen.
Sie war mit dem Dokumentarfilmer Eric Bergkraut verheiratet, mit dem sie die Familienkomödie «Wir Eltern» über das Zusammenleben mit drei ihrer fünf Söhne drehte (2020).
2016 erhielt Ruth Schweikert den Schweizer und den Solothurner Literaturpreis, 2022 den Schillerpreis.
«Erdnüsse. Totschlagen» erzählt in sieben Geschichten von haltlosen jungen Müttern. Das Buch verknüpft die Schilderung prekärer Frauenleben mit gesellschaftlichen Tiefenbohrungen. Die Sprache – nüchtern, hart, aber auch warm – zieht einen sofort in ihren Bann.
Recherche statt Autobiografie
Ruth Schweikerts gnadenlos genauer Blick und ihr Drang, ihre Stoffe bis in die feinsten Verästelungen zu erforschen, prägten auch alle ihre weiteren Bücher.
Sie könne nur über etwas schreiben, was sie angehe, und gleichzeitig nur über etwas, was sie nicht schon kenne. Ihre Texte seien daher weniger Autobiografie als Recherche.
Zuletzt erschien von Ruth Schweikert der Bericht «Tage wie Hunde» (2019). Darin erzählte sie von ihrer Brustkrebs-Erkrankung und stellte sie auch in einen gesellschaftlichen und kulturellen Rahmen.
Sie überwand den Krebs, aber er kam zurück, diesmal als Hirntumor. Am Sonntag nun ist Schweikert ihrer Krebserkrankung erlegen, wie ihr Ehemann Eric Bergkraut gegenüber der Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte.
So ist eine der eigenwilligsten und pointiertesten Schweizer Autorinnen viel zu früh gestorben.
Ruth Schweikerts Werk blieb schmal, wurde aber breit wahrgenommen. Sie debütierte mit dem Erzählband «Erdnüsse. Totschlagen» (1994), der hohe Wellen warf.
Es folgten die Romane «Augen zu» (1998, über eine junge Frau auf Identitätssuche), «Ohio» (2005, über das tragische Ende einer Ehe), «Wie wir älter werden» (2015, eine Familiensaga) sowie der Krebsbericht «Tage wie Hunde» (2019).
Ruth Schweikert schrieb auch ein Theaterstück, «Welcome home», das 1998 am Zürcher Theater Neumarkt uraufgeführt wurde. Zudem publizierte sie in Anthologien, Zeitschriften und Zeitungen.
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