Neuer Festival-Direktor zeigt Richtung an
Der neue Direktor des Filmfestivals Locarno, der Neuenburger Frédéric Maire, kündigt einige Änderungen im Festivalkonzept an.
Im Gespräch mit swissinfo betont Maire, den Film wieder ins Zentrum des Anlasses rücken zu wollen.
Letzten Sonntag ist die Ernennung von Frédéric Maire zum neuen Direktor des Filmfestivals Locarno bekannt geworden. Maire folgt auf die italienische Journalistin Irene Bignardi, die nach fünf Jahren wieder einmal tief Atem holen und sich dann auf andere Projekte konzentrieren möchte.
Maire, der aus Neuenburg kommt, begann seine Laufbahn mit der Produktion von Kurzfilmen. Später arbeitete er als Filmkritiker.
Er spricht fliessend Italienisch, und in Locarno kennt man ihn bereits bestens. In den 80er- und 90er-Jahren arbeitete er im Medienbüro des Festivals und war später Mitglied der Programm-Kommission.
Maire hat 1992 den Filmclub für Kinder, «Zauberlaterne», mitbegründet.
swissinfo: Herr Maire, wie fühlt man sich als neuer Direktor des Filmfestivals Locarno?
Frédéric Maire: Natürlich bin ich sehr glücklich. Ich habe bisher viel für dieses Festival getan, zusammen mit den früheren Direktoren Irene Bignardi, Marco Müller und David Streiff.
Dennoch werde ich wie ein junger Student lernen, was ein Filmfestival ist, und wo Locarno in der Welt der Festivals positioniert steht.
Locarno empfinde ich als ein spezielles Festival, weil es für die Zuschauerinnen und Zuschauer einfach ist, mit dem Direktor zu diskutieren oder mit ihm etwas trinken zu gehen. Dieser informelle Umgang ist sehr speziell.
Locarno ist also das Festival von morgen. Es soll weder Berlin noch Cannes noch Venedig konkurrieren, sondern als separater Anlass dienen, an dem Filme zu sehen sind, die vielleicht später dann an den anderen Festivals zu sehen sein werden.
swissinfo: Was sind Ihre Pläne für das Festival? Werden Sie Änderungen im Ablauf vornehmen?
F. M.: Nach David Streiff, Marco Müller und Irene Bignardi müssen wir eine Art von Kontinuität finden. Wir wollen die Vergangenheit nicht einfach kippen und etwas Neues beginnen. Für mich ist es wichtig, dem Pfad, den meine Vorläufer eingeschlagen haben, zu folgen.
Ich werde einige Dinge ändern. Doch die Piazza Grande und der Wettbewerb bleiben, wie sie sind. Die Änderungen beziehen sich eher auf die filmische Seite. Wir möchten die Filme ins Zentrum des Festivals rücken, alles andere soll sich daraus ableiten.
Das heisst zum Beispiel, nicht über ein bestimmtes Thema nur deshalb zu debattieren, weil es spannend ist, sondern wir nehmen einen Film zum Anlass, um über dieses Thema zu sprechen.
swissinfo: Welches sind die wichtigsten Herausforderungen, die auf Sie warten?
F. M.: Davon gibt es viele. Eine der ersten Herausforderungen besteht darin, die Beziehungen zu den Filmverleihern neu aufzugleisen. Gegenwärtig sind sie auf Locarno nicht besonders gut zu sprechen. So hoffe ich denn, ins Gespräch zu kommen und eine neue Beziehung mit ihnen aufzubauen.
Es erscheint mir wichtig, dass die Distributoren ebenfalls am Festival mitmachen, da sie ja im Grunde genommen einen ähnlichen Job ausüben wie wir hier auch: Filme für ein Publikum aussuchen.
Und da wir schon mehr oder weniger denselben Job machen, können wir auch gleich vermehrt zusammen arbeiten.
swissinfo: Wird es schwierig, die scheidende Direktorin Irene Bignardi zu ersetzen?
F. M.: Bignardi arbeitet als Publizistin, als Kritikerin, als Schreiberin – sie ist eine grosse cineastische Figur. Sie verfügt auch über viel Charisma. Wenn man sich mit ihr trifft, spürt man, dass sie für den Film lebt und wie stark sie daran glaubt.
Kann sein, dass ich nicht immer dieselben Filme mag wie sie. So werde ich wohl einige Aspekte auswechseln, weil unser Geschmack nicht derselbe ist – aber das empfinde ich als normal.
Doch wir sprechen viel vom Glanz und Glamour des Festivals. Ich denke, den besten Glamour, den Locarno unter der Direktion von Bignardi hatte, ist Bignardi selbst. Sie war und ist auch heute noch der Glanz von Locarno.
swissinfo-Interview: Isobel Leybold-Johnson, Locarno
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Frédéric Maire wurde 1961 in Neuenburg als Kind eines Schweizer Vaters und einer italienischen Mutter geboren.
Er ist verheiratet und hat eine Tochter.
Er begann 1979, für das Westschweizer Fernsehen Kurzfilme zu realisieren, seit 1983 ist er Filmjournalist.
Später engagierte er sich für das Locarno-Filmfestival, und arbeitete eng mit Irene Bignardis Vorgänger Marco Müller zusammen.
1992 war er einer der Mitbegründer des Kinder-Filmclubs «Zauberlaterne».
Maire beginnt seinen Job am 1. Oktober. Sein Vertrag läuft drei Jahre und ist erneuerbar.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch