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Neues Mediengesetz für digitales Zeitalter

Auch im neuen Gesetz behält die SRG ihre starke Stellung. Keystone Archive

Das neue Radio- und Fernseh-Gesetz soll die heutige Medienrealität berücksichtigen. Nun hat der Nationalrat erste Pflöcke gesetzt.

Wichtigste Neuerungen: Privatsender sollen für Wein und Bier werben dürfen – und für Religion und Politik. Die Gebührengelder werden neu verteilt.

Satelliten und Internet haben die elektronische Kommunikation in den letzten Jahren grundlegend verändert. Die Welt der elektronischen Medien ist einem konstanten Wandel unterworfen. Schon heute haben rund 90% der Schweizer Haushalte Zugriff auf gegen 50 TV-Kanäle. Mit der weiteren Entwicklung der Digital-Technik wird das Angebot an Kanälen in die Hunderte steigen.

Der Schweizer Markt ist viel zu klein, um einer Vielzahl von Programmen das Überleben sichern zu können. Seit der Deregulierung des Medienmarktes in den umliegenden europäischen Ländern verlor die inländische Produktion in der Schweiz zunehmend an Boden.

Der Zeit anpassen

Das neue Radio- und Fernseh-Gesetz (RTVG) soll sicherstellen, dass auch in Zukunft eine inländische Radio- und TV-Produktion von hoher Qualität und mit ausreichender Publikums-Beachtung möglich sein soll. Der Service Public soll stark bleiben, während die Vorschriften für die privaten Anbieter gelockert werden.

So richtig begeistert ist auch nach der Debatte im Nationalrat niemand, doch die Kritik hält sich in Grenzen. Private Anbieter und die SRG SSR idée suisse zeigen sich prinzipiell zufrieden. Hingegen kritisieren das Blaue Kreuz und die Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme (SFA) die Aufhebung des Alkohol-Werbeverbots.

Rückweisung gescheitert

Das Geschäft zieht sich seit Jahren hin, der Gesetzesentwurf war so umstritten, dass vor der Frühjahrssession gar befürchtet wurde, die Vorlage könnte an die Regierung zurückgewiesen werden, wie dies die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Freisinnigen tun wollten.

Der zuständige Bundesrat, Medienminister Moritz Leuenberger, unterstrich in der Eintretens-Debatte, die Vorlage sei für den Zusammenhalt des Landes, für das eigentliche Selbstverständnis der Schweiz mit ihren vier Sprachen und vielen Kulturen von ausschlaggebender Bedeutung.

Die Schweiz sei bei den elektronischen Medien dem Ausland gegenüber in aussergewöhnlichem Masse exponiert. Die grössten Konkurrenten der SRG SSR idée suisse seien im Ausland.

Daher beharre der Bundesrat auf einem starken nationalen Veranstalter und wolle die Kräfte nicht aufsplittern.

Die Rückweisungs-Anträge wurden schliesslich abgewehrt und der Rat machte sich an die Detail-Beratung.

Bibel und Parteibuch ja, Schnaps und Zigaretten nein

Zu den gewichtigsten Änderungen gehört der Beschluss des Nationalrats, Privatsendern in Zukunft sowohl Werbung für Wein und Bier zu erlauben, als auch für Politik und Religion. Untersagt bleibt die Werbung für Spirituosen und Tabak.

Diese Lockerungen sollen nur für lokale und regionale Veranstalter gelten, die Schweizer Werbefenster ausländischer Anstalten dürfen solche Werbung weiterhin nicht schalten, werden also behandelt wie die SRG.

Mit diesem Beschluss wird möglicherweise das einschlägige europäische Übereinkommen verletzt. Der Nationalrat war sich dieses Problems bewusst, mit dem sich nun der Ständerat befassen muss.

Beibehalten wird ein allgemeines Werbeverbot für Kindersendungen.

Angst vor «amerikanischen Verhältnissen»

Vergeblich hatte sich die Linke unter Hinweis auf Jugendschutz und Prävention gegen Alkohol-Werbung und mit staatspolitischen Argumenten gegen die politische Werbung ausgesprochen. So fiel etwa der warnende Satz vor «amerikanischen Verhältnissen».

Auch Leuenberger warnte vergeblich vor den staatspolitischen Folgen einer Liberalisierung der politischen Werbung.

Die Vorlage ist nicht einfach, der Rat musste mehr als einmal auf seine Beschlüsse zurückkommen. So war den Abgeordneten unter anderem der Lapsus unterlaufen, der SRG politische und religiöse Werbung zu erlauben.

In Sachen Werbung wurde die SRG mit weiteren Einschränkungen bedacht: So dürfen Spiel- und Fernseh-Filme auf SRG-Sendern nicht mehr durch Werbung unterbrochen werden. Auch ihre Radio-Programme sollen werbefrei bleiben; entgegen Plänen aus bürgerlichen Kreisen dürfen sie jedoch weiter auf Sponsoring setzen.

Gebührensplitting unbestritten

Mit klarer Mehrheit bekräftigte der Rat, dass die Programme der SRG SSR idée suisse weiterhin in den drei Landessprachen verbreitet werden.

Unbestritten war auch der Antrag lokaler Privatsender, einen grösseren Anteil der SRG-Gebühren (Gebühren-Splitting) zu erhalten. Dies als Abgeltung für Programmleistungen, die zum Service Public gezählt werden.

Neu sollen solch regionale Private bis zu 4 Prozent der Gebührengelder der SRG erhalten. Dies sind bis zu 44 Mio. Franken, viermal mehr als bisher.

Sozusagen in swissinfo-eigener Sache: Ebenfalls im RTVG geregelt ist der Auftrag des Bundes an die SRG, ein Programm auszurichten, das sich in erster Linie an Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen richtet. Der neue Artikel 31 legt fest, dass sich der Bund «in der Regel» zur Hälfte an den Kosten beteiligt, die andere Hälfte muss von der SRG aufgebracht werden.

Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Die Kleine Kammer dürfte sich in der Herbstsession mit dem Gesetz befassen.

Gegen den Beschluss des Parlaments kann noch das Referendum ergriffen werden. Das RTVG dürfte nicht vor Mitte 2005 in Kraft treten.

swissinfo, Rita Emch

Die Schweizer Radio- und TV-Landschaft unterscheidet sich in vielen Punkten von den ausländischen Märkten.

Eine starke Position hat der Service public. In keinem anderen europäischen Land kann das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen im Vergleich zu privaten Anbietern derart hohe Einschaltquoten vorweisen.

Von der Verbreitung über Kabel profitieren die ausländischen Anbieter überproportional: Der Marktanteil ausländischer Programme liegt in der Schweiz bei rund 60%.

Der Schweizer Radio- und TV-Markt ist öffentlich-rechtlich dominiert
Die SRG SSR idée suisse bietet 7 TV- und 18 Radioprogramme in 4 Sprachen
3 sprachregionale TV-Sender sind gescheitert (Tele 24, TV3, RTL-PRO7), ein neuer (U1) ist gestartet
Sprachregional können sich einzig Spartensender halten wie VIVA Schweiz (Musik), Star TV (Film) und das Schweizer Fenster von SAT.1 (hauptsächlich Sport)
Ein gutes Dutzend private lokale TV-Stationen hat sich auf lokale Nachrichten spezialisiert

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