Niki de Saint Phalle ist tot
Die französisch-amerikanische Plastikerin und Malerin Niki de Saint Phalle ist im Alter von 71 Jahren nach langer schwerer Krankheit in San Diego, USA, gestorben.
Das teilte am Mittwoch die Stadt Hannover mit, die Niki de Saint Phalle nach einer namhaften Schenkung von 300 Werken zur Ehrenbürgerin gemacht hatte. In der Schweiz war die Künstlerin durch ihre Arbeitsgemeinschaft mit ihrem zweiten Ehemann Jean Tinguely bekannt geworden.
Niki de Saint Phalle war die Schöpferin der prallbusigen «Nanas», die rund um die Welt ausgestellt sind. Mit dem «Schutzengel» hängt eine im Zürcher Hauptbahnhof. Die Plastik-Matronen kosteten ihre Schöpferin freilich auch die Gesundheit: Saint Phalle, die bei der Arbeit mit verschiedenen Kunststoffen keine Sicherheits-Vorkehrungen beachtete, atmete jahrelang giftige Dämpfe ein und litt schliesslich unter einem lebensgefährlichen Emphysem.
Einzig die Arbeit in frischer Luft in der Toskana, wo sie sich einen Zaubergarten mit zahlreichen bewohnbaren Nanas schuf, brachte ihr zeitweise Linderung.
«Die grösste Hure der Welt»
Niki de Saint Phalle, die immer wieder betonte, dass ihr Name kein Pseudonym sei, war 1966 auf einen Schlag weltberühmt geworden, als sie im Moderna Museet in Stockholm «die grösste Hure der Welt» schuf, wie sie diese mit mütterlicher Liebe nannte: sechs Tonnen schwer, 27 Meter lang, und zwischen den Schenkeln ein klaffendes Loch, durch das über 100’000 Menschen in sie eindrangen.
Das Innere der überdimensionierten Femme Fatale sollte nach ihrem Vorschlag als Bar, Bibliothek, Bordell oder Kapelle benutzt werden. Die gewaltige Skulptur wurde die berühmteste der vielen «Nanas».
Aus altem Rittergeschlecht
Mit ihren überdimensionalen Arbeiten protestierte Niki de Saint Phalle gegen eine Gesellschaft, die der Frau nur die zweite Rolle zuweist. In ihrem anfänglich in der Psychotherapie als Identitätsfindung entstandenem Werk, das man dem Neo-Realismus zurechnet, kreuzen sich Zeitströmungen und ihre eigene Lebensgeschichte.
Niki de Saint Phalle, die Kreuzritter zu ihren Ahnen zählt, wurde in einer Bankiers-Familie im vornehmen Neuilly-sur-Seine bei Paris geboren und verbrachte ihre Jugend in New York. Mit 18 Jahren heiratete die Klosterschülerin den US-Schriftsteller Harry Mathews. Das Ehepaar, das sich 1960 trennte, lebte in Spanien und studierte Kathedralen und Museen.
Bizarre Künstler wie der phantastische spanische Baumeister Gaudi und das «Ideale Palais» des naiven Bildhauers «Facteur Cheval» im französischen Hauterives sowie Pollok und Rauschenberg, Dubuffet, Yves Klein und natürlich Tinguely beeinflussten Niki de Saint Phalle. Ihre «Schiessbilder», bei denen die Künstlerin und Galeriebesucher bei einem Happening mit Karabinern auf Farbbeutel zielten, machten sie 1961 berühmt und öffneten ihr bedeutende Museen.
Tarotgarten als Lebenswerk
1964 entstand in Paris die erste «Nana», ein unförmiges Fruchtbarkeits-Symbol. 1972 schuf sie in Jerusalem den «Golem» Im folgenden Jahr entstand der «Drachen», ein «Kinderhaus» in Belgien. «Nana Boa» heisst ein 1988 im Auftrag des einstigen Bürgermeisters François Mitterrand im französischen Ort Château Chinon errichteter Brunnen. Ein «Baum mit Schlangenköpfen» steht seit 1989 in Long Island.
Künstlerische Arbeitsgemeinschaft
Mit ihrem 1991 verstorbenen Lebensgefährten und Ehemann Jean Tinguely verband Niki vor allem eine lebenslange künstlerische Arbeitsgemeinschaft. Gemeinsam schmückten die Beiden etwa in Paris den Strawinsky-Brunnen vor dem Pompidou-Zentrum mit wasserspeienden Maschinen und grellbunten Monstern.
In Freiburg entstand in der Garage «du Bourg» der «Espace Jean Tinguely/Niki de Saint-Phalle», in dem einige Hauptwerke des Freiburgers Tinguely und seiner Witwe de Saint Phalle vereinigt wurden.
swissinfo und Agenturen
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