Schlacht von Murten wird weltgrösstes Digitalbild
Ein Labor der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne digitalisiert derzeit das Panorama der Schlacht von Murten. Es wird das weltweit grösste Digitalbild eines physischen Objekts sein. Über den Rekord hinaus wird es die Grundlage für völlig neue interaktive Erlebnisse mit diesem Juwel des schweizerischen und internationalen Kulturerbes bilden.
Das Panorama der Schlacht von Murten ist ein Rundbild, das den Sieg der Schweizer Kantone über den Herzog von Burgund, Karl den Kühnen, im Jahr 1476 darstellt.
Das Werk des deutschen Malers Louis Braun aus dem Jahr 1893 ist gigantisch: Die Leinwand ist 10 Meter hoch und 100 Meter lang, was einer bemalten Fläche von 1000 m² entspricht. Sie ist auf drei Rollen verteilt, von denen jede 700 kg wiegt.
Das Gemälde, das rund 20 Jahre in einem Militärbunker im Berner Oberland lagerte, wurde nun konserviert. «Der allgemeine Zustand des Gemäldes ist sehr zufriedenstellend, vor allem weil die Farben durch die Lagerung im Dunkeln erhalten geblieben sind und wir keine bösen Überraschungen erlebt haben», sagt Restaurator Olivier Guyot.
Eine technische Meisterleistung
Nicht nur die Dimensionen des Originalgemäldes sind beeindruckend, sondern auch die Digitalisierung, die das Labor für experimentelle MuseologieExterner Link (eM+) der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) durchführen wird.
Nach Abschluss der Konservierungsarbeiten kann nun mit der Digitalisierung begonnen werden, die mehr als zwei Monate in Anspruch nehmen wird. Dazu wird eine Gondel mit einer ultrahochauflösenden Kamera über das Gemälde gefahren.
Die Kamera mit einem Sensor von 150 Millionen Pixel wird rund 127’000 Bilder des Kunstwerks aufnehmen. Das resultierende Bild wird 1000 Punkte pro Zoll (dpi) und insgesamt 1,6 Terapixel haben. Es wird einen Farbbereich abdecken, der über das Spektrum des sichtbaren Lichts hinausgeht.
Das klingt beeindruckend, aber für Laien ist das technisches Kauderwelsch. Die Leiterin des Labors, Sarah Kenderdine, wird konkreter und erklärt, dass es sich schlicht und einfach um «das grösste digitale Bild eines einzelnen Objekts handelt, das jemals erstellt wurde».
Immersive Erlebnisse
Die Digitalisierung ist aber nur ein erster Schritt. In einer zweiten Phase will das Labor für experimentelle Museologie ein interaktives, dreidimensionales 360°-Visualisierungssystem mit einem Durchmesser von zehn Metern entwickeln.
Der Vorteil der Digitalisierung besteht darin, dass das Werk einem breiten Publikum auf der ganzen Welt gezeigt werden kann, unabhängig von einem festen Ort oder einem festen Medium.
Vor allem aber können die Anwendungen vielfältig sein. Bei der Pressevorstellung schlug das Team des Labors als Beispiel einen Spaziergang durch das Grab der ägyptischen Königin Nefertari mit einer speziellen Brille vor, die eine 3D-Visualisierung ermöglicht.
Eine solche immersive Erfahrung wird auch mit dem digitalisierten Bild des Panoramas möglich sein. «Mit dieser noch nie dagewesenen Auflösung können wir über das hinauszoomen, was das menschliche Auge sieht, und das alles in einer dynamischen und eindringlichen Klangwelt», so Kenderdine.
«Wir könnten zum Beispiel die verschiedenen Wappen heranzoomen und mit Erklärungen für heraldisch Interessierte versehen», sagt Daniel Jacquet, Historiker und Projektleiter des Labors. «Unser Ziel ist es, bis zum 550. Jahrestag der Schlacht im Jahr 2026 eine ganze Reihe von Funktionen anbieten zu können.»
Internationale Bedeutung
Panoramen waren Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sehr in Mode. Diese monumentalen zylindrischen Gemälde wurden in einer Rotunde aufgestellt. Das Publikum betrachtete das Werk von einer Plattform in der Mitte aus, wodurch die Illusion entstand, sich in der Landschaft oder im Zentrum des Geschehens zu befinden.
«Es war die eindringlichste Erfahrung, die das Publikum machen konnte, bevor es das Kino gab», sagt Kenderdine.
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Mit der Erfindung des Films wurde diese Attraktion überflüssig, und die meisten Panoramen wurden zerstört. Heute existieren weltweit nur noch 15 Panoramen aus dem 19. Jahrhundert. Die meisten zeigen Schlachten (Murten, Atlanta, Gettysburg, Waterloo…), aber auch Landschaften oder religiöse Szenen.
Mit vier weiteren bestehenden Panoramen ist die Schweiz besonders gut ausgestattet. Neben dem Murtenschlachtpanorama gibt es drei weitere: das Bourbaki Panorama Luzern (eigentlich «Einzug der französischen Armee in Les Verrières»), die Kreuzigung Christi in Einsiedeln und das Wocherpanorama in Thun, das als ältestes der Welt gilt.
Vor diesem Hintergrund stösst die Digitalisierung des Panoramas der Schlacht von Murten nicht nur in der Schweiz auf grosses Interesse. «Es gibt eine regelrechte Gemeinschaft von Panoramabegeisterten und sogar ein internationales NetzwerkExterner Link, das unsere Arbeit aufmerksam verfolgt», sagt Jacquet.
Zukunft des Originals ungewiss
Während die Zukunft für die digitale Version vielversprechend aussieht, ist sie für das Original noch ungewiss. Zuletzt wurde es im Rahmen der Landesausstellung 2002 (Expo 02) der Öffentlichkeit präsentiert. Das Gemälde war im Monolith zu sehen, einer Metallkonstruktion des französischen Architekten Jean Nouvel, die auf dem Wasser des Murtensees errichtet wurde.
Diese temporäre Konstruktion wurde nach der Ausstellung abgebaut und das Panorama in einem Bunker eingelagert. Seitdem wurden verschiedene Projekte geprüft, um dem monumentalen Werk einen neuen Rahmen zu geben. Bisher konnte jedoch keines der verschiedenen Projekte realisiert werden.
Die Suche nach einer dauerhaften Lösung geht weiter. Aber besteht nicht die Gefahr, dass das Gemälde mit der Präsentation einer digitalen Version endgültig in einen Bunker verbannt wird? Andreas Fink, Interimspräsident des «Freundeskreises Panorama de Morat 1476»Externer Link, ist zuversichtlich. «Das Original ist durch nichts zu ersetzen», sagt er.
Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub
Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub
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