Picasso als Klees lebenslange Herausforderung
Klee und Picasso. Diese Gegenüberstellung mag überraschen. Die Ausstellung im Berner Zentrum Paul Klee thematisiert die Auseinandersetzung Paul Klees mit seinem Zeitgenossen Pablo Picasso.
«Auf den ersten Blick sind die Bilder der beiden Künstler schon sehr unterschiedlich», sagt Christine Hopfengart, die Kuratorin der Ausstellung im Zentrum Paul Klee.
«Aber es gibt eine untergründige Beziehung, die man schon zu Lebzeiten der beiden Künstler gesehen hat. Sie haben ähnlich radikal mit allen Traditionen gebrochen und es gibt darüberhinaus auch noch ein Verhältnis zwischen den beiden Künstlern.»
Vor allem Paul Klee habe sich beinahe lebenslang mit Picasso auseinandersetzt. «Das heisst nicht, dass er immer von ihm beeinflusst war, er hat sich ebenso gegen ihn gestellt, hat Parodien auf ihn gemacht. Aber Picasso war immer wieder eine Figur, an der er sich gerieben hat.»
Kein Nachahmer Picassos
Picasso war der führende Künstler seiner Zeit, mit dessen Werk sich alle künstlerisch tätigen Zeitgenossen auseinandersetzten. Die Ausstellung zeigt, wie Klee den Einfluss Picassos verarbeitete. Eines wird klar: Ein simpler Nachahmer «des Spaniers» (wie er Picasso nannte), deren es einige gab, war Paul Klee nie.
Die Ausstellung beginnt beim Frühwerk beider Künstler und geht thematisch gegliedert auf die Auseinandersetzung Klees mit Picasso ein, die sich in Klees Bildern niederschlagen. Sie endet bei den Spätwerken.
Die beiden Künstler waren fast gleich alt, Klee wurde 1879 geboren und war zwei Jahre älter als Picasso. Nur zweimal sollen sich die beiden Künstler persönlich getroffen haben. Zum ersten Mal 1933 in Picassos Atelier in Paris und ein weiteres Mal 1937 bei Paul Klee in Bern.
An das erste Treffen allerdings soll sich Picasso später nicht mehr erinnert haben und beim zweiten wollte «ein Gespräch einfach nicht aufkommen», wird Bernhard Geiser, ein zeitgenössischer Berner Kunstsammler, der das Treffen arrangiert hatte, im Ausstellungskatalog zitiert.
Prägender als die persönliche Bekanntschaft war jedoch, dass jeder das jeweilige künstlerische Schaffen des andern kannte. Der Picasso zugeschriebene Satz, Klee sei der Meister des kleinen Formats und er des Grossen, würde, falls er dies tatsächlich gesagt hat, die Wertschätzung «des Spaniers» für Klee illustrieren.
Der Kubismus
Mit der Präsentation der kubistischen Malerei setzten sich Picasso und seine Freunde Anfang des 20. Jahrhunderts von der Kunstwelt ab. Der Kubismus ist ein Versuch, etwas aus mehreren Perspektiven in geometrische Formen zerlegt gleichzeitig darzustellen.
Am Kubismus kam auch Paul Klee nicht vorbei, wie die Ausstellung mit seinem Bild «Hommage à Picasso» illustriert. Dies ist die einzige Ehrerbietung, die Klee jemals gemalt hat.
Weil ein solches Werk für Klee ziemlich ungewöhnlich war, dachten einige Kunsthistoriker, Klee habe diese Hommage gar nicht ernst gemeint und dem Bild einen ironischen Hintersinn unterlegt, wie Christine Hopfengart vor den Medien erzählte.
Manche hätten vermutet, er habe dem Bild eine Karikatur Picassos zu Grunde gelegt und diese dann übermalt. «Wir haben das Bild nun röntgen lassen», sagte Hopfengart. «Darunter befindet sich nichts ausser einer normalen Grundierung.»
Allerdings sei die Komposition trotz vordergründiger Anklänge an kubistische Malerei weit von Picassos Kubismus entfernt, wie die Kuratorin festhielt. Klee nahm nicht wie Picasso ein Objekt und zerlegte es in einzelne geometrische Facetten, sondern entwarf eine abstrakte Komposition mit geometrischen Formen.
«Der Kubismus ist für Klee ein wichtiger Anstoss. Doch er malt nicht einfach Stilleben oder Figuren wie Picasso, sondern er übernimmt die Grundstruktur und baut mit dieser seine eigenen Motive und seine eigenen Bildvorstellungen.»
Wenn man die für Klee charakteristischen Bilder mit den geometrischen Rastern alleine betrachte, denke man kaum mehr an Kubismus. «Dieser rechteckige Grundraster, den man bei Klee noch die ganzen 20-er Jahre hindurch findet, auch in seiner Bauhauszeit, den hat er eigentlich aus dem Kubismus abgeleitet.»
Minotaurus und der Urchs
Eines der grossen Motive bei Picasso ist der Minotaurus, der Stier. Nach dem Besuch Picassos in Bern malte Klee das Bild «Skepsis dem Stier gegenüber». Es «stellt einen Kommentar Klees zu seinem Verhältnis zu Picasso dar», wie der Katalog anmerkt.
In der Folge erfand Klee seine «Urchse». Das Wort «Urchs» ist eine Wortschöpfung Klees, dem die Worte «Ur», dem Stammvater des Hausrindes, und «Ochse» wie auch das berndeutsche Wort «urchig» zu Grunde liegen. Urchig bedeutet soviel wie urwüchsig, ursprünglich.
Die Urchse wirken wie Karikaturen des Minotaurus. «Die Urchse stellen das Gegenteil von Picassos aggressiven und ungeheuerlichen Stieren dar», erklärte Hopfengart, «sie sind friedlich, lustig, und ein bisschen vertrottelt.» Das sei die Art, wie Klee die dramatischen Stiere Picassos parodiere.
Eveline Kobler, swissinfo.ch
Die Ausstellung ist vom 6. Juni 2010 bis am 26. 9. 2010 im Zentrum Paul Klee zu sehen.
Die Vernissage findet am 6. Juni statt.
Der Maler Pablo Picasso wurde 1881 in Malaga (Spanien) geboren.
Er brach mit 17 Jahren seine Kunstausbildung ab und zog nach Paris, wo er zum einflussreichsten Maler seiner Zeit avancierte.
Er starb 1973 in Mougins (Frankreich).
Der Maler Paul Klee wurde 1879 in Bern geboren.
Zum Kunststudium zog er nach München um und blieb bis 1933 in Deutschland.
Von 1920 unterrichtet er am Bauhaus in Weimar, dann in Dessau und in Düsseldorf.
Nach der Rückkehr nach Bern erkrankt Klee 1935 an Skleredermie. Er stirbt 1940 in Locarno-Muralto (Schweiz).
Paul Klee war schon zu seinen Lebzeiten ein hochgeschätzter Künstler.
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