Polyglotte Schweizer
Im Europavergleich sind die Schweizer Sprachtalente: Besser schneiden nur die Luxemburger und die Niederländer ab. Die am häufigsten verwendeten Fremdsprachen sind Französisch und Deutsch.
Gemäss einer Nationalfonds-Studie gilt Englisch in der Schweiz als die nützlichste Fremdsprache, und Italienisch wird immer unbedeutender.
Deutschschweizer und Tessiner sprechen im Durchschnitt 2,2 Fremdsprachen, die Westschweizer im Durchschnitt 1,7. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Nationalen Forschungsprogramms NFP 56 «Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz», wie der Schweizerische Nationalfonds (SNF) am Montag mitteilte.
Erwartungsgemäss beherrscht die Bevölkerung die jeweils andere Landessprache am besten: In der Deutschschweiz rangiert Französisch – von 71% der Befragen genannt – vor Englisch (67%). In der Westschweiz liegen Hoch- und Schweizerdeutsch (47%) vor Englisch (43%), im Tessin Französisch (74%) vor Deutsch (65%) und Englisch (42%).
Englisch in, Italienisch out
Bei der Frage nach der nützlichsten Fremdsprache steht hingegen das Englisch klar an der Spitze. In der Deutschschweiz nannten 92% der Befragten Englisch als nützlichste Fremdsprache, in der Romandie waren es 88% und im Tessin 77%. Englisch gilt zudem als die prestigeträchtigste Sprache – vor Französisch, Deutsch und Spanisch.
Allerdings sei Englisch im Alltag lediglich für einige Wirtschaftssektoren wichtig, relativiert Iwar Werlen, Leiter des Studien-Forschungsteam an der Universität Bern, gegenüber swissinfo. «Für andere ist Englisch unwichtig, zum Beispiel in der Bauwirtschaft.»
Die Leute brauchten das Englische vor allem bei Ferien im Ausland, sagt Werlen. «Es ist auch sehr nützlich fürs Internet, dort sind die meisten Informationen in englischer Sprache.»
Anlass zur Sorge gibt laut den Sprachforschern der Status des Italienischen. Dessen Wertschätzung ist selbst im Tessin gering: Nur 6% der dortigen Bevölkerung bezeichnen ihre Muttersprache als prestigeträchtigste Sprache.
«Der Rückgang der italienischen Migration in die Schweiz heisst auch, dass bei uns weniger Italienisch gesprochen wird», betont Werlen. «Zudem unternehmen die Schulen in vielen Kantonen zu wenig zur Promotion des Italienischen als Landessprache.»
Schule prägt, Reisen motiviert
Bemerkenswert ist laut der Studie die Motivation, die für das Erlernen einer Sprache genannt wird: für 53% der Befragten war es die eigene Zufriedenheit, 50% wollen sich in den Ferien im Ausland besser verständigen können und 39% möchten Menschen aus anderen Kulturen besser verstehen.
35% der Befragten nannten den Beruf als Motivation, eine Fremdsprache zu beherrschen, 34% möchten Menschen aus anderen Ländern kennenlernen. Prägend für das Erlernen der ersten Fremdsprache ist für die Mehrheit der Befragen aber die Schule.
Europäer: im Schnitt 1,14 Sprachen
Im Europavergleich sind die Schweizer tatsächlich Sprachtalente: besser schneiden nur die Luxemburger mit drei und die Niederländer mit 2,2 Fremdsprachen ab. Zum Vergleich: der EU-Durchschnitt lag bei 1,14 Sprachen – diese Zahl war jedoch noch vor der Osterweiterung ermittelt worden.
Für die Schweizer Sprachkompetenzen-Studie befragte das Forscherteam um den Berner Universitäts-Professor Iwar Werlen 600 Personen in der Deutschschweiz, 400 in der Romandie und 200 im Tessin.
swissinfo und Agenturen
Einige Deutschschweizer Kantone haben beschlossen, in der Primarschule als Zweitsprache Englisch statt Französisch einzuführen.
Wenn die Schweizer eine Fremdsprache brauchen, so ziehen sie Deutsch oder Französisch vor, obschon sie der Ansicht sind, dass Englisch die nützlichste Sprache ist.
Das Dilemma zwischen dem Willen, die Verbundenheit zwischen den Schweizer Sprachregionen aufrechtzuerhalten und der Nützlichkeit des Englischen spaltet die Politik.
2007 hat das Schweizer Parlament die Kantone ermächtigt, die Reihenfolge der Fremdsprachen selber zu bestimmen.
Das neue Sprachengesetz verlangt allerdings, dass in der Volksschule mindestens eine zweite Landessprache gelehrt werden muss sowie eine weitere Fremdsprache.
Dieser Kompromiss soll im Jahr 2010 in Kraft gesetzt werden.
Vielen Deutschschweizern erscheint auch Hochdeutsch als Fremdsprache. So gaben in der Sprachkompetenzen-Studie gut die Hälfte der Dialekt sprechenden Befragten an, die Hochsprache sei ihre erste Fremdsprache – was die Forscher jedoch korrigierten.
Die Sprachwissenschafter der Nationalfonds-Studie waren bei ihrer Analyse «nicht an den Einstellungen der Befragten zum Hochdeutschen» interessiert, sondern an den Fremdsprachen, welche die Befragten tatsächlich sprechen, wie aus einer Fussnote in der Resultate-Zusammenfassung hervorgeht.
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