Presseschau vom 07.02.2003
Der Rücktritt von Unternehmer Thomas Schmidheiny infolge Insider-Vergehens in Spanien wirbelt in den Zeitungen Staub auf. Auch der Schritt der Türkei auf die USA zu ist ein Thema.
Und schliesslich wird die neue «Ohrfeige» Rumsfelds für Deutschland kommentiert.
«Schmidheiny auf Rückzugskurs», titelt die AARGAUER ZEITUNG. Der Verwaltungsrats-Präsident des Zementkonzerns Holcim verzichtet wegen eines Insidervergehens auf sein Amt.
Thomas Schmidheiny, der bislang als Schweizer Vorzeigeunternehmer galt, ist in Spanien wegen eines illegalen Börsengeschäfts zu einer Busse von fast 1,46 Mio. Euro verurteilt worden, die er nach eigenen Worten bereits bezahlt hat.
Die AARGAUER ZEITUNG gibt sich enttäuscht: «Er genoss ein hervorragendes Image in der Schweizer Wirtschaft: Er war bodenständig, erfolgreich, untadelig.» Und nun das: «Jetzt die schockierende Bestätigung, dass er für den eigenen Konzern zur Belastung geworden ist.»
Verspielt habe Schmidheiny den Ruf seriösen Unternehmertums, schreibt die AZ. Und deshalb habe die Wirtschaft definitif ihre Unschuld verloren.
«Masslos enttäuscht» ist auch die BERNER ZEITUNG. «Offenbar ist ihm der Erfolg zu sehr in den Kopf gestiegen. Angeheuerten Managern traut die Öffentlichkeit Masslosigkeit und Niedertracht zu. Von einem Schmidheiny hätte man mehr Anstand erwartet.»
Die Genfer Zeitung LE TEMPS weist auf die Verwaltungsrats-Tätigkeit Schmidheinys bei Swissair und Sabena hin und schreibt, er habe immer wieder für negative Schlagzeilen bei Holcim gesorgt: «Ancien administrateur de Swissair et de Sabena, Thomas Schmidheiny n’a pas fini de faire de la mauvaise publicité à Holcim.»
Ankara kommt Washington entgegen
«Konzession an Nato-Partner und USA», titelt die BERNER ZEITUNG. Damit gemeint ist die Zustimmung des türkischen Parlaments zum Ausbau türkischer Militärstützpunkte und Häfen im Hinblick auf einen möglichen Irak-Krieg.
Für die BASLER ZEITUNG ist Ankara damit «mit einem Bein im Krieg.» Die Türkei habe einen grossen Schritt auf die USA zugetan, meint die BZ. Das ST. GALLER TAGBLATT geht noch weiter: «Türkei an der Seite der USA», lautet seine Schlagzeile.
Nüchterner sieht es die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Die NZZ titelt: «Ankara im Zeichen der Realpolitik.» Der Entscheid entspreche den Erwartungen, «eine Zurückweisung der Wünsche Washingtons schien unmöglich». Grund: Die USA hätten die Türkei mit finanziellen Lockungen und Drohungen zum politischen Einlenken gebracht.
Der Berner BUND bedauert, dass die Nato eine Abstimmung über den Schutz der Türkei in einem möglichen Irak-Krieg bisher vermieden hat. Die zögerliche Nato-Politik umschreibt der BUND so: «Stell dir vor, an ihrer Grenze droht Krieg, und die Nato schaut nicht einmal hin.»
Kritik an der Nato übt auch der CORRIERE DEL TICINO: «E se attacano la Turchia? La Nato riflette» – «Und wenn sie die Türkei angreifen? Die Nato überlegt.»
Neue Ohrfeige
«Wie Deutschland zum Schurkenstaat wurde», lautet die Schlagzeile im Zürcher TAGES ANZEIGER. Nachdem US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Deutschland und Frankreich vor kurzem das beleidigende Etikett «altes Europa» verpasst hatte, stellte er jetzt Deutschland wegen seiner Haltung im Irak-Konflikt auf die gleiche Stufe mit Libyen und Kuba, für Mr. Rumsfeld alles Schurkenstaaten natürlich.
Diesen Affront aus Washington mochte die deutsche Regierung gar nicht kommentieren. Oder wie es SPD-Generalsekretär Scholz ausdrückte: «Die Ausfälle sind solcher Quatsch, dass man das auch nicht diskutieren muss», zitiert ihn die NEUE LUZERNER ZEITUNG.
Weniger gelassen nimmt es der von der BERNER ZEITUNG zitierte CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler: «Wir müssen uns ernsthaft Sorgen machen um den inneren Zustand des amerikanischen Verteidigungsministers.»
Der TAGI schliesslich empfiehlt den «Genossen in Berlin», stille zu schweigen, «wenn ihr könnt. Das wäre wahre Grösse». Und dann noch das: «Oder geht ins Exil nach Gondo. Zusammen mit euren Freunden Fidel und Moammar. Eure Chancen stehen nicht schlecht. Unterstützung in der Schweiz gäbe es sicher, sogar von Genossen. Saddam wäre vielleicht schon da.»
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
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