Presseschau vom 10.01.2003
Die Unterzeichnung eines Rückübernahmeabkommens von Justizministerin Ruth Metzler mit Nigeria beschäftigt alle Zeitungen. Der Vertrag wird als Erfolg gewertet.
Es gibt aber auch kritische Töne zur Art und Weise der aktuellen Asyl-Diskussion.
«Rückübernahmeabkommen mit Nigeria unterzeichnet.» Das ist die nüchterne Schlagzeile der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, die darauf hinweist, dass Bern Nigeria als Gegenleistung für das Abkommen keine speziellen Vorteile versprochen habe: «Kostenübernahme – keine Gegenleistung.»
Die AARGAUER ZEITUNG spricht von einem «schnellen Erfolg für Ruth Metzler» und betont, dass dies der erste Vertrag dieser Art mit einem afrikanischen Land sei.
Für das ST. GALLER TAGBLATT ist wichtig, dass es bei Unterzeichnung des Rückübernahmevertrags mit Nigeria «keine Probleme» gab. Jedenfalls habe die Bundesrätin mit Nigeria weniger Mühe gehabt als mit Senegal, meint die Westschweizer Zeitung LE TEMPS: «La conseillère fédérale a eu moins de peine à trouver un accord qu’avec le Sénégal.»
«Senegal und Nigeria sehen sich als berechenbare Partner», titelt der Zürcher TAGES-ANZEIGER und schreibt: «Mit ihrer Zustimmung zu den Asylverträgen signalisieren Senegal und Nigeria ihre Mitverantwortung für internationale Probleme.»
Positiv tönt es auch im CORRIERE DEL TICINO: «Successo per Ruth Metzler.» Allerdings räumt das Blatt ein, dass der Vertrag mit Senegal auch Kritik und Zweifel hervorrufe: «Il trattato con il Senegal suscita però critiche e dubbi.»
Von einem «Vertrag mit Retusche» spricht der Berner BUND. Der Grund: «Beim Asylabkommen mit Senegal musste der Titel geändert werden.»
Der BLICK zitiert in seiner Schlagzeile die telefonisch interviewte Justizministerin: «Wir setzen Signal gegen Schlepper». Das Blatt weist darauf hin, dass es bereits Kritik «von ganz rechts und ganz links» gebe: «SVP-Nationalrat Hans Fehr (55) schimpft das Abkommen ‹teure Illusion›, SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot (61) einen ’nicht menschenrechtskonformen Schnellschuss›.»
Parteipolitischer Missbrauch
Im Zusammenhang mit den Abkommen macht sich die BASLER ZEITUNG grundsätzliche Gedanken zur Asylproblematik. Kommentator Helmut Hubacher, früherer SP-Parteipräsident und Nationalrat, schreibt: «Das Asylthema eignet sich vortrefflich für den parteipolitischen Missbrauch. Gelöst wird damit nichts.»
Obwohl bei Herr und Frau Schweizer die Arbeitslosigkeit klar Sorge Nummer eins sei, werde dies im Wahljahr kaum ein Schwerpunktthema sein. «Warum sind Asylanten politisch interessanter als Arbeitslose?», fragt sich Hubacher in der BAZ und antwortet gleich selber: «Das Asylwesen ist ein unerschöpfliches Thema und ein unslösbares Problem.» Und dies, solange auf dieser Welt Millionen Menschen vor Armut, Krieg, Not, Gewalt, Verfolgung oder Hunger flüchteten.
So genannte Patentrezepte sind für den BAZ-Kommentator «purer Schwindel». Die SVP mache es sich da einfach: «Grenzen zu, Asylanten an Nachbarstaaten abschieben. Voilà, Problem gelöst.» So würde die Schweiz als erstes Land der Welt das Asylrecht abschaffen. Mit Ausnahmen jedoch, meint Hubacher: «Wer mit dem Flugzeug ‹flüchtet› oder Steuerflüchtling ist. Dann allerdings: Gute Nacht Schweiz.»
Asylinsel wegen Alleingang
Das europäische Asylabkommen beginne zu greifen und beschere der Schweiz einen grossen Flüchtlingsstrom, schreibt die BERNER ZEITUNG. Das sei der «hohe Preis des Alleingangs», meint die BZ. Die Schweiz werde zur begehrten Asylinsel. Daran änderten auch ein noch so scharfes Asylgesetz und die mit viel Brimborium abgeschlossenen Rückübernahme- und Transitabkommen mit afrikanischen Staaten wenig.
Die Asylfrage zeige mit aller Deutlichkeit auf, in welcher Zwickmühle die Schweiz stecke – mitten in Europa und doch nicht Mitglied der EU. Fazit der BZ: «Die immer schwieriger werdende Asylsituation sollte die Schweizerinnen und Schweizer jetzt aufrütteln: Anstatt sich dauernd von Isolationisten ins Bockshorn jagen zu lassen, sollte die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Europäischen Union wieder aufgenommen werden.»
swissinfo, Jean-Michel Berthoud

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