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Presseschau vom 14.09.2002

Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft muss das Gesuch der ETH Zürich für einen Freisetzungs-Versuch mit gentechnisch verändertem Weizen neu beurteilen.

Der Bundesrat habe so entscheiden müssen. Dies der allgemeine Tenor der Schweizer Presse.

“Ein weiser, da sachlicher Entscheid: Der Rekurs der ETH Zürich gegen die Ablehnung eines Freisetzungs-Versuchs zu Forschungszwecken ist gutgeheissen worden”,

schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Das sei zumindest ein kleiner Hoffungsschimmer für die Forschung. Auch für die BASLER ZEITUNG ist der Entscheid von Bundesrat Leuenberger richtig:

“Der Verdacht hat sich erhärtet, dass das Buwal politisch und nicht wissenschaftlich entschieden hat, als es das Gesuch ablehnte.”

Juristisch richtig, politisch eher daneben

Dem stimmt auch der Zürcher TAGES-ANZEIGER zu: Buwal-Direktor Roch habe letzten November falsch entschieden, weil gemäss geltendem Gesetz solche Freisetzungs-Versuche zugelassen seien. Er habe aber politisch richtig gehandelt:

“Sein damaliger Entscheid liegt auf der Linie des Bundesrates und dessen Botschaft zur neuen Gen-Lex. Diese lässt Freilandversuche mit Antibiotika-Resistenz nicht mehr zu.”

Trotzdem stehe Philippe Roch jetzt aber als trauriger Winkelried da, heisst es im Tagi weiter:

“Die ETH-Forscher, die im Verbund mit den Gentech-Multis auf eine möglichst liberale Gesetzgebung drängen, erscheinen nun als Opfer von Beamtenwillkür und erhalten einen Mitleidbonus.”

Bevölkerung ist mehrheitlich gentech-kritisch

Der Kommentator der BERNER ZEITUNG ist der Ansicht, Bundesrat Leuenberger habe gar nicht anders handeln können. Roch liege aber trotzdem eigentlich richtig:

“Er hat die politische Brisanz des Themas erkannt und einbezogen. Im Parlament wird eifrig an einem strengen Gentech-Gesetz gearbeitet, das nach heutigem Stand solche Versuche schlicht verbietet. Die Bevölkerung will mehrheitlich von Gentech-Nahrung nichts wissen.”

Die BZ appelliert an die Forschung, die Ängste der Bevölkerung zu respektieren:

“Wenn Forscher, Genlobby und FDP den gestrigen Entscheid als Fanal zum Sturmangriff auf die restriktive Gen-Lex sehen, dann ignorieren sie Sorgen und Ängste von Konsumenten und Landwirten gleichermassen.”

Der Berner BUND beurteilt die Volksstimmung in dieser Sache ebenfalls klar auf Seite der Gentech-Bremser:

“Auch wenn der ETH-Versuch nur acht Quadratmeter gross ist: Je nach Gen-Lex-Ausgang müssten eigentlich die ETH-Forscher aus Respekt vor der Politik vom umstrittenen Vorhaben lassen.”

Für wissenschaftliches Risiko

Ganz anders die NZZ, die befürchtet, dass während der im Oktober beginnenden Debatte im Nationalrat über die Gen-Lex der Forschung Steine in den Weg gelegt werden:

“Den Wissenschaftern von Staates wegen vorzuschreiben, welche Art der Forschung sie zu betreiben haben, widerspricht nicht nur einer liberalen Wissenschaftspolitik, sondern auch dem Geist der Wissenschaft selber. Es liegt im Wesen der Forschung, dass man nicht von vorneherein weiss, wohin sie führt. Innovative Wissenschaft lebt von Offenheit.”

Die Westschweizer Zeitung LE TEMPS prangert die “Heuchelei”, ja noch schlimmer, die “totale Inkohärenz” dieses Bundesrats-Entscheids an. Dieser liege im Widerspruch zur künftigen Gen-Lex:

“Dieser harte Entscheid hat absurde Konsequenzen: Es werden Versuche erlaubt, die weder die Legislative noch die Bevölkerung wollen.”

swissinfo, Gaby Ochsenbein

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