Die Passion des Meisters für die Tänzer von morgen
Dass sich ein Choreograf zum Prix de Lausanne begibt, um dort selbst zu unterrichten, ist aussergewöhnlich. Goyo Montero, Ballettdirektor am Staatstheater Nürnberg, hat es getan. "Ich komme hierher, damit die Tänzer mein Stück richtig lernen", sagt er. Ein Fotograf von swissinfo.ch hat ihn begleitet.
Eine Besonderheit des Prix de Lausanne ist, dass Tanzlehrerinnen und Tanzlehrer die zeitgenössischen Variationen korrigieren, welche die Kandidaten in ihren Ländern anhand eines Videos eingeübt haben.
Das Coaching von Goyo, der den Prix de Lausanne 1994 gewann, ist ausgesprochen intensiv, voller Energie und Leidenschaft. «Man muss den rechten Arm nach oben ausstrecken und ihn schlagartig herunterdrücken, wie wenn man ein Gummiband maximal ausziehen und es plötzlich entspannen lassen würde», erklärt er einer Gruppe junger Tänzer, während er sich selber auf der Bühne bewegt.
Sein Stück, das speziell für Tänzer des Prix de Lausanne zur sehr modernen und mechanischen Musik von Owen Belton geschaffen wurde, heisst «Grinding the teeth». Es ist die Geschichte eines Mannes, der versucht, immer wieder ein Ziel zu erreichen, ohne je anzukommen, bis sich die Frustration spüren lässt», erläutert der spanische Choreograf.
Das Stück dauert nur fünf Minuten, enthält aber 30 bis 40 sehr komplexe Bewegungen. «Es ist sicher ein schwieriges Stück, aber die Kandidaten von Lausanne haben ein hohes Niveau. Sie können es beherrschen», sagt er.
Für die Kandidatinnen hat Montero die zeitgenössische Variation «Bow» geschaffen, die auf der ruhigen und spirituellen Musik von Arcangelo Corelli (1653-1713) basiert. «‹Bow› heisst grüssen aber auch Bogen oder Bogen eines Streichinstruments. Ich wollte in meinem Stück alle Bedeutungen brauchen, als Wortspielerei. Zuerst grüsst die Tänzerin die Bühne – für Künstler ein heiliger Raum – und bedankt sich, dann bewegt sie sich, als ob sie in einen Bogen verformt worden wäre und folgt der Musik sehr ergeben.»
«Ich bin sehr gerührt»
Nach der Lektion mit den Tänzerinnen erklärt Yume Okano, eine der japanischen Tänzerinnen von der John Cranko School in Stuttgart: «Ich habe viel gelernt. Die Bewegungen, die ich machte, bevor ich hier her gekommen bin, waren ganz anders, und ich bin sehr gerührt, weil Monsieur Montero selber getanzt, die Bewegungen vorgeführt und uns den wirklichen Sinn seiner Choreografie vermittelt hat.»
Montero hatte einmal gesagt: «Um ein zeitgenössisches Stück zu interpretieren, müssen die Tänzer die Bewegungen zuerst völlig treu ausführen. Aber anstatt sich nur zu bewegen, sollten sie versuchen, den Bewegungen einen Sinn zu geben, damit das Innerste zum Vorschein kommt.»
(Fotos: Thomas Kern; Text: Kuniko Satonobu)
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