Profil für die Kunststadt Bern
900 Werke einer hochkarätigen Sammlung kommen ins Kunstmuseum Bern. Sie gehören dem deutschen Unternehmer Hermann Gerlinger.
Die Kollektion gilt als eine der weltweit wichtigsten Privat-Sammlungen der expressionistischen Künstlergruppe «Brücke».
Der 72-jährige Würzburger Hermann Gerlinger überlässt dem Berner Kunstmuseum seine Werke als langfristige Leihgabe. Er zeigte sich an einer Medienkonferenz glücklich, dass die Sammlung, die er weiterhin «aktiv begleiten» wolle, in Bern vorläufig einen idealen Platz gefunden habe.
«Meine Sammlung soll einen Hafen finden», sagte Gerlinger. Schon als Student habe er in den frühen 50er Jahren begonnen, Arbeiten der «Brücke»-Maler zu sammeln.
Bern als neues Kompetenz-Zentrum
Gerlingers Kollektion umfasst rund 900 Werke, darunter etwa 75 Gemälde und Skulpturen sowie Aquarelle, Zeichnungen, grafische Arbeiten und Schmuck. Vertreten sind vor allem Werke der «Brücke»-Künstler Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Max Pechstein und Erich Heckel.
Aber auch die später in die Gruppe eingetretenen Otto Mueller und der Schweizer Cuno Amiet sind prominent mit dabei. Neben Arbeiten der eigentlichen «Brücke»-Zeit umfasst die Sammlung frühe Werke der späteren «Brücke»-Künstler wie auch Werke aus deren späterer Schaffenszeit.
Kunstmuseums-Direktor Matthias Frehner sagte gegenüber den Medien, Bern sei mit seinen eigenen «Brücke»-Beständen «vorzüglich prädestiniert» für die Aufnahme neuer Werke dieser Gruppe. Die Sammlung Gerlinger sei mit den Beständen des Ludwig Kirchner-Museums in Davos vergleichbar.
Das Kunstmuseum Bern werde damit ein Zentrum des Expressionismus. Für die Sammlung stellt Frehner sechs Räume zur Verfügung, die durch die bald ins neue Klee-Museum umziehende Klee-Sammlung frei werden.
«Brücke»-Ausstellung 2005
Die Sammlung Gerlinger wird nächsten April nach Bern transferiert. Im Frühjahr 2005 soll sie dann in einer umfassenden Ausstellung zum 100. Gründungsjahr der «Brücke» erstmals gezeigt werden.
Zur Zeit hängt die Sammlung noch im Landesmuseum im ostdeutschen Halle. Pläne, für die Sammlung einen Dauerstandort in Deutschland zu finden, hatten sich zerschlagen.
Mehrere deutsche Städte, so Gerlinger, hätten die Werke zwar gerne haben wollen. Würzburg habe sich zum Beispiel intensiv darum bemüht. Aber die Stadt sei in einer äusserst schlechten finanziellen Situation, die an die Substanz der Infrastruktur gehe.
Bern «echt kunstbegeistert»
Auch München, Nürnberg viele andere Städte mehr hätten Interesse an der Sammlung bekundet. Aber in Bern werde seine Sammlung als in sich geschlossener Block wahrgenommen werden und könne im Umfeld der bestehenden Kollektion auch kunsthistorisch sinnvoll wirken, erklärte Gerlinger in einem Interview mit der «Berner Zeitung».
Zudem seien in vielen Fällen Leute, die mit Kunst zu tun haben, der Kunst gegenüber sehr distanziert. Hier in Bern aber spüre er «echte Begeisterung für die Kunst».
swissinfo
Die Künstlergemeinschaft «Brücke» gilt als Inbegriff des deutschen Expressionismus.
1905 von Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Fleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rotluff in Dresden gegründet, zielte die Gruppe auf den revolutionären Aufbruch als Absage an akademische Traditionen und bürgerliche Normen. Sie zielte, wie viele Bewegungen jener Zeit, zugleich auf eine Kunst- und auf eine Lebensreform.
«Mit dem Glauben an die Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der Geniessenden rufen wir alle Jugend zusammen, und als Jugend, die die Zukunft in sich trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesehenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der ummittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt», so 1906 im «Brücke»-Programm.
Künstlerische Vorbilder der «Brücke» waren vor allem Edvard Munch, Vincent Van Gogh und Paul Gaugin, aber auch der spät-mittelalterliche Holzschnitt, Plastiken aus Afrika und der Südsee und die wilde Kunst der französischen Fauves um Henri Matisse.
Zur «Brücke» stiessen neben anderen bald auch Emil Nolde, Otto Mueller, Max Pechstein und aus der Schweiz Cuno Amiet.
Bis 1908 funktionierte die «Brücke» als enge Arbeitsgemeinschaft. 1913 löste sich die Gruppe nach zunehmender Entfremdung auf.
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