Querschnitt durchs Schweizer Familienalbum
Die Landesbibliothek gewährt mit der Ausstellung "Vom General zum Glamour Girl" einen Einblick in ihren grossen Schatz an Portrait-Aufnahmen.
Doch die Institution blickt nicht nur zurück. Genau so wichtig ist ihr der Fortbestand und die weitere Ergänzung einer lebendigen Sammlung.
«Wir haben einen Schatz in unseren unterirdischen Magazinen», sagt Marie-Christine Doffey, Direktorin der Schweizerischen Landesbibliothek, gegenüber swissinfo. «Diesen wollten wir einmal vors Publikum bringen.»
Die Landesbibliothek in Bern konnte dabei aus dem Vollen schöpfen: Aus ihrem Fundus von rund 60’000 Aufnahmen von bekannten Persönlichkeiten stehen nun 240 Portraits aus 150 Jahren Fotogeschichte in der Ausstellung.
Inszeniert wie daheim
«Wir alle haben in unseren Häusern oder Wohnungen Portraits von Familie und Freunden», sagt Doffey. Daher haben die Ausstellungsmacherinnen Mechthild Heuser und Susanne Bieri die Bilder arrangiert wie in einer Wohnung: In unterschiedlichen Grössen auf verschiedenen Tischen.
Die Ausstellung ist denn auch eine Art historisches Familienalbum der Schweiz. Am Anfang steht General Henri Dufour, eine Daguerrotypie (lichtempfindlich gemachte Silberplatte) aus dem Jahr 1850. Den Schlusspunkt setzt ein Portrait von Michelle Hunziker, dem Schweizer «Glamour Girl» schlechthin.
Diese beiden Persönlichkeiten geben den Rahmen vor für die Ausstellung und liefern damit auch den Titel. «Der Titel ist die Klammer zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltungs-Genre», sagt Susanne Bieri, Leiterin der Grafischen Sammlung. «Es war uns sehr wichtig, den Charakter der Sammlung wiederzugeben.»
Fotografie im Wandel
Die Sammlung bildet die Elite der Schweizer Gesellschaft ab. Ein Begriff, der sich in den letzten 150 Jahren stark gewandelt hat: Während im 19. Jahrhundert Militärs und Klerus die Elite bildeten, prägten zu Beginn des 20. Jahrhunderts Schriftsteller, Künstler und Architekten das Bild.
Heute zählen auch Wirtschaftsführer, Spitzenköche und die so genannte Cervelat-Prominenz dazu.
Einen Wandel durchgemacht haben auch die künstlerische Entwicklung der Aufnahmen sowie der Ausdruck der Portraitierten.
Einerseits präsentierte sich die militärische und kirchliche Klasse gerne ernsthaft. Andererseits liessen die langen Belichtungszeiten keine Emotionen zu.
«Es ist sehr schwierig, über zwei Minuten ein Lächeln zu halten», bemerkt Bieri. «Eine Tatsache, die eher zu Ernsthaftigkeit bewegt.» Seit den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts allerdings sind mehr Emotionen zu beobachten. «Man wollte sich bewegter geben, die Starrheit und Förmlichkeit hinter sich lassen.»
Lebende Sammlung
Gemeinsam ist allen Portraitierten, dass sie sich schon seit dem Beginn der Fotografie von namhaften Fotografen verewigen liessen. Kommt dazu, dass die Landesbibliothek bereits vor fast 100 Jahren Aufträge für Foto-Serien vergeben hat.
So wird beispielsweise eine Reihe von Westschweizer Persönlichkeiten des bekannten Lausanner Fotografen Paul Bozon von 1916/17 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
«Uns war es wichtig, die Handschrift eines Fotografen wiedererkennbar werden zu lassen», präzisiert Bieri.
Auch die jüngsten Portrait-Serien wurden von namhaften Künstlern exklusiv für die Landesbibliothek erstellt.
«Das ist das Spannende daran, dass die Sammlung nicht eine tote Sammlung ist, sondern dass wir sie laufend ergänzen», erklärt Bieri.
Auch in Zukunft soll die Sammlung weiterleben und die aktuelle Prominenz Einzug halten. «So wie laufend andere Persönlichkeiten ins Gespräch kommen, werden wir uns aktuell immer wieder damit auseinandersetzen und sie in unsere Sammlung integrieren.»
swissinfo, Christian Raaflaub
Die Ausstellung «Vom General zum Glamour Girl – Ein Portrait der Schweiz» ist vom 10. Juni bis 18. September in der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern zu sehen.
Aus einer Sammlung von rund 60’000 Portrait-Aufnahmen von Persönlichkeiten wurden 240 Fotos ausgewählt.
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