Remarque-Villa im Tessin droht der Abbruch
Die Casa Monte Tabor im Tessin, in welcher der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque während seines Exils und bis zu seinem Tode lebte, steht für sechs Mio. Franken zum Verkauf. Mit der Veräusserung droht ein Abbruch der historischen Villa.
Die Gemeinde Ronco will dies verhindern, genauso wie die Erich Maria Remarque Gesellschaft in Osnabrück, wo der Autor herstammte.
Eine Traumlage. Direkt am Ufer des Lago Maggiore in Porto Ronco – etwas südlich von Ascona – steht die Casa Monte Tabor. Erich Maria Remarque fand hier einen Ruhepol, als er 1933 aus Deutschland flüchtete.
Wegen seines Anti-Kriegsromans «Im Westen nichts Neues», der zum Welterfolg wurde, war der aus Osnabrück stammende Schriftsteller von den Nationalsozialisten zur Persona non grata erklärt worden. Die Nazis verbrannten seine Bücher.
Remarque hatte es dank seines Erfolgsromans zu unerwartetem Reichtum gebracht. Er konnte die Villa kaufen. Bis 1939 lebte er in Porto Ronco, sowie von 1948 bis zu seinem Tod 1970. Er lebte dort mit seiner zweiten Ehefrau, der amerikanischen Schauspielerin Paulette Goddard, die selbst in erster Ehe mit Charlie Chaplin verheiratet gewesen war.
Streit nach dem Tod der Witwe
Mit dem Tod von Remarques Witwe 1990 ging das Gerangel um die Casa Monte Tabor zum ersten Mal los. Paulette Goddard hatte der Universität New York das ganze Erbe vermacht – die Rede war von rund 20 Mio. Dollar. Doch der Kanton Tessin verlangte eine Erbschaftsteuer von 18 Mio. Franken. Die Universität weigerte sich zu zahlen, und so kam die Villa unter den Hammer.
Für 2,5 Mio. Franken ging sie an den deutschen Industriellen Christoph Dornier, einen Abkömmling der gleichnamigen Flugzeugbauer-Dynastie. Der Kanton strich das Geld ein. Der Kanton Tessin versäumte es damals aber, die Villa zu versiegeln.
So holten Mitarbeiter der New York University das ganze Mobiliar ab und versteigerten es in London», erinnert sich Tilman Westphalen, Ehrenvorsitzender der Erich Maria Remarque Gesellschaft.
In den Händen von Amerikanern
Ende der 1990er-Jahre erwarb das amerikanische Ehepaar Gerald und Helen Farmer die Villa. Doch jetzt wollen sie angesichts eines finanziellen Engpasses die Immobilie mit dem grossartigen Umschwung für gut sechs Mio. Franken verkaufen. Und nach eigenen Angaben haben sie interessante Angebote erhalten.
Dies wiederum wurmt den Gemeindepräsidenten von Ronco s/Ascona, Paolo Senn. Denn er befürchtet, dass die Immobilie zu einem Spekulationsobjekt und möglicherweise abgerissen wird. Eventuell müsse sie sogar einem Haus mit mehreren Appartements weichen. «Dabei wäre es wichtig, diese historische Villa in ihrem ursprünglichen Zustand für die Öffentlichkeit zu erhalten», so Senn. Beispielsweise als Erinnerungsstätte an den früheren Besitzer und Bewohner.
Senn hat aus diesem Grund Kontakt mit dem kantonalen Kulturminister Gabriele Gendotti aufgenommen, der sich prinzipiell interessiert gezeigt hat und das Traktandum am nächsten Dienstag der Kantonsregierung vorbringen will. 200‘000 Franken wären nötig, um sich zumindest ein Vorkaufsrecht für ein Jahr zu sichern. Ein gleiches Angebot liegt von privater Seite vor. Die Eigentümer würden die Villa lieber der öffentlichen Hand verkaufen.
Doch die Frage bleibt offen, wo die geforderten sechs Mio. Franken herkommen sollen. Senn hofft auf vermögende Deutsche, die sich im Tessin niedergelassen haben. Etwa Stefan Breuer, den Besitzer der gleichnamigen Restaurant-Kette in Ascona oder Karl-Heinz Kipp, der eine Reihe von Hotels in Ascona, St. Moritz und Arosa besitzt.
Friedens- und Studienzentrum
Der Plan, aus dem Zufluchtsort Remarques eine öffentlich zugängliche Erinnerungsstätte oder ein kleines Friedensinstitut mit Studienmöglichkeiten für Stipendiaten und Künstler zu machen, ist nicht neu. Tilman Westphalen hatte dafür vor 20 Jahren geweibelt, als der Erbschaftsstreit mit der Universität New York anlag – vergeblich.
Damals zeigte der Kanton keine Sensibilität für das Anliegen. Jetzt scheint der Wind etwas gedreht zu haben. Auch der öffentliche Druck hat zugenommen. So gingen im Tessiner Kantonsparlament mehrere Vorstösse ein, welche den Kanton zu einer Rettung der Casa Monte Tabor drängen.
Auch der Heimatschutz und die Tessiner Sektion des Bundes Schweizer Architekten (BSA) sprachen sich dafür aus. Schliesslich pusht die Erich Maria Remarque Gesellschaft unter ihrem neuen Vorsitzenden Derk-Olaf Steggenwentz, um den alten Traum eines Remarque-Zentrums zu verwirklichen. Denn eines ist klar: Es könnte die letzte Chance sein.
1898 in Osnabrück als Sohn von Peter Franz und Anna Maria Remark geboren.
Er nannte sich erst seit 1924 «Remarque». Die französische Schreibweise des Familiennamens hatte sein Großvater im 19. Jahrhundert aufgegeben.
Im Ersten Weltkrieg kam er im Juni 1917 als Soldat an die Westfront, wo er durch mehrere Granatsplitter an Arm und Bein sowie durch einen Halsschuss verwundet wurde.
Diese Erlebnisse verarbeitete er später in seinem Roman «Im Westen nichts Neues», der 1929 in Buchform erschien.
Der Roman wurde in Dutzende Sprachen übersetzt und eine Gesamtauflage von rund 50 Mio. Exemplaren erreicht.
Von der deutschen Originalversion werden immer noch pro Jahr 50‘000 Exemplare gedruckt.
Am 31. Januar 1933, einen Tag nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, verliess Remarque endgültig Deutschland und lebte zunächst in Porto Ronco, einem Ortsteil von Ronco sopra Ascona am Lago Maggiore. Ab 1939 lebte er offiziell in den USA, ab 1948 wieder in Porto Ronco.
Remarque kämpfte mit seiner Alkoholsucht. Er hatte gegen Ende seines Lebens grosse gesundheitliche Probleme.
Er starb am 25. September 1970 in Locarno in einer Klinik. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof von Ronco s/Ascona.
Zum Leben von Remarque hat der Tessiner Regisseur Victor Tognola jüngst den Dokumentarfilm «Erich Maria Remarque, Marlene Dietrich, Paulette Goddard» fertig gestellt.
Er lief im ersten TV-Kanal der Koproduzentin RSI (Radiotelevisione Svizzera). Er soll demnächst auch in deutscher Version zu sehen sein.
Tognola zeichnet den Werdegang Remarques in einer feinfühligen, teils etwas hektischen Collage nach und legt dabei einen deutlichen Akzent auf die vielen Frauengeschichten des Schriftstellers, der in erster Ehe mit Tänzerin Jutta Zambona verheiratet war und später aufreibende und schmerzhafte Affären mit Marlene Dietrich und anderen Schönheiten der Filmbranche hatte.
1958 heiratete er die Schauspielerin Paulette Goddard, die frühere Ehefrau Charlie Chaplins, mit der er in Porto Ronco lebte.
Zeitzeugen berichten im Dok-Film über das Glamour-Paar am Lago Maggiore.
Der Film hat die Diskussion über die Erhaltung der Villa Monte Tabor ausgelöst.
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