Respini möchte swissinfo auch auf Russisch
Renzo Respini tritt als Präsident des Verwaltungsrats von swissinfo zurück. Er bilanziert die letzten Jahre, erinnert an schwierige Zeiten und beschreibt den Übergang vom Radio zum Internet.
Für Respini ist es absolut notwendig, dass die Schweiz auch künftig in mehreren Sprachen ein journalistisches Angebot für das Ausland anbietet.
swissinfo: Im Jahr 2000 wurden Sie von der Landesregierung zum Präsidenten von Schweizer Radio International ernannt; danach übernahmen Sie die Funktion des Verwaltungsratspräsidenten von swissinfo. Wie haben Sie den Übergang vom Radio zur Internet-Plattform erlebt?
Renzo Respini: Diese Zeit bedeutete für unser Unternehmen eine fundamentale Umstrukturierung. Zuerst als Schweizer Radio International SRI, dann als swissinfo/SRI , jetzt als swissinfo: Allein dieser Namenswandel spiegelt die tief greifenden Reformen der letzten Jahre.
Wie andere Unternehmenseinheiten der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft SRG mussten wir unser Produkt den technologischen Entwicklungen anpassen. Diese Anpassung erfolgte innerhalb eines genau definierten Mandats.
Dieses beinhaltet, den Auslandschweizern Informationen zu liefern und die Schweiz im Ausland bekannt zu machen. So kam der Übergang vom Kurzwellenradio zur multimedialen Internet-Plattform. Ich denke, wir haben unser Ziel erreicht.
swissinfo: Anfang Juli 2007 hat swissinfo vom Bundesrat einen neuen Leistungsauftrag für die Jahre 2007-2011 erhalten. Dieser beinhaltet ein multimediales, mehrsprachiges und interaktives Angebot für Auslandschweizer und ein internationales Publikum. Wie beurteilen Sie dieses Mandat?
R.R.: Ohne das Ausland gäbe es die Schweiz nicht. Unser Land hat einige Besonderheiten wie die direkte Demokratie und ganz eigene politische Traditionen. Diese Dinge müssen im Ausland erklärt und verstanden werden. Ein zentrales Element von swissinfo liegt genau in dieser Aufgabe: Die Schweiz mitsamt ihren Eigenheiten und Möglichkeiten zu erklären.
Wir sind stolz, Schweizer zu sein. Wir sind stolz auf unsere politische Kultur und unsere Genialität. Diese Eigenschaften sind auch für das Ausland interessant. Denn dort wird die Schweiz oft falsch wahrgenommen, was sich negativ auf unser Image auswirkt. Daher hat swissinfo eine fundamentale Bedeutung.
Zudem hat swissinfo die Aufgabe eines Verbindungsglieds zwischen den 600’000 Auslandschweizern und ihrer Heimat. Unsere Landsleute im Ausland sind stark mit ihrem Ursprungsland verbunden. swissinfo bietet eine Möglichkeit für den Dialog und Austausch. Dies konnten wir in beeindruckender Weise feststellen, als die Existenz von swissinfo vor einiger Zeit in Frage gestellt wurde.
swissinfo: Welche Aufgabe hat swissinfo im Bereich der Wirtschafts- und Imageförderung unserer Landes? Gibt es Spielraum für Verbesserungen?
R. R.:In diesem Bereich ist swissinfo dank seiner journalistischen Arbeit bereits sehr aktiv. Aber man kann immer noch mehr tun. So wäre es beispielsweise interessant, unsere Inhalte auch auf Russisch zu verbreiten. Russland ist ein kulturell wichtiges Land, das eine rasante wirtschaftliche Entwicklung erlebt. Das Land sucht zudem eine Normalisierung in den Beziehungen zum Westen.
Dies gilt im Prinzip für alle Länder der ehemaligen Sowjetunion. Diese Länder erleben einen Übergang zur Marktwirtschaft mit den entsprechenden Konsequenzen. Sicherlich würde in all diesen Ländern ein Beitrag aus einem tief demokratischen Land wie der Schweiz geschätzt, das der Marktwirtschaft genauso verbunden ist wie einer nachhaltigen Entwicklung.
swissinfo: In der Krisenzeit von swissinfo überlegte man sich, das Angebot auf Englisch und die Nationalsprachen zu beschränken. Was wären die Folgen gewesen?
R. R.: Krisen sind nie einfach zu bewältigen, man kann ihnen aber manchmal auch positive Seiten abgewinnen. Aus der Krise von swissinfo wurde uns der aussergewöhnliche Reichtum einer mehrsprachigen und multikulturellen Redaktion erst richtig bewusst.
Bei swissinfo arbeiten Journalisten von 20 unterschiedlichen Nationalitäten in neun Sprachen. Sie repräsentieren mindestens neun unterschiedliche Kulturen: Das ist ein unglaublicher Reichtum für unser Land. Denn es schafft aussergewöhnliche Möglichkeiten, unsere Realität ausserhalb der eigenen Grenzen bekannt zu machen.
Heute reden zwar fast alle Englisch, aber nicht alle Menschen denken in Englisch. Unsere multikulturelle Redaktion hat den grossen Vorteil verstehen zu können, wie andere Kulturen denken. Dies wiederum ist wichtig, um zu wissen, wie man unser Land und seine Besonderheiten darstellen muss.
Journalisten, die auf Arabisch, Chinesisch oder Japanisch denken und diese Sprachen sprechen, stellen etwas Aussergewöhnliches dar. Dies gilt letztlich für alle neun Sprachdienste von swissinfo.
Mit welchen Institutionen, die Verbindungen zwischen der Schweiz und dem Ausland pflegen, sollte swissinfo Synergien entwickeln?
R. R.: swissinfo arbeitet bereits eng mit anderen Unternehmenseinheiten der SRG zusammen, auch wenn es in diesem Bereich Verbesserungspotential gibt. Dies gilt auch für alle Organisationen, die sich um die Interessen und das Image der Schweiz im Ausland kümmern, vor allem Präsenz Schweiz, Schweiz Tourismus und Pro Helvetia.
Doch ich möchte bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass in der Schweiz sehr viele Nichtregierungsorganisationen tätig sind, die weltweit Entwicklungshilfe betreiben. Wenn es swissinfo gelänge, die bevorzugte Medienplattform für diese Organisationen zu werden, wäre dies sicherlich ein grosser Erfolg.
Was bedeuten Ihnen persönlich die Jahre im Vorstand von SRI/swissinfo? Und an welche Momente erinnern Sie sich besonders?
R. R.: Für mich war es eine tiefgreifende Erfahrung, den epochalen Wechsel von einem Kurzwellensender zur multimedialen Internet-Plattform an vorderster Front miterleben zu dürfen. Aber es gab viele schwierige Momente. Es musste restrukturiert werden. Es kam zu Entlassungen. Ich möchte nur daran erinnern, dass das Budget vor 20 Jahren 65 Mio. Franken betrug; jetzt sind wir bei 26 Mio.
Wie konnten diese schwierigen Momente aber dank der grossen Professionalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überwinden. Ihnen möchte ich im Moment meines Abschieds besonders danken. Dank ihnen kann swissinfo eine Stimme bleiben, die im In- und Ausland geschätzt wird.
swissinfo, Andrea Arcidiacono und Andrea Clementi
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
Renzo Respini wurde 1944 in Sorengo (Tessin) geboren. 1969 schloss er sein Studium in Rechtswissenschaften an der Universität Genf ab; 1976 wurde er Anwalt und Notar.
Respini hat in der Bundesverwaltung in Bern gearbeitet, später als Anwalt und Staatsanwalt im Kanton Tessin. Von 1983 bis 1995 war er Regierungsrat im Tessin, von 1995 bis 1999 Ständerat. Er politisierte stets für die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP).
Renzo Respini ist Teilhaber einer Anwaltspraxis in Lugano und Mitglied in diversen Verwaltungsräten, darunter der Alptransit Gotthard AG. Er sitzt zudem in mehreren Stiftungsräten mit humanitären und kulturellen Zielsetzungen, darunter das Schweizer Institut in Rom.
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