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Roschacher-Absetzung: Presse fordert klare Fakten

Roschachers Absetzung führt zur "Affäre Blocher". swissinfo.ch

Aus dem Wirbel um Justizminister Christoph Blocher ist am Mittwoch ein richtiger Sturm entstanden – einen Monat vor den Parlamentwahlen. Die Presse fordert Transparenz und klare Fakten.

Einige Zeitungen fordern bereits den Kopf des Ministers, andere hingegen glauben, dass Blochers Partei, die rechts-konservative Schweizerische Volkspartei (SVP), letztlich davon profitieren werde.

«Unheimliche Pläne», so übertitelt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) ihren Kommentar zum Bericht über die angeblichen Komplottpläne: «Nach erster Lektüre des Berichts gibt es keine grundlegend neuen Erkenntnisse, die auf eine gravierende Affäre schliessen lassen.»

Sie erinnert jedoch an die Rügen in dem Bericht wegen Blochers Eigenmächtigkeit in diesem Fall und seiner Kompetenzüberschreitungen.

«Von ganz anderer Dimension» seien indessen die Informationen über ein angebliches Komplott zum Sturz des Bundesanwalts, über das die Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) am Mittwoch ebenfalls orientierte.

Da sei noch vieles ungewiss: Ob die Dokumente echt seien, und wer die Urheber und Mitwisser der gefährlichen Papiere seien. Deshalb sei auch die Bedeutung der Pläne heute schwer einzuschätzen.

Da die Informationen in den Papieren mit den Tatsachen «teilweise bis ins Detail übereinzustimmen scheinen», dürfte diese Geschichte über ein angebliches Komplott gegen Roschacher politisch nicht so schnell ausgestanden sein.

«Mehr als nur Wahlkampf»…

kommentiert der Zürcher Tages-Anzeiger die schweren Vorwürfe gegen Bundesrat Blocher: «Es geht darum, was der Justizminister darf und wo er die Regeln der Gewaltentrennung verletzt.» Und es sei die Aufgabe der Geschäftsprüfer sowie der Medien, die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen – Wahlkampf hin oder her.

Auch spricht der Tages-Anzeiger die Kompetenzüberschreitung an: «Offenbar lässt sich belegen, dass Blocher zusammmen mit dem Präsidenten der Beschwerdekammer des Bundesgerichts in einer konzertierten Aktion den Sturz des Bundesanwalts vorangetrieben hat (…).»

Geheimplan für die Abwahl Blochers?

Laut Berner Zeitung sähen sich im Moment Blocher und die Schweizerische Volkspartei (SVP) darin bestätigt, dass ein Geheimplan für die Abwahl Blochers im Dezember bestehe. Für die Neue Luzerner Zeitung ist offen, ob ein geheimer Plan gegen Roschacher eine Rolle spielte oder ob es sich um «Wahlkampfgetöse» handelt.

Für den Berner Bund ist eine seriöse Diskussion nicht möglich, «solange die Situation so unerträglich spekulativ ist». Die politische Fairness verbiete es, die angebliche Verschwörung in die Erwägungen einzubeziehen, ob Blocher im Dezember wieder gewählt werden soll.

Sollte es aber handfeste Beweise dafür geben, dass Bundesrat Blocher sein Amt als Justizminister tatsächlich missbraucht hat, müsse er sofort zurücktreten.

Auch das Boulevardblatt Blick wirft die Frage auf, ob das Roschacher-Komplott ein Justizskandal ist, der Blocher den Kopf kostet. «Das Roschacher-Komplott. Ein Justizskandal, der Blocher den Kopf kostet? Oder eine ‹Inszenierung›, wie SVP-Vizepräsident Toni Brunner gestern sagte?»

«Gefährliche Machtspiele»

«Es steht Aussage gegen Aussage. Das sind gefährliche Machtspiele», schreibt die Basler Zeitung (BAZ). Die GPK habe starke Anhaltspunkte. Blocher weise den Verdacht weit von sich. Die Wahrheit müsse auf den Tisch, so die BAZ, und zwar noch vor der Bundesratswahl am 12. Dezember.

Die Südostschweiz sieht in den Ereignissen vom Mittwoch «Eigendynamiken, die sonst nur in munteren Operetten aufzutreten pflegen». Die GPK müsse ihre Andeutungen zum Komplott so schnell wie möglich ausdeutschen. Sonst werde vor den Wahlen ein «unsägliches Parteien-Hickhack» die Szene beherrschen.

Westschweizer Stimmen

Der Quotidien jurassien meint, dass der Justizminister zwar momentan als Opfer daherkomme, aber zuletzt könnte er sogar davon noch profitieren. Und es sei inzwischen klar, so La Liberté, dass dies der «famose Geheimplan gegen die Wiederwahl Blochers» sei.

24 Heures bringt es auf den Punkt und titelt: «Eine Affäre zwischen Elisabeth Kopp und 007» – eine Allusion auf den Kopp-Skandal, den die erste Frau im Bundesrat, Elisabeth Kopp, auf Grund der Verstrickung mit ihrem Ehemann den Kopf kostete.

Bleibt nachzutragen, dass die Genfer Presse, inklusive Le Temps, heute aus Feiertagsgründen nicht erscheint.

swissinfo, Alexander Künzle und Agenturen

Unter dem Druck der Kritik und mit wenig Rückhalt durch den Justizminister Christoph Blocher ist Bundesanwalt Valentin Roschacher im Juli 2006 zurückgetreten.

Roschacher war in die Presse gekommen, weil er einen ehemaligen kolumbischen Drogenhändler als Informant benutzte. Das Bundesstrafgericht bezeichnete dies zwar «als in der Art einmalig», fand im September 2006 aber keinen Gesetzesverstoss.

Im Januar 2007 hatte die Finanzdelegation des Parlaments Blocher gerügt, er habe seine Kompetenzen überschritten, weil er die Modalitäten der Demission von Valentin Roschacher selber geregelt hatte. Dies hätte der Gesamtbundesrat entscheiden sollen.

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