Sammler reissen sich um boomenden Kunstmarkt
Die Schweiz wird immer mehr zu einem Mekka des internationalen Kunsthandels, sagt die Leiterin des Auktionshauses Sotheby's in Zürich gegenüber swissinfo.
Gemäss Claudia Steinfels verfügt die Schweiz über den viertgrössten Kunstmarkt der Welt. Sie erachtet die Art Basel zudem als grösste und beste Messe für moderne Kunst.
Der Finanzplatz Zürich profitiert auch vom Kunstboom: In den letzten Jahren haben gleich mehrere Galerien an der Limmat ihre Tore geöffnet, um am lukrativen Handel mit Kunst gutes Geld zu verdienen.
Laut Claudia Steinfels von Sotheby’s Zürich gehören die Schweizer zu den eifrigsten Sammlern moderner Kunst und verfügen dabei auch über ein feines Gespür.
swissinfo: Wo steht der internationale Kunstmarkt momentan?
Claudia Steinfels: Er boomt, denn das Interesse in Ländern wie Russland, Indien, Südkorea und China ist gestiegen. Das erlaubt uns, neu auch Werke aus dem gegenwärtigen chinesischen Kunstmarkt zum Verkauf zu bringen.
Der Boom ist ganz klar die Folge der wirtschaftlichen Entwicklung, denn gewiss ist momentan mehr Geld im Umlauf. Und dieses wollen die Leute in Kunst anlegen, denn das bringt Prestige und Anerkennung.
swissinfo: Wie sieht es in der Schweiz aus?
C.S.: Die Schweiz hat hinter den USA, Grossbritannien und Frankreich den viergrössten Kunstmarkt der Welt. Bei den Verkäufen in Europa ist Zürich hinter London die Nummer zwei.
swissinfo: Was ist der Grund für diese Entwicklung?
C.S.: Die Art Basel, die vor 30 Jahren startete und heute die beste Messe für moderne Kunst ist, hat sehr viel ausgelöst. Die Art ist der Ort, wo gekauft und verkauft wird, wo man sich informiert und die neuesten Trends ausmacht.
Viele der Sammler, die an die Art kommen, benützen den Aufenthalt in der Schweiz auch, um Galerien in Zürich zu besuchen. Auch deshalb sind dort viele Neueröffnungen zu verzeichnen.
Diese Sammler haben Geld, und sie wollen es auch ausgeben.
swissinfo: Begünstigt das Schweizer Steuersystem den Kunsthandel?
C.S.: Wir verkaufen in der Schweiz sehr gut, weil sie zentral liegt und Stabilität herrscht. Zudem ist sie ein sehr liberales Land, das keine Steuern auf Kunst erhebt. Ich weiss von keiner grossen Einschränkung für Kunstimporte im Gegensatz zum Beispiel zu Italien. Das ist sicher ein grosser Vorteil.
Wenn jemand in Italien ein Kunstwerk kauft, das über 50 Jahre alt ist, braucht er von Rom eine Ausfuhrbewilligung, die 100 bis 200 Euro kostet.
swissinfo: Wie sehen die Menschen in der Schweiz die Kunst?
C.S.: Verglichen mit Italien und Frankreich verfügt die Schweiz über ein bescheidenes Kunstschaffen. Aber das wird mit der Sammlungstätigkeit kompensiert. Schweizer sind sehr begeisterte Sammler, die genauestens über die neusten Trends in der Szene der modernen Kunst im Bilde sind.
Private Kunstsammlungen in der Schweiz sind «lebendig», weil die Sammler auch bereit sind, sich von Werken zu trennen, die nicht mehr in ihre die Sammlung passen.
Die Sammlung des Winterthurer Industriellen Oskar Reinhart beispielsweise zeigt, wie viel Kenntnis und Begeisterung in Schweizer Sammlungen liegt.
swissinfo: Wie wichtig ist moderne Kunst auf dem aktuellen Markt?
C.S.: Vor 20 Jahren noch waren die alten Meister im Fokus aller Autionshäuser, die Impressionisten waren sehr wichtig.
Heute sehen wir ein zunehmendes Interesse an moderner und Gegenwartskunst. Diese ist daran, die Rolle des Marktleaders zu übernehmen.
swissinfo Interview: Matthew Allen
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)
Das Auktionshaus Sotheby’s führte 1744 die erste Kunstauktion durch. Seit 1969 ist das Haus auch in Zürich vertreten.
Der Schweizer Industrielle Oskar Reinhart (1885-1965) trug eine eindrückliche Kunstsammlung zusammen, die heute in seinem ehemaligen Privathaus «Am Römerholz» in Winterthur besichtigt werden kann.
Eine Auktion in Zürich ergab im Mai einen neuen «Weltrekord» für ein ein Werk eines Schweizer Künstlers: Ferdinand Hodlers «Am Genfersee» wechselte für 4,95 Mio. Franken den Besitzer.
Der alte Rekord von 4,8 Mio. Franken stammte von «Eiger, Mönch und Jungfrau über dem Nebelmeer» desselben Künstlers (November 2005).
Die Mai-Auktion erzielte Rekordverkäufe von 14,7 Mio. Franken, diejenige vom letzten November knapp 11,6 Mio. Franken.
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