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Schreiben – eine Art zu leben

Hansjörg Schneider, der Erfinder des Kommissärs Hunkeler, wird 70. Keystone

Mit seinen "Hunkeler"-Krimis hat sich der Schweizer Autor Hansjörg Schneider in die Bestsellerlisten geschrieben. Bereits 1972 führte sein Theaterstück "Sennentuntschi" zu einem Skandal.

Zum 70. Geburtstag wird Schneider in Deutschland und der Schweiz mit Lesungen, Filmvorführungen und einem Festival gefeiert.

Wer Hansjörg Schneider sagt, denkt sofort an den bärbeissigen Kommissär Hunkeler, der wie sein Schöpfer in Aarau geboren wurde und in Basel lebt und arbeitet.

1993 ist er im Roman «Silberkiesel» erstmals in Erscheinung getreten, seither ist der Kommissär mit Schneider gealtert und steht bereits seit Jahren kurz vor seiner Pensionierung.

Rechtzeitig zum runden Geburtstag ist beim Zürcher Ammann Verlag Schneiders neuester Krimi erschienen. «Hunkeler und die goldene Hand» beginnt mit einem Mord im Solbad eines luxuriösen Wellness-Zentrums in Rheinfelden. Opfer ist ein reicher, homosexueller Kunsthändler aus Basel.

Hunkeler ist nicht beruflich dort, sondern als Patient. Doch das Herumplanschen im lauwarmen Wasser zwischen alten Frauen ärgert und deprimiert ihn. «Er gehörte also zum alten Eisen. Zu den alten Knackern, die sich in den Umkleidekabinen kaum mehr selber umziehen können», geht es ihm durch den Kopf.

Kein Freund von einfachen Lösungen

Der Kommissär ist ein melancholischer Zeitgenosse, der davon träumt, in seinem Ferienhaus im Elsass Schweine zu züchten.

Doch wie die Katze kann er das Mausen nicht lassen, verlässt die Dampfschwaden des Solbads und macht sich privat auf die Spuren von Verdächtigen.

Mit Menschenkenntnis, Herz und Verstand ist der krank geschriebene Hunkeler der offiziell recherchierenden Polizei bald Meilen voraus.

Dass der junge Geliebte des Mordopfers der Täter sein soll, scheint dem Kommissär zu einfach. Er sucht stattdessen nach einem Zusammenhang mit den rätselhaften Kunstdiebstählen in mehreren Museen der Region.

Nicht zufällig erinnert Kommissär Hunkeler an den ruppigen Kommissär Bärlach bei Friedrich Dürrenmatt. Auch bei Schneider geht es um universale Themen wie Liebe und Verrat, Schuld und Sühne. Zugleich sind die Krimis präzise Beschreibungen schweizerischer Zustände und Befindlichkeiten.

Skandal um «Sennentuntschi»

Doch Bestseller und Krimi hin oder her. Hansjörg Schneider kann noch viel mehr, wie ein Blick auf seine literarischen Anfänge verrät.

Der 1938 in Aarau geborene und in Zofingen aufgewachsene Lehrersohn studierte an der Universität Basel Germanistik, Geschichte und Psychologie. Zum Schreiben kam er über den Journalismus und die Arbeit am Theater Basel – als Statist und Regisseur.

1972 wurde Schneiders Mundartstück «Sennentuntschi» am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Das Stück basiert auf der Sage von drei Alphirten, die sich zur Befriedigung ihrer sexuellen Not aus Stroh und Lumpen eine Puppe basteln.

Als das Stück fast zehn Jahre später am Fernsehen gezeigt wurde, war die Entrüstung in der Öffentlichkeit gross. Schneider wurde Pornographie vorgeworfen. Dieses Jahr wird der Stoff von Regisseur Michael Steiner («Mein Name ist Eugen», «Grounding») verfilmt.

Ein grosser Erfolg wurde 1973 das Stück «Der Erfinder» über den introvertierten Pazifisten Jakob Nüssli, der ein Raupenfahrzeug erfindet und beim Betrachten der Wochenschau entsetzt feststellt, dass es bereits existiert – als Panzer der deutschen Wehrmacht. Das Stück wurde später mit Bruno Ganz in der Hauptrolle verfilmt.

Populär und produktiv

Schneider gehört nicht nur zu den erfolgreichsten, sondern mit mehr als 50 Theaterstücken, Romanen, Erzählungen, Hörspielen und Verfilmungen auch zu den produktivsten Schweizer Autoren. Dass er auch fürs Landschafts- und Laientheater schreibt, wundert niemanden, der Hunkelers Ton im Ohr hat.

Das Kriminalkommissariat kommt dem alternden Kommissär immer mehr wie eine «leerlaufende Maschine» vor. «Die Beamten waren die Rädchen darin. Wenn ein Rädchen nicht mehr einwandfrei funktionierte, wurde es ausgewechselt. Hunkeler fand sich zum Kotzen. Warum hatte er so ausgeharrt in diesem üblen Männerverein?»

Schneider zeichnet sein Alter Ego mit viel Liebe, Verständnis und Nachsicht. Dass ihm das Schreiben Spass macht, ist offensichtlich. Er sagt dazu ganz unprätentiös: «Es ist eine Art zu leben. Ich schreibe, weil ich nicht wüsste, was ich sonst tun soll.»

swissinfo, Susanne Schanda

Hansjörg Schneiders neues Buch «Hunkeler und die goldene Hand» ist kurz nach Erscheinen bereits auf Platz 1 der Bestsellerliste gestiegen.

Am Sonntag, 30. März, wird die dritte Hunkeler-Verfilmung mit Mathias Gnädinger in der Hauptrolle im Schweizer Fernsehen gezeigt: «Hunkeler macht Sachen», 20.05 Uhr auf SF1.

Das Grimm-Märchen «Die sieben Raben» bringt Schneider zusammen mit dem Komponisten Jost Meier als Oper auf die Bühne des Theates Basel, am 23., 24., 26. und 27. April.

Am 8. April lesen Mathias Gnädinger und Hansjörg Schneider in Basel aus dem neuen Krimi.

In Todtnauberg im Schwarzwald finden vom 18. bis 20. April die «Hunkeler-Tage» mit Hörspielen, Filmen und Diskussionen statt.

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