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Schweiz gibt konfiszierte russische Gemälde frei

Freigegeben: Paul Gauguins "Eh quoi, tu es jalouse?" Fondation Gianadda

Eine russische Gemäldesammlung, die Genfer Behörden beschlagnahmen liessen, kann sofort den Heimweg antreten, entschied die Schweizer Regierung.

Der Grund für die Blockierung war Geld, das Russland einer Genfer Firma schulden soll.

Im Streit um Gemälde aus dem Moskauer Puschkin-Museum hat der Bundesrat ein Machtwort gesprochen: Er gab die in Genf und Basel beschlagnahmten Bilder am Mittwoch zur Ausfuhr frei.

Die Landesregierung beruft sich auf internationales Recht. Die rund 50 Gemälde waren in der Fondation Gianadda in Martigny in einer Ausstellung zu sehen gewesen, die am Sonntag ihre Tore schloss.

Der Bundesrat habe von seiner verfassungsmässigen Kompetenz Gebrauch gemacht, zur Wahrung der Interessen der Schweiz eine Verfügung zu erlassen, sagte Bundesratssprecher Oswald Sigg vor den Medien. Die Regierung wolle damit einen Rechtsstreit vermeiden.

Die Walliser Behörden, welche die Beschlagnahmung angeordnet hatten, müssten den Beschluss vollziehen; Rekursmöglichkeiten gebe es keine mehr. Die Schweizer Behörden hätten die russische Botschaft über den Entscheid informiert.

Die UNO-Konvention zum Schutz von Kulturgut sei zwar noch nicht in Kraft, sagte Paul Seger, Leiter der Direktion für Völkerrecht im Schweizer Aussenministerium (EDA), gegenüber swissinfo. Doch schon heute gälten Kulturgüter völkerrechtlich als öffentliches Eigentum. Sie dürften nicht für private Zwecke beschlagnahmt werden.

Erleichterung auf der russischen Seite

Bei der russischen Botschaft in Bern wurde der Entscheid der Schweizer Regierung positiv aufgenommen. «Das ist wirklich eine Erleichterung», erklärte Sprecher Igor Petrov gegenüber swissinfo. «Wir haben immer die guten kulturellen Beziehungen von Russland und der Schweiz betont. Es war wirklich ärgerlich, dass eine solch grossartige Ausstellung so unschön enden sollte.»

Petrov gab sich überzeugt, dass die vorübergehende Gemälde-Konfiszierung die Beziehungen der beiden Länder nicht beeinträchtigen werde. «Diese sind aussergewöhnlich gut, so dass ihnen auch Vorfälle wie der Vorliegende nichts anhaben können.» Für ihn ist die Angelegenheit abgeschlossen, sagte der Sprecher.

Hin und Her

Die Gemälde waren auf Betreiben der Genfer Handelsfirma Noga von den Walliser Behörden beschlagnahmt worden. Anlass war ein Rechtsstreit von Noga mit der russischen Regierung. Die Bilder haben einen Schätzwert von einer Millarde Dollar (1,3 Mrd. Fr.).

Noga prozessiert mit der russischen Regierung seit 1994 um angeblich unbezahlte Rechnungen für Lebensmittellieferungen. Die Firma hatte in den vergangenen Jahren versucht, auch Flugzeuge und Segelschulschiffe sowie anderes russisches Regierungseigentum in Westeuropa beschlagnahmen zu lassen.

Am Zoll beschlagnahmt

Das Verfahren zur Beschlagnahmung der Bilder war am vergangenen Freitag eingeleitet worden. Bis am Sonntag blieben die Gemälde jedoch in Martigny ausgestellt. Die Schau in der Fondation Gianadda, die am 13. Juni eröffnet worden war, hatte Zehntausende von Besucherinnen und Besuchern angezogen.

Am Montag entschied das dortige Betreibungsamt dann, dass die Beschlagnahmung nicht zulässig sei. Noga rekurrierte gegen diesen Beschluss und erreichte bei der Walliser Justiz eine superprovisorische Verfügung.

Laut EDA erhielt dadurch der Entscheid des Betreibungsamtes von Martigny aufschiebende Wirkung. Dies führte dazu, dass die Bilder, die mittlerweile auf dem Weg nach Deutschland und Frankreich waren, am Dienstag an den Zöllen beschlagnahmt wurden.

Der Bundesrat fällte seinen Entscheid am Mittwoch auf Antrag des EDA per Zirkularverfahren. Die einzelnen Mitglieder der Landesregierung wurden kontaktiert und gaben ihre Zustimmung.

swissinfo

Vor der Gemälde-Blockierung waren die Beziehung zwischen der Schweiz und Russland durch mehrere Vorfälle belastet worden.

Beim Crash zweier Flugzeuge am 1. Juli 2002 über Überlingen waren 50 russische Kinder umgekommen. Die Schweizer Regierung und die Flugsicherung wurden darauf scharf kritisiert.

Die Affäre um die in der Schweiz blockierten Yukos-Gelder strapazierte ebenfalls die Beziehungen.

Jüngstes Ereignis: Der Entscheid, den in der Schweiz inhaftierten russischen Ex-Atomminister Jewgeni Adamow an die USA auszuliefern, rief heftigen russischen Protest hervor.

Die beschlagnahmten und wieder freigegebenen Gemälde waren vom 17. Juni bis 13. November in der Fondation Gianadda ausgestellt.
Die 54 Werke umfassende Schau zeigte Werke aus drei Jahrhunderten französischer Malerei, von Nicolas Poussin (17. Jh.) bis Pablo Picasso (20. Jh.).
Zu sehen waren auch Gemälde von Manet, Monet, Renoir, Degas, Van Gogh, Gaugin, Cézanne und Derain, allesamt Prunkstücke der Sammlung aus dem Puschkin-Museum.

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