Schweiz-Österreich: GOOOOOOOAL!!!
Geschafft! Die Fussball-Europameisterschaft findet 2008 in der Schweiz und in Österreich statt. Die Schweizer Presse ist begeistert.
Für die Zeitungen geht dieser Erfolg für die Schweiz weit über den Sportbereich hinaus.
«Schweiz ist in Europa willkommen» – so lautet die Schlagzeile im Zürcher TAGES-ANZEIGER. Erstmals seit der Fussball-WM von 1954 werde wieder ein Grossanlass in der Schweiz stattfinden, freut sich der TAGI.
Das Blatt spricht von «strahlenden Gastgebern», erinnert aber gleichzeitig daran, dass «Touristen in erster Linie von Gastgebern beherbergt und nicht von Abzockern ausgebeutet werden wollen – auch während Fussballmeisterschaften».
Und weiter schreibt der TAGES-ANZEIGER: «Und die eigene Bevölkerung will bei aller Freude über Grossanlässe nicht einfach vergessen werden.» Deshalb müssten Sorgen um Sicherheit, Gewalt oder Verkehrschaos ernst genommen werden, ebenso kritische Voten zur ökologischen Verträglichkeit.
Grosser Impuls
Aus Schweizer Sicht sei der Zuschlag ein grosser Impuls für den hiesigen Fussball, «nicht zu vergleichen mit der kurzfristigen Wirkung der Erfolge des FC Basel in der Champions League und dem guten Start des Nationalteams in die EM-Ausscheidung», schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Der Zuschlag sei grundsätzlich zu begrüssen, meint die NZZ: «Denn eine Fussball-EM stellt aus ökologischer Sicht im Vergleich mit Olympischen Winterspielen und einer Fussball-WM kein Monstrum dar, das mancherorts nach kurzer medialer Bestrahlung Ruinenlandschaften hinterlassen hat.»
Kollektiver Kick
Die BASLER ZEITUNG spricht von einem «Golden Goal nach hektischer Partie» und erinnert daran, dass die Exponenten der siegreichen Kandidatur vor der Gewissheit Stunden der Ungewissheit, Gerüchte und Stimmungs-Schwankungen durchlebt hätten.
Für die BERNER ZEITUNG wird die Begeisterung der fussballinteressierten Bevölkerung in der Schweiz und in Österreich weiter anwachsen und beiden Ländern einen sportlichen, wirtschaftlichen und imagemässigen Aufschwung bescheren.
«Gerade in rezessiven Zeiten ist ein solcher kollektiver Kick nicht zu unterschätzen», schreibt die BZ. Es wäre im Übrigen nicht das erste Mal: 1993 habe die WM-Qualifikation von Roy Hodgsons Nati-Team perfekt mit dem damaligen Slogan «Der Aufschwung beginnt im Kopf» korrespondiert.
Von der Gelegenheit zum Aufschwung spricht auch der CORRIERE DEL TICINO: «Un’occasione per il rilancio.» Dasselbe meint auch das ST. GALLER TAGBLATT, drückt es aber so aus: «Der Ball rollt bei uns.»
Weiter nach Europa
Der Berner BUND sieht die Fussball-EM 2008 als Chance für die Schweiz. Der Zuschlag vermittle eine Art Aufbruchstimmung. Nicht nur für den Fussball sei die EM 2008 eine Herausforderung, sondern auch für Politik und Bevölkerung, welche die Bewerbung bisher unterstützt hätten.
Und für den BUND ist klar: «Der Auftrag EM 2008 wird die Öffnung nach Europa vorantreiben und der Schweiz die Chance bieten, ihren Ruf aufzubessern.»
Ähnlich tönt es in der AARGAUER ZEITUNG. Der EM-Zuschlag sei nicht nur für den Fussball ein Segen. «Die reibungslos gelebte Partnerschaft mit dem EU-Land Österreich beweist, dass die im Ausland oft genug als Eigenbrötlerin angesehene Schweiz eine verlässliche Partnerin ohne Extrawürste sein kann.
Seelenbalsam
«Der Zuschlag für die Schweiz und Österreich ist Dul-X für die gebeutelte Schweizer Seele», schreibt die NEUE LUZERNER ZEITUNG. Endlich hätten die Diskussionen um die angebliche Schwäche der Schweizer Sportdiplomatie – Sion 2006 lässt grüssen! – ein Ende.
Ausserdem hätte die Schweiz jetzt gelernt, «dass es ohne Allianzen in der globalisierten Welt keine Spiele mehr zu gewinnen gibt», heisst es in der NLZ.
Österreich sei dank also, meint auch die Genfer Zeitung LE TEMPS: «Merci l’Autriche!» Das Blatt schreibt, UEFA-Direktor Gerhard Eigner habe es selber hinter vorgehaltener Hand gesagt: Ohne Österreich hätte es die Schweiz vielleicht nicht geschafft…
Für LE MATIN öffnen sich in einem Land, in dem es an Toren und oft an Zielen mangle, ausserordentliche Perspektiven – «des perspectives extraordinaires».
Und deshalb ist für 24 HEURES klar: «Jouons le jeu. Soyons optimistes, donc contents. Positivons.» Was so viel heisst wie: «Spielen wir das Spiel. Sind wir optimistisch, also zufrieden. Lasst uns positiv sein.»
«Jaaaa! Wir haben sie.» Das sagt uns ganz lapidar der BLICK.
Freude auch in Österreich
Auch die österreichischen Zeitungen freuen sich über die EM-Zugabe.
Ehrenwerte Männer – die Fussball-Funktionäre – hätten Tränen der Rührung in den Augen gehabt, schreibt DER STANDART, der den Generalsekretär des Österreichischen Fussballverbandes (ÖFB), Alfred Ludwig, zitiert: «Das ist der größte Tag des österreichischen Fußballs.»
«Ein Volltreffer, was Fußball-Diplomatie betrifft, aber erst der Ankick zu dem, was auf Österreich und die Schweiz in den nächsten sechs Jahren zukommt», meint DIE PRESSE. Die EM 2008 sei auch für die Wirtschaft ein Gewinn, «die durch das drittgrößte Sportereignis der Welt nach Olympia und Fußball-WM angekurbelt wird».
Und der KURIER doppelt nach: «Erster Sieger der EM wäre die Wirtschaft.»
Den Mahnfinger hebt lediglich das Boulevardblatt KRONE. ÖFB-Präsident Stickler sei für die jahrelange Vorarbeit belohnt worden, nun dürfe man mit einem Milliardengeschäft rechnen. «Bei aller Euphorie darf aber mit einem nicht vergessen werden: Der Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft wird jetzt gesetzt!
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
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