Schweiz setzt auf palästinensisches Kino
Am ersten Filmfestival in Ramallah ist die Schweiz stark engagiert. Ziel des Anlasses ist der Aufbau einer eigenen palästinensischen Filmkultur.
Dasselbe Ziel verfolgt auch das vor einem halben Jahr geschaffene Kulturelle Kompetenzzentrum des EDA.
«Das Filmfestival ist das erste Projekt des Kompetenzzentrums», freut sich Nicolas Bideau, Leiter der neuen EDA-Abteilung, deren genaue Bezeichnung Kompetenzzentrum Kultur-Aussenpolitik lautet. Das Festival findet in der palästinensischen Stadt vom 8. bis 14. Juli statt.
Die Unterstützung des Filmfestivals in Ramallah ist richtungsweisend für die Rolle, welche das EDA mit der Arbeit des Kompetenzzentrums künftig verfolgen will.
«Wir haben die Aufgaben mit der Kulturstiftung Pro Helvetia aufgeteilt, welche für die Promotion von Schweizer Kultur im Ausland verantwortlich ist», erklärt Bideau. Demnach behält Pro Helvetia die Aufsicht über die rein künstlerischen Aktivitäten.
Politik und Kultur
Aufgabe des von Bideau geleiteten Zentrums ist es hingegen, politische Initiativen um eine kulturelle Dimension zu erweitern.
So hat die Schweizer Präsenz in Ramallah ihre Wurzeln in der so genannten Genfer Initiative. Der Anstoss zu diesem Friedensvorschlag ging vom Genfer Privatdozenten Alexis Keller aus. Das Papier wurde im letzten Dezember von israelischen und palästinensischen Vertretern am Genfersee unterzeichnet.
Mit dem Akt wollten die Beteiligten eine breite Diskussion in der Bevölkerung Israels und Palästinas auslösen. Dies als Beitrag zur Deblockierung der festgefahrenen Positionen der verfeindeten Behörden.
«Im Zentrum der Genfer Initiative steht die Zivilgesellschaft. Das ist ein Grund, weshalb sie von der Schweizer Aussenministerin unterstützt wird», sagt Bideau. Er habe sich auf die Suche nach Partnern aus der Kulturszene gemacht und sei auf Nicolas Wadimoff gestossen.
Entscheidendes Treffen
Der Schweizer Regisseur Wadimoff ist momentan daran, einen Dokumentarfilm über die Genfer Initiative zu drehen. «Während einer meiner zahlreichen Recherchen in der Region habe ich Adam Zuabi getroffen, den Direktor des Filmfestivals von Ramallah», schildert Wadimoff. Danach habe er Nicolas Bideau überzeugen können, sich in dieses Abenteuer zu stürzen.
Das Resultat: Im Festival-Programm figurieren mehrere Schweizer Filme, darunter «Strähl» von Manuel Flurin Hendry, «War Photographer» von Christian Frei und Jean-Luc Godards «Notre musique», der mit arabischen Untertiteln zu sehen ist.
«Nach den Vorführungen gibt es Diskussionen, an denen die Schweizer Regisseure teilnehmen werden», so Bideau. «Wir wollen Filme zeigen, die einer sozialen und politischen Realität entstammen, ohne im engeren Sinne militant zu sein.»
Der Aktualität entfliehen
Genau das ist auch die Ansicht Adam Zuabis. «Mein Festival soll jungen palästinensischen Regisseuren helfen, einen eigenen künstlerischen Ausdruck zu finden. Denn wir sind mit politischen Filmen überfüttert», schrieb der Festivaldirektor in der israelischen Tageszeitung «Haaretz».
Nach Wadimoffs Erfahrung träumen viele junge Filmschaffende in Palästina davon, persönliche Filme zu realisieren. Solche Träume lösten sich aber aus Mangel an Produzenten in Luft auf.
«Die einzige Möglichkeit zu drehen, haben sie als Kamermann bei einer der zahlreichen TV-Stationen, die aus der Region berichten», erklärt der Genfer.
Es gebe praktisch keine palästinensischen Filme, obwohl es diejenige Region sei, aus der die meisten gedrehten Bilder stammten, so das etwas bittere Fazit Wadimoffs. Mit dem Festival von Ramallah soll dieses Paradox korrigiert werden.
Schweizer Ausbildungshilfe
Mit Geldern aus der Entwicklungs-Zusammenarbeit finanziert die Schweiz vor Ort Werkstätten, die Dokumentarfilme produzieren. Der einjährige Ausbildungs-Lehrgang wird auch unterstützt durch «Vision du réel», das Dokumentarfilm-Festival in Nyon. Unterstützt wird das Ramallah-Festival auch von Swiss Films.
Nicolas Wadimoff hat zudem bereits Pläne für eine vertieftere Zusammenarbeit: Er sucht Schweizer Produzenten, die Filme von im Land ansässigen Palästinensern finanzieren sollen.
«Heute haben nur im Ausland lebende Palästinenser oder solche mit israelischer Staatsbürgerschaft die Möglichkeit, Filme zu realisieren.» Als Beispiel erwähnt er den in Cannes ausgezeichneten Elie Suleiman.
swissinfo, Frederic Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
Federführend beim Schweizer Engagement in Ramallah ist das Kompetenzzentrum Kultur-Aussenpolitik des EDA.
Das Schweizer Engagement beträgt 180’000 Franken, die Ausbildungsbeiträge eingeschlossen.
Ein ähnliches Projekt ist für Israel geplant.
Das erste Filmfestival von Ramallah dauert vom 8. bis 14. Juli.
Gezeigt werden 80 Filme, 20 davon aus der Schweiz.
EDA, Swiss Films und «Visions du réel» unterstützen den Anlass.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch