«Alles Irrationale zieht mich an»
Das Bundesamt für Kultur hat am 26. April die Theaterpreise 2018 vergeben. Unter den Preisträgerinnen und Preisträgern ist auch der spanisch-schweizerische Regisseur und Komiker Oscar Gómez Mata. Ein Porträt.
Wenn er sich auf seine Arbeit konzentrieren will, zieht sich Oscar Gómez Mata nach HendayeExterner Link zurück. Dieses kleine französische Küstendorf liegt genau an der Grenze zum spanischen Baskenland, nur einen Steinwurf von San Sebastian entfernt. In jener gastronomischen Hochburg Spaniens ist der Regisseur geboren worden.
Seine Kindheit verbrachte er in Frankreich und Spanien, in der Schweiz wurde er zum Künstler. In Genf gründete er vor etwas mehr als 20 Jahren seine «Compagnie L’Alakran»Externer Link. In der Rhonestadt, in der er seit 1994 lebt, konnte er auch eine starke Verbindung zur institutionellen Szene aufbauen.
Gómez Mata beantwortet die Fragen von swissinfo.ch aus Hendaye. Am 24. Mai wird er in Zürich zusammen mit den anderen Preisträgerinnen und Preisträgern anlässlich der Verleihung des Schweizer Theaterpreises ausgezeichnet. Überreicht wird der Preis im Namen des Bundesamts für Kultur (BAK), in Anwesenheit von Bundespräsident Alain Berset.
«Ich fühle mich durch diese Auszeichnung sehr geehrt», sagt der Künstler. «Ich glaube, ich habe der Schweiz viel mehr gegeben als meinem Heimatland. Ich habe das sehr gerne getan, und heute erhalte ich quasi mein Geld zurück. Diese staatliche Anerkennung meiner Arbeit bewegt mich.»
Grenzen niederreissen
Oscar Gómez Mata ist ein Grenzgänger. Nicht was von Menschen gemachte Grenzen betrifft, sondern jene, die wir niederreissen, um die Welt besser zu verstehen. Davon zeugt seine Arbeit als Regisseur und Komiker.
Von seinem nächsten Projekt, das er in Hendaye vorbereitet, sagt er kein Wort. Künstlergeheimnis. Seine bisherigen Produktionen haben gezeigt, dass der Künstler mit seinen Werken seine Vision in die Welt trägt.
«Alles Irrationale zieht mich an», sagt er. Zweifelsohne geht das auf seine Adoleszenz zurück. Als Kind besuchte Oscar die Franco-Schule. Mit seinen Eltern lebte er auf dem Land. Damals war es verboten, Baskisch zu sprechen und seine politischen Ideen zu äussern.
«Ich war 12 Jahre alt, als die baskischen Unabhängigkeitsbewegungen hochkochten», erinnert er sich. «Später, als das Franco-Regime zu Ende war, durfte ich die Explosion der Freiheit erleben. Wenn ich heute zurückblicke, habe ich den Eindruck, eine doppelte Realität gelebt zu haben: Wie die Dinge waren, und wie sie hätten sein sollen.»
Viele und dissonante Stimmen
Es gebe keine einzige Vorstellung vom Leben: Das ist es, was er von seinen jungen Jahren behalten habe. «Wir bestehen aus vielen und oft dissonanten Stimmen», sagt der Autor von Werken wie «Cerveau cabossé», «Boucher espagnol», «Kaïros» oder «Epiphaneïa»…
Viele Produktionen, die mehrere Ebenen des Lesens zulassen. «Im Leben wie auf der Bühne gibt es immer das, was man sehen kann und das, was sich dahinter versteckt», sagt Gómez Mata.
Manchmal lauert das Absurde in seinen Produktionen, aber das Publikum folgt ihm amüsiert. Mit seiner «Compagnie L’Alakran» gastierte er in mehreren lateinamerikanischen Ländern, in Nordafrika, Frankreich, Italien, Portugal und natürlich in Spanien.
Im Mai wird Gómez Mata in Madrid sein, wo das Internationale Zentrum für darstellende Künste, Naves Matadero, ihm eine Retrospektive widmet. Er wird dort auch einen Workshop und eine Meisterklasse geben.
Schweizer Stabilität
Oscar Gómez Mata leuchtet, buchstäblich wie auch bildlich. Hätte er die gleichen Erfolge feiern können, wenn er in seinem Heimatland geblieben wäre? Er kann das nicht beantworten. Er weiss nur, dass in der Schweiz ein Künstler nicht bei jedem politischen Wandel in Ungnade fallen kann.
«Ich haben Spanien verlassen, als ich verstand, dass meine Arbeit von den politischen Orientierungen der jeweils Gewählten abhing. Man kann dem einen Verantwortlichen gefallen, dessen Nachfolger vier Jahre später aber missfallen. Und dieser wird einem keine Chance mehr geben.» Nur in der Stabilität könne man bestehen.
Grand Prix Theater 2018 / Hans-Reinhart Ring
Das Schaffhauser Theater Sgaramusch erhält «für sein beharrliches Engagement im Kinder- und Jugendtheater» den mit 100’000 Franken dotierten Grand Prix Theater 2018 / Hans-Reinhart Ring, wie das Bundesamt für Kultur (BAK) am 26. April mitteilteExterner Link.
Das Theater Sgaramusch, das 1982 von Urs Beeler gegründet wurde, steht seit 20 Jahren unter der Leitung von Nora Vonder Mühll und Stefan Colombo. Die beiden künstlerischen Leiter und Schauspieler würden ohne didaktischen Zeigefinger Stücke auf die Bühne bringen, die sowohl für das junge, wie auch das erwachsene Publikum sehenswert seien, begründet das BAK in einer Medienmitteilung.
Die weiteren fünf – mit 30’000 Franken für Einzelpersonen und 50’000 Franken für Ensembles und Organisationen dotierten – Theaterpreise gehen an das Basler Festival Wildwuchs, die Zürcher Kulturmanagerin Gabi Bernetta, die Neuenburger Regisseurin und Theaterleiterin Anne Bisang, den Genfer Schauspieler und Regisseur Oscar Gómez Mata sowie den Aargauer Musiker und Regisseur Ruedi Häusermann.
Das Neuenburger Trio «Les Petits Chanteurs à la Gueule de Bois» wird mit dem Schweizer Kleinkunstpreis 2018 ausgezeichnet.
Die Preise werden am 24. Mai im Rahmen des 5. Schweizer Theatertreffens (23.-27.5.) übergeben. Die Preisverleihung findet dieses Jahr nach Ausgaben in Winterthur, Genf und Lugano im Schauspielhaus Zürich statt.
(Quelle: SDA)
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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