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Schweizer Uhrenindustrie trotzt der Rezession

Trotz der Wirtschaftskrise kann die Uhrenindustrie nicht klagen. Gefragt sind vor allem Luxusuhren. Keystone

Trotz der Frankenstärke hat die Schweizer Uhrenindustrie den Stürmen auf den internationalen Märkten standgehalten und ein Rekordjahr hingelegt. Mit einem Wachstum von 19% im Jahr 2011 und einem Umsatzanstieg von 16% alleine im November.

Gemäss den Zahlen des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie wurde alleine im November ein Wachstum von 2 Milliarden Franken erreicht und gegen 18 Milliarden für das ganze Jahr – das Weihnachtsgeschäft nicht inbegriffen.

Resultate, welche die Akteure der Branche im Vorfeld von zwei Grossereignissen beflügeln, die jeweils im Januar in Genf stattfinden: Die Geneva Time Exhibition und der Internationale Luxusuhren-Salon Genf (SIHH).

Diese gute Nachricht bringt auch frischen Wind im Gegensatz zu den düsteren Prognosen, die sich seit Monaten häufen, so etwa vom Konjunkturforschungs-Institut KOF, das für die kommenden Quartale eine leichte Rezession sowie für 2012 quasi ein Nullwachstum ankündigt.

Andere Sektoren der Schweizer Export-Industrie, wie die Papier-, Textil- oder Maschinenbau-Industrie, leiden weiterhin unter dem starken Schweizer Franken.

Für den Boom verantwortlich ist vor allem die allmähliche Veränderung der traditionellen Märkte. Einerseits hat sich die Euro-Krise sehr unterschiedlich auf die europäischen Märkte ausgewirkt. So verzeichnete Deutschland einen Anstieg von 60% beim Verkauf von Schweizer Uhren, während Italien einen zweistelligen Rückgang registrierte, namentlich wegen einer Änderung im Steuergesetz.

Das China-Syndrom

Ein weiterer Grund für den Uhren-Boom ist der konstante und kräftige Konsum in den asiatischen Ländern während den letzten Jahren. China rückte vom 7. Rang auf den komfortablen dritten Platz vor, hinter Hongkong und den USA. Die Perspektiven sind gut.

Wegen der steigenden Nachfrage, insbesondere im Segment der Uhren von 3000 Franken aufwärts, haben zahlreiche Luxusmarken wie Zenith, Cartier, Panerai und die Swatch-Gruppe ihre Kapazitäten erhöht und das Personal aufgestockt. Auch der Einzelhandel in Asien wurde ausgebaut.

Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie, gibt sich gegenüber swissinfo.ch zurückhaltend optimistisch: «China ist ein sicherer Markt. Dort gibt es für uns ein Wachstumspotenzial. Aber leben wir in einer sicheren Welt? Wir müssen vorsichtig sein und dürfen die anderen Märkte nicht ignorieren.»

Fausto Salvi, CEO der Uhrenmarke Perrelet, sagte gegenüber swissinfo.ch, der chinesische Markt sei zwar vielversprechend, aber dennoch nicht leicht zu erobern. «Die Marken, die gut laufen, sind jene, die seit Jahren etabliert sind. Für neue Marken ist es schwieriger.»

Perrelets Strategie zielt darauf ab, eine Reihe von Boutiquen zu eröffnen, die nur die eine Marke verkaufen, dies vor allem auf dem bisher bewährten Markt in den USA.

Fausto Salvis Bedenken teilen auch einige seiner Konkurrenten, so etwa Jean-Claude Biver, Verwaltungsrats-Präsident der Luxusmarke Hublot und seit dreissig Jahren eine grosse Persönlichkeit der Schweizer Uhrenindustrie.

Im letzten Jahren erklärte er gegenüber dem Forbes Magazine im Wesentlichen, dass die Chinesen und die Uhren von Hublot nicht zusammen passten. Heute gibt er zu, dass seine Marke einiges aufzuholen habe.

Das Unternehmen besitzt eine Boutique in Peking, aber China als Ganzes ist lediglich für 3% des Umsatzes verantwortlich, gegenüber 0,9% im Vorjahr. «Es gibt also noch einiges an Potenzial für die Zukunft», sagte Biver gegenüber swissinfo.ch.

«Auf der anderen Seite sind wir in Lateinamerika sehr gut etabliert und etwa in Mexiko, Brasilien, Kolumbien, aber auch in Russland und Indien sehr erfolgreich.»

Zeit des Wachstums

Für viele andere Schweizer Marken geht es darum, die lokalen Bedürfnisse der relativ neuen Märkte zu verstehen und sowohl die Konsumenten wie auch die Detailhändler zu informieren.

Dies könnte sehr wohl auch die Aufgabe kleinerer und unabhängiger Marken sein, die häufig Nischenprodukte herstellen, die von Sammlern äusserst gesucht sind.

Marc Jenni, ein junger Uhrmacher aus Morges, hat China zusammen mit der Akademie selbständiger, schöpferisch tätiger Uhrmacher (AHCI) kürzlich besucht. Sein Urteil: «In China gibt es viele gut informierte Käufer und Sammler, aber auch viele Neulinge, die ihr Geld für etwas Neues, etwas Anderes ausgeben wollen.»

Der beste Zugang besteht gemäss Jenni darin, die Käufer von der Authentizität und der Qualität der Produkte zu überzeugen und Dienstleistungen anzubieten.

Thomas Prescher, ein anderer unabhängiger Uhrmacher, ist bekannt für seine äusserst komplizierten und ausgeklügelten Uhren, die besonders in Russland verkauft werden (Wladimir Putin trägt offenbar eine Prescher).

Auch wenn es in Asien die richtigen Partner gibt, die seine Produkte fördern, bleiben doch kulturelle Unterschiede zu überbrücken: «Es braucht einen enormen Aufwand, Verständnis und überzeugende Arbeit, um gute Geschäftsbeziehungen aufzubauen», gesteht Thomas Prescher.

Auch er warnt davor, auf einheitliche Märkte zu setzen, die über Nacht zusammenbrechen könnten, wie es in der Ukraine passierte.

Wachsam sein

Trotz der Rekordergebnisse ist jedoch von einer Rückkehr zur ungestümen Zeit vor der Rezession mit ihren teils extravaganten Designs und manchmal auch übertriebenen Preisen abzuraten.

Die steigende Nachfrage habe mitgeholfen, die Auswirkungen der Frankenstärke zu kompensieren, sagt Jean-Daniel Pasche: «Unsere Mitglieder müssen ihre Margen verkleinern, um konkurrenzfähgig zu bleiben, denn der Preis ist für die Kunden relevant.»

Für Jean-Claude Biver von Hublot hingegen ist Flexibilität die richtige Antwort auf die Situation. «Wir sind bezüglich der unterschiedlichen Signale viel wachsamer geworden. Wir haben eine Strategie entwickelt, die es zulässt, umgehend zu beschleunigen, aber paradoxerweise auch rasch auf die Bremse zu treten.»

Biver betont auch, dass die Nachfrage nicht der alleinige Grund sei für das ausgezeichnete Abschneiden der Schweizer Uhrmacher. «Der Industrie ist es gelungen, auf den rationalen Nutzen der Uhr zu fokussieren und daraus ein Statussymbol zu machen.»

Und nicht ohne Stolz fügt er an: «Der Uhrenindustrie ist es gelungen, den Löwenanteil auf den Märkten zu erobern, weil sie praktisch keine ausländische Konkurrenz hat.»

Dennoch darf daran erinnert werden, dass China bereits eine eigene Uhrenindustrie hat.

2008 war das letzte Rekordjahr, nach 19 Quartalen regelmässigem Wachstum. Der Umsatz lag bei 17 Mrd. Franken. Insgesamt wurden 26,1 Millionen Uhren exportiert.

Die Höhe der Exporte ist vor allem den Stahluhren zu verdanken (6,4 Mrd.). Die Edelmetalluhren erreichten 5,4 Mrd. Franken und die Bimetall-Uhren (häufig aus Stahl und Gold) 2,2 Milliarden.

Das Wachstum bei den Stahluhren-Exporten ging allerdings bereits zurück.

Während des Rezessions-Jahres 2009 lagen die Zahlen drastisch tiefer, bei 13,2 Mrd. Fr. Umsatz und 21,7 Mrd. Uhren.

Leader waren die Stahluhren mit 5 Mrd, gefolgt von den Edelmetalluhren mit 4 und den Bimetall-Uhren mit 1,7 Milliarden.

2009 gingen die Verkäufe in den USA zurück, in Europa und Asien nahmen sie zu.

 

2010 ging es wieder aufwärts: Die Exporte stiegen auf 15,1 Mrd. Fr. oder 26,1 Mio. Stück.

6,1 Mrd. Fr. (+22,7%) entfielen auf Stahluhren, 5,3 Milliarden (+17,6 %) auf Edelmetall und 2,5 Milliarden (+50,7 %) auf Bimetall.

In Asien stiegen die Importe weiter, nicht aber in Europa und den USA. Diese Entwicklung reflektiert die Finanzkrisen auf den zwei Kontinenten.

Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein

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